Portrait:Pierce Brosnan

Der Nullenmann ohne Eigenschaften

Gerhard Matzig

Es ist schwer genug, James Bond zu spielen - aber wie muss sich das erst anfühlen, wenn man Bond ist, wenn man also jenen unsterblichen Agenten mit der ein wenig lachhaften Nummer 007 darstellt, von dem die ganze Welt weiß, wie er denn so ist. Und vor allem: Was er denn so zu sein hat - nämlich ein smarter, schnellziehender Siegertyp, der auch dann noch gut gebügelt aussieht, wenn er aus einem zerschossenen Panzer steigt, mit dem er eben halb St.Petersburg ruiniert hat. So wie im Film "Golden Eye" (1995), in dem Pierce Brosnan zum ersten Mal die Welt als James Bond rettet - als dynastisch verantwortlicher Interpret jener Sagengestalt, die 1952 von Ian Fleming erfunden und in den vier Jahrzehnten seit Sean Connerys Ur-Bond ("Dr. No", 1962) auch von Roger Moore, dem Einweg-Bond George Lazenby und Timothy Dalton beseelt wurde. Der Film "Stirb an einem anderen Tag", der heute in den deutschen Kinos anläuft, ist bereits der 20. Bond - also eine Art Jubiläum einer dauerhaft gültigen Geisteshaltung, wonach man sich die Welt nur durch ein Martini-Glas betrachten darf.

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(Foto: SZ v. 28.11.2002)

Vielleicht ist es ein Zufall, dass der aus Dublin stammende und in Malibu lebende Brosnan, der im nächsten Jahr 50 wird, fast genau so alt wie die Legende selbst ist; vielleicht ist das Leben aber auch einfach nur ein gutes Drehbuch. Jedenfalls trägt Pierce Brosnan selbst nach mittlerweile vier Bond-Rollen nicht immer und überall eine Walther PPK und ein Bondgirl mit sich herum - aber nach einem halben Bond-Jahrhundert kann sich der gelernte Werbegrafiker und Schauspieler in der Öffentlichkeit trotzdem kaum bewegen, ohne an seiner Lizenz, ein anderer zu sein, gemessen zu werden. Wie das wohl ist, wenn Brosnan beim U-Bahn-Fahren nach seiner Fahrkarte gefragt wird, die er nicht hat? Was hätte Bond getan? Und wenn Brosnan vom Kellner ignoriert wird im Restaurant - wird er dann nervös, kriegt er hektische Flecken, fuchtelt er mit den Armen? Traut man so einem dann noch zu, mit dem Bösen fertig zu werden?

Oder spricht es am Ende für den Schauspieler, dass der rasende Bond im wahren Leben gelegentlich ein paar Schwierigkeiten mit teuren Autos hat? Während der Dreharbeiten zu "Golden Eye" soll der Eigentümer des wunderbaren Original-Aston-Martins fast kollabiert sein vor Entsetzen: "Brosnan fuhr erst mit angezogener Handbremse los, dann brach er das Lenkrad ab." Auch seinen eigenen Porsche soll Brosnan schalttechnisch mal gequält haben - aber nur, weil er im Anfahren noch rasch den Kindersitz in Position bringen wollte. ..

Kein Wunder, dass sich die deutsche Ausgabe von Marie Claire dem fünffachen Vater, "Hobby-Angler", "Mustergatten", "Öko-Krieger" und "Grübler" jüngst in einem erstaunlichen Interview näherte, in dem viel von Trost und Dankbarkeit und Liebe die Rede ist. Kein Wunder auch, dass Brosnan, der noch einen Bond machen will, neulich bei Jay Leno laut über eine Frau als 007 nachdachte. Im Ernst? Mein Name ist Bond, Jane Bond? Der Mann hat jedenfalls Witz und Charme. Gut aber, dass bei aller Abgründigkeit die Bondsche Entschlossenheit fehlt.

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