Porträt:Selbstfindungspop

Vom Hoffnungsträger beim Major-Label zur Ich-AG: Der Münchner Songwriter Robert Redweik hat sich künstlerisch emanzipiert. Vor kurzem ist sein Solo-Debütalbum erschienen

Von Michael Zirnstein

Vor drei Jahren galt Robert Redweik als das große Versprechen des deutschen Pop: Mit seiner Band Redweik hatte er für das Album "Keine Liebe" einen Vertrag mit einem Major-Label in der Tasche, das hier nicht benannt wird, denn es kommt bei seiner Schilderung nicht gut weg. Er reiste im Nightliner von Fernseh-Shows zu Radio-Interviews und beantwortete die üblichen Fragen zur schönen neuen Deutsch-Pop-Welle, "ja, in der Muttersprache kommt man auf der Inhalts- und Gefühlsebene eben eine Schicht weiter". Er selbst stellte solche Fragen als dunkelgelockter Sonnyboy-Moderator im Internet-Magazin zur Vox-Casting-Show "The Voice of Germany". Und es gab da eine Romanze mit einer "Harry Potter"-Schauspielerin, aber: "Psst!". Nach Konzerten hieß es: "Gin Tonic, noch 'ne Runde. Die Plattenfirma zahlt!" Wenn der Münchner zurückblickt, sagt er: "Wir hatten schon auch eine geile Zeit." Aber er sieht dabei nicht aus, als hätte sich das Versprechen erfüllt. Nicht für ihn.

Auch wenn dem 34-Jährigen die Rolle als Popstar gut zu Gesicht steht, vielleicht ist es nicht die Rolle seines Lebens. Statt im Backstage-Raum nach der georderten Flasche Wodka zu greifen, musste er sich neulich ins Auto setzen und Milch-Abpumpbeutel für seine Cellistin organisieren. "Da habe ich gemerkt: Etwas ist anders." Das zeigt sich auch daran, dass vor dem einstigen Band-Namen Redweik nun der Vorname Robert steht: Er ist für alles allein verantwortlich bei seinem Solo-Debütalbum "Dein Vegas". Es gibt kein festes Band-Gefüge mehr. Für die Tournee, auf der er am 9. November auch im Münchner Backstage spielt, engagiert er nur seinen alten Schlagzeuger Severin Gasteiger und die Cellistin und Keyboarderin Nargiza Yusupova. Er wollte "auch keine große Plattenfirma hintendran", sagt er. Nicht nur, dass da aus seiner Sicht viel Geld verbrannt wurde: "Am Ende des Jahres wurde die Abrechnung präsentiert. Da habe ich mich schon gefragt: Hätten wir für das Video nicht weniger als 40 000 Euro ausgeben müssen?" Und brauchte es den Nightliner für die Radio-Promo-Tour? "Diesmal habe ich das zwei Wochen alleine im Auto gemacht, mit zig Terminen mehr." Vor allem nervte ihn aber, dass da etwas aus ihm gemacht wurde, das er nicht war. Der Labelchef habe "sehr aggressiv Medienköpfe unter Druck gesetzt", und sein Promoter habe viele schön klingende, aber falsche Geschichten in Umlauf gebracht. "Das hat viel verbrannte Erde hinterlassen." So schlug ihm nun bei einigen Promo-Terminen zum Solo-Album Argwohn entgegen. "Ich musste klarstellen: Nein, ich bin nicht dieser Typ, und ich war auch nie dieser Typ."

Stellt sich die Frage: Welcher Typ ist er? Ist Redweik der Sänger, Gitarrist und Pianist mit Tölzer-Knabenchor- und Metal-Ska-Vergangenheit? Der Moderator im Model-Look ("Ein Frühstücksformat wie ,Volle Kanne' könnte ich mir vorstellen.")? Der Songwriter, der für Howard Carpendale und die Schlager-Chanteuse Beatrice Egli ebenso schreibt wie für die Indie-Band Milliarden? Der Doktor oec. publ., der an der Ludwig-Maximilians-Universität das Entrepreneurship Center aufgebaut, das Investoren-Netzwerk "Munich Angels" gegründet und die Basilikum-Limonade Balis von München bis Finnland zur Marktreife gebracht hat? Oder ist er der "coolste Dozent Deutschlands", der an LMU und Musikhochschule lehrt, wie Kreativität und Unternehmertum zusammenkommen? "Für viele Leute ist das zu viel", weiß er, "ich bin für die nicht greifbar."

So abgedroschen das klingt: Er musste sich selbst finden. Nicht ganz "Neu erfinden", wie ein Song auf der Platte heißt, dazu war zu gut, was schon da war. Aber dieser Weg von einem quasi sicheren Arbeitsverhältnis in eine Ich-AG war ein Schritt ins Ungewisse. Von diesem Risiko des Neubeginns handelt viel auf der Platte, freilich dramatisiert: "Der Kopf verstaubt, die Träume leer, irgendwas sagt dir, da geht noch mehr, " heißt es im Titelstück "Dein Vegas". Die Neon-Oase in Nevadas Nirgendwo fasziniert ihn, seit er in jungen Jahren dort war. Es ist sein Bild von "wenn nichts mehr geht, ist alles möglich": "In mir ist Wüste, und ich stelle da eine Glitzerstadt hin."

Robert Redweik

"Meine Musik ist meine große Liebe. Es ist Herz und Seele. Das ist für mich nackt sein." Robert Redweik, 34, schreibt unter anderen für die Kollegen Howard Carpendale und Beatrice Egli.

(Foto: Michael de Beur)

Beim Einreißen und Wiederaufbauen konnte Redweik aber auf eines vertrauen: Sein "Talent, mit viel Gefühl und Sensibilität gute Songs zu schreiben." So lobt Howard Carpendale. Seit einem Songwriter-Camp vor fünf Jahren schreiben die beiden zusammen. Das kommende Carpendale-Album "Wenn nicht wir" trägt sogar den Titel eines von mehreren Redweik-Songs darauf. "Eine Traumnummer", schwärmt Carpendale. Der alte Star aus dem Münchner Umland hat lang mit dem Schwabinger Aufsteiger zusammengesessen. Etwa ein "persönliches Adieu" an den langjährigen Weggefährten Udo Jürgens zu zweit zu finden, das gehe einfach nur, "wenn du dich gut verstehst und dich aufeinander einlässt".

Redweiks Liedermacher-Konzept ist: "Ich muss den Menschen, die Künstlerfigur verstehen und mögen." Das gilt umso mehr, wenn er für sich selber schreibt. "Das ist das Schwierigste für mich." Denn da geht es ums Ganze: "Meine Musik ist meine große Liebe. Es ist Herz und Seele. Das ist für mich nackt sein." Was dieser junge Mann "mit Hang zur Melancholie" da in einem dreivierteljährigen Kreativ-Exil in Hamburg aus dem Innersten zu Tage gefördert hat - mal das "Tempo raus" nehmen, "Böse Geister" und Abenteuerlust jenseits des "Goldfischglases"-, das macht den Unterschied aus zu Deutsch-Format-Pop à la Bendzko, Forster oder Bourani. Auch wenn das Red-Werk manchmal genauso marktgerecht klingt. Vor allem die Auf-uns-Hymne "Roulette" ("Ich feier dieses Leben") oder das Pop-Kompliment "Chapeau" ("Du bist ein schöner Grund zum Leben"). Denn Redweik beherrscht freilich das musikalische Handwerk. Er packt Piano-Trost, Techno-Wumms, Vocoder-Gaudi und Hip-Hop-Schmäh dahin, wo es heutzutage ankommt. Vielleicht sind daher gerade die Akustik-Versionen nur mit Cello, Gitarre und ihm auf der "Deluxe Version" des Albums am stärksten. Da wo Robert Redweik am schwächsten wirkt. Wenn er sich mantrahaft in Sätzen wie "Alles schweigt, jeder weiß, es ist genug" verliert, scheint er sich wirklich zu finden.

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