Porträt:Ein Sack voller Erinnerungen

Porträt: In ihren Choreografien wendet sich die israelische Tänzerin Zufit Simon gegen jede Eindeutigkeit.

In ihren Choreografien wendet sich die israelische Tänzerin Zufit Simon gegen jede Eindeutigkeit.

(Foto: Franz Kimmel)

Die Choreografin Zufit Simon vollendet im Schwere Reiter ihre Trilogie gewordene Emotionsstudie

Von Sabine Leucht

Das echte Lächeln von Zufit Simon gibt es nur ohne Eintrittsgeld. Es stiehlt sich ihr ganz privat auf die Lippen und ist besonders reizend, weil sie es nicht verschleudert. In den Arbeiten der Israelin regiert dagegen meist die emotionslose Maske. Es sei denn, die Produktion handelt von Gefühlen. Dann kann es sein, dass, wie in dem 2013 in Braunschweig entstandenen "never the less", ein zähnefletschendes Grinsen über die Mundwinkel angeknipst wird und man das Klickgeräusch förmlich hört. Dann werden die Körper der beiden Tänzerinnen von etwas geschüttelt, das beständig zwischen Beste-Teenager-Freundinnen-Lachanfall und Heulkrampf kippt.

Diese erste Arbeit über den Zusammenhang zwischen Emotion und Körper war laut Simon "Ein Sprung ins kalte Wasser". Denn bislang habe sie das Material für ihre Performances selten aus Improvisationen entwickelt. Und dann sind aus diesem "Sprung" gleich drei geworden: Vom Duett aus Gestik, Atem und Stimme führte ein loser Faden zum Münchner Solo "all about nothing". Von dort nahm sie das Zittern und Beben des Torso mit hinüber zum Trio "piece of something", das nur wenige Monate später in Berlin herauskam.

Im "Dreieck" Berlin - Niedersachsen - München ist Simon "immer mit einem großen Rucksack unterwegs" und empfindet das als fruchtbar. Noch immer staunt sie, die sich selbst als "trockenen Menschen" bezeichnet, dem "Theatralität" auf der Bühne ein Gräuel ist, dass aus ihrer Emotionsstudie am Ende eine Trilogie geworden ist. Und nun hat sie sogar noch einen draufgesetzt: Am Wochenende war in München "un-emotional" zu sehen: Ein Kondensat der bisherigen Teile und ein echtes Simon-Stück: Minimalistisch, repetitiv und mit sprödem Witz; eine Aufforderung an den Zuschauer, sich und seinen "Sack an Erinnerungen" aktiv mit einzubringen: Was bedeuten sie ihm, die so offensichtlich hergestellten Zuckungen, die beim Lachen und Weinen seltsam gleich sind? Oder das von Simon selbst ins Mikro hineinbehauptete "Dies ist sehr ernst!", während das mechanische Grinsen nicht aus ihrem Gesicht weicht? Auch als Tänzerin ist die Mittdreißigerin nie zart und reizend, auch wenn sie es zweifellos sein könnte.

Überwältigung lehnt sie ebenso ab wie jede Eindeutigkeit. "Ich will das Publikum nicht bedienen", sagt sie, "sondern seinen Verstand beschäftigen." In Israel hat Zufit Simon als Vierjährige mit dem Tanzen begonnen. In Frankfurt hat sie Tanz studiert: "Ich habe über 15 Jahre Ballett gelernt wie ein Instrument - es war aber nicht das, das ich spielen wollte." Sie hat für andere getanzt und tut es noch - in München vor allem bei Sabine Glenz und Micha Purucker - und 2005 mit "fleischlos" bei der euro-scene Leipzig den 3. Preis für das beste deutsche Tanzsolo gewonnen, bevor sie mit "Meine Mischpuche" beim Berliner Tanz im August 2008 reüssierte: Einem Stück, in dem sich drei Tänzer zwischen hunderten von Eiern bewegen wie in historisch und familiär vermintem Gelände. Simon zeigte ihre Arbeiten in Tansania, arbeitete in Russland, war regelmäßig bei der Tanzplattform Deutschland eingeladen und arbeitet auch im Theaterhaus Jena, wo sie eine eigene Tanzreihe kuratiert. Als eine der derzeit vielversprechendsten (Münchner) Choreografinnen bindet sie Musik - etwa von Robert Merdzo - als ein Raum und Struktur generierendes Element unter anderen in den Produktionsprozess mit ein oder stellt sie mittels Körperbewegungen her. Sie liebt aktive Requisiten wie die 14 Windmaschinen, die in ihrem Atemstück "Gone" die Szene durchlüfteten, und träumt derzeit gerade von Schaum als "einfach irres Material aus Luft und Seife". Ihm will sie sich in ihrer nächsten Arbeit aussetzen und sich "so stark darauf fokussieren, bis ich ihm alles entlockt habe." Denn so macht sie das eigentlich immer.

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