Emma Watson:Beinharte Begegnung

Actress Watson poses at the BAFTA Los Angeles Britannia Awards at the Beverly Hilton hotel in Beverly Hills

Emma Watsons Rolle in "Regression" passt zu ihren "Harry Potter"-Anfängen so gut wie Pasolinis Filmorgien zu Disneys Zuckerwattewelten.

(Foto: REUTERS)

Von "Harry Potter" hat Emma Watson sich eigentlich emanzipiert. Trotzdem bringt sie das Thema in Rage - manchmal endet das in kräftigen Tritten gegen das Schienbein des Gegenübers.

Von David Steinitz

Bestimmte Interviewfragen quittiert die britische Schauspielerin Emma Watson mit einem kräftigen Tritt gegen das Reporterschienbein - aber dazu kommen wir später. Zunächst einmal sitzt man in einem pervers plüschigen Sternehotel-Aufenthaltsraum in Madrid, in dem Journalisten aus aller Welt brav am Kaffee nippen und darauf warten, nacheinander in die Suite von Miss Watson geführt zu werden - vor der man aus zwei Gründen ein bisschen Angst haben muss.

Einmal wäre da ihr neuer Film, der finstere Horrorthriller "Regression", der seit dieser Woche im Kino läuft und in dem sie an der Seite von Ethan Hawke einem gefährlichen Satanskult auf der Spur ist. Watson spielt ein missbrauchtes und zwielichtiges junges Mädchen, das in einer amerikanischen Kleinstadt bei einem Pfarrer Zuflucht gefunden hat, weil sie zu viel über die monströsen Sektierer herausgefunden hat. Diese Rolle verhält sich vom erotischen und blutigen Schauwert her zu ihren "Harry Potter"-Anfängen ungefähr so, wie Pasolinis Filmorgien zu Disneys Zuckerwattewelten.

Grund zwei ein bisschen nervös vor dieser Begegnung zu sein, ist, dass Watson sich zwar schon vor ein paar Jahren bewusst vom ganz großen Blockbuster-Business, das sie zum Kinder- und Teeniestar gemacht hat, losgesagt hat. Stattdessen bevorzugt sie mittlerweile Auftritte in wilden Projekten von wahnsinnigen Autorenfilmern. Bei Sofia Coppola gab sie in "The Bling Ring" die reiche Beverly-Hills-Bitch und in Darren Aronofskys Bibelschlacht "Noah" geriet sie in den tödlichen Überlebenskampf auf der Arche.

Aber ein Gespräch mit Emma Watson ohne das Überthema Potter ist natürlich auch nicht ernsthaft möglich - auch wenn sie, heißt es vorab, beim P-Wort ziemlich reserviert werden kann. Wenn man dann schließlich mit anderthalb Stunden Verspätung von einem freundlich-gestressten PR-Mitarbeiter ins Audienzzimmer geführt wird, ist also Vorsicht angebracht.

Im Zimmer knallt die spanische Augustsonne durch die hohen Fenster, darunter sitzt an einem großen Tisch Emma Watson, 25 Jahre alt, knapp 31 Millionen Facebook-Fans. Wer so eine Außenwirkung hat, der behält vorsichtshalber einen höflichen jungen Manager mit im Raum, der während des Interviews diskret in einer Couchecke wacht und sein Blackberry malträtiert. Watson wiederum, elegant leger im schwarzen Top und beigen Rock, schüttelt brav die Hand und hat, was für Filmstars an langen Interviewtagen nicht selbstverständlich ist: gute Laune. Deshalb bietet sie mit einem schelmischen Lächeln und den schönsten Knacklauten, die so ein britischer Cockney-Akzent hergibt, einen Deal an: "Wir sprechen erst in Ruhe über die neuen Sachen, und dann von mir aus noch ein bisschen über Harry Potter, in Ordnung?"

Absolutes Blockbuster-Verbot? Oh no!

In Ruhe ist zwar ein bisschen schwierig, weil das allmächtige Watson-Management für dieses Gespräch genau zwanzig Minuten veranschlagt hat, woraus der PR-Mann mit dem Blackberry großzügige einundzwanzigeinhalb Minuten macht, was unter Film-PR-Menschen als Gottesgeschenk gilt. Aber: Sobald man die ersten Fragen gestellt hat, vermischen sich in Watsons Antworten ohnehin die frühe Karriere, als sie sich gegen 4000 andere Kandidatinnen für die Rolle der Hermine in "Harry Potter" durchsetzte, und ihre jetzigen Arbeiten. "An den kleineren oder mittleren Filmsets, an denen ich die letzten Jahre verbracht habe, hat man das Gefühl, selbst zumindest ein bisschen Kontrolle über das Projekt zu haben, wie eben jetzt bei ,Regression'. Das ist bei Blockbustern ganz anders, da kriegen viele Menschen graue Haare, wegen der irren Verantwortung. Wenn ich an unsere ,Harry Potter'-Regisseure zurückdenke - die sahen nach ein paar Monaten Dreharbeiten alle um mindestens zehn Jahre gealtert aus."

"Wenn ich an unsere Regisseure bei ,Harry Potter' zurückdenke - die sahen nach ein paar Monaten Dreharbeiten alle um mindestens zehn Jahre gealtert aus."

Und die recht aggressiven Anti-Hermine-Rollen, war das ein Masterplan wie bei Potter-Kollege Daniel Radcliffe, der von Herzen alles gerne spielt, was nichts mit einem Zauberstab zu tun hat? Watson sagt: "Das Problem war gar nicht so sehr, Rollen zu bekommen, die nichts mit Hermine zu tun haben, sondern Rollen, in denen ich eine junge Erwachsene spielen darf, und kein Kind. Dass auch ich älter geworden bin, wollte mir erst mal kein Regisseur abnehmen. Genauso wie mir auch erst mal niemand zutraute, keine Upperclass-Britin zu spielen, aber auch das hat sich gebessert. Das einzige Problem, das ich als Engländerin jetzt auch wieder in ,Regression' hatte, wo ich ein amerikanisches Vorstadtmädchen spiele: Sobald eine Szene sehr emotional wird und ich mich zu sehr reinsteigere, falle ich in meinen britischen Akzent zurück."

Nun hat Emma Watson nicht nur im Filmgeschäft, sondern auch an zwei anderen Fronten an ihrem gewünschten Status als erwachsene Kosmopolitin gearbeitet: Im letzten Jahr hat sie neben diversen Dreharbeiten ihr Literaturstudium an den Eliteuniversitäten Brown in den USA und Oxford in England mit Bestnoten abgeschlossen - "was nur mit sehr wenig Schlaf möglich war". Und sie ist Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen geworden, will mit der Kampagne "HeForShe", also er für sie, Männer für Gleichberechtigung und Feminismus begeistern. Was natürlich ganz gut geht, wenn man mit jenen knapp 31 Millionen Facebook-Fans direkt kommunizieren kann. "Solche Zahlen begreife ich gar nicht richtig, das ist genauso surreal wie das erste Mal, als ich nach einem Autogramm gefragt wurde. Das muss schon für einen Erwachsenen seltsam sein, aber ich war ja noch ein Kind. Ich habe mich gefragt: Was will denn diese Person mit meiner Unterschrift, das bringt doch nichts! Aber solange man durch die große Öffentlichkeit auch etwas bewirken kann, spiele ich das Spiel gerne mit."

Fragt man dann aber zum Schluss, während der Manager im Hintergrund langsam zappelig wird, ob so eine Karriere als öffentliche Person, die begann, als sie erst zehn Jahre alt war, nicht doch auch große Schatten wirft, wird Emma Watson emotional. Das Problem der Potter-Jahre, sagt sie, und redet sich dabei so in Rage, dass ihre kleinen Ballerinas zweimal kräftig gegen das Schienbein ihres Gegenübers treten, sei die fixe Idee der Außenwelt, dass sie schon immer ein fertiger Mensch gewesen sei. "Reporter und Fans nageln mich oft auf Dinge fest, die ich mit elf oder zwölf gesagt habe, als sei das für immer in Stein gemeißelt. Sorry, aber auch Ihre Leser wollen wahrscheinlich nicht ständig mit den Aussagen Ihres pubertierenden Ichs konfrontiert werden, oder?"

Also absolutes Blockbuster-Verbot für die Zukunft, um den Ruhm nicht noch weiter zu steigern? "Oh no! Nach den düsteren letzten Sachen wollte ich unbedingt auch wieder etwas Heiteres machen und habe gerade für Disney eine Realverfilmung von ,Die Schöne und das Biest' abgedreht. Und ich bin nicht das Biest. Als Nächstes kommt dann die Verfilmung des Romans ,The Circle'. Auch ein sehr großer Film, könnte aber lustig werden, Tom Hanks ist dabei." Lacht, klopft entschuldigend aufs Reporterbein und sagt fröhlich goodbye.

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