Porträt:Anne Will, sportliche und humorvolle Christiansen-Nachfolgerin

Monatelang suchte die ARD nach einem neuen Gesicht für den Sonntagabend. Der zunächst favorisierte Günther Jauch sagte ab. Nun übernimmt die Moderatorin der "Tagesthemen".

Christopher Keil

Es gab mal eine Talkshow, die hieß Parlazzo, wurde im WDR ausgestrahlt, und 1996 waren dort einmal auch die Mainzelmännchen des ZDF zu Gast. Die ARD wird inzwischen froh sein, dass sie die Karriere der Moderatorin irgendwie doch in ihren verschlungenen föderalen Strukturen fördern konnte, dass Anne Will, die bis 1998 Gastgeberin von Parlazzo war, nicht mit den Männchen nach Mainz wanderte.

Will dpa

Anne Will übernimmt die ARD-Talkshow am Sonntagabend

(Foto: Foto: dpa)

Nun, beinahe zehn Jahre später, wird Anne Will, die im März 41 Jahre alt wird, die Nachfolge von Sabine Christiansen antreten und von September an die politische Talkshow im Ersten am Sonntagabend moderieren. Darauf hat sich die ARD-Programmkonferenz am Montag geeinigt.

An der Frage, wer Christiansen ersetzen soll, zerbrach die öffentlich-rechtliche Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten zwischenzeitlich beinahe. Intendanten bekämpften sich gegenseitig in Fraktionen, weil Günther Jauch, der Kandidat der einen, bei den anderen nicht ganz so begeistert aufgenommen wurde. Ohne Jauch gehe es auch, argumentierten sie trotzig, schließlich sei die ARD gut bestückt mit Profis der gehobenen Fernsehunterhaltung.

Das ist natürlich nicht richtig, und während die gebührenfinanzierten Manager ihr Spiel trieben, ließ sich Anne Will, sofern sie im Dienst war, von ihrem Fahrer in die Hamburger Redaktion von ARD Aktuell chauffieren, bereitete die Themen des Tages vor, und absolvierte ihre Tagesthemen-Auftritte völlig unbeeindruckt mit ihrem unverwechselbaren, oft spöttischen Zug um die Augenbraue.

Bevor sie im Jahr 2000 erstmals die Sportschau am Samstag präsentierte, als erste Frau überhaupt, fuhr Anne Will zu Interviews in Berlin, wo sie wohnte, mit dem Roller. Man erfuhr, dass sie geprägt wurde durch die sportbegeisterte Familie, dass sie früh das Ziel hatte, Journalistin zu werden und beim Sender Freies Berlin entdeckt wurde.

Die Leidenschaft für den Sport - sie berichtete 2000 von den Olympischen Spielen aus Sydney - hat sie sich bewahrt. Sie nimmt es sportlich und, wie sich herausstellte, mit Humor. Sie steckte den Neid der männlichen Belegschaft aus dem ARD-Sport über ihre Sportschau-Berufung weg, und man konnte damals offen mit ihr darüber reden, dass der Wunsch des ARD-Programmdirektors Günter Struve, den Sport im Ersten für Frauen zu öffnen, eine Hilfeleistung gewesen sei.

Frank Plasberg, der jetzt mit ihr um die Sonntagabend-Talkshow konkurrierte, habe einst gesagt, man brauche eine gewisse Eitelkeit, um im TV aufzutreten. Dem widersprach Anne Will, zwar nicht direkt, aber doch grundsätzlich: "Es gibt Moderatoren, die vor allem mit sich beschäftigt sind, und solche, die vor allem mit der Sache beschäftigt sind.''

Im April 2001 ersetzte sie Gabi Bauer bei den Tagesthemen, im Herbst wird sie jetzt also Christiansen ablösen, die ebenfalls die Station Tagesthemen durchlief. Die ARD hat gewissermaßen auf eine Tradition gesetzt, ganz sicher aber auch auf eine Gastgeberin, die mit ihrem Handwerk klappern darf, die versteht, worüber sie spricht, die die Welt an der richtigen Stelle nicht ernst nimmt und mühelos hinter dem Wichtigen zurückstehen kann.

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