Popmusik:Tanzen verboten

Ein Gespräch mit Ali Pahlavan, Leadsänger der iranischen Popband Arian, über politische Restriktionen in seiner Heimat und Pop als Kriegstherapie.

Interview von Mounia Meiborg

Im Westen zählt Iran zu den Schurkenstaaten dieser Welt. Tatsächlich gefielen sich immer wieder einige seiner Herrscher seit der Islamischen Revolution Ende der Siebzigerjahre in wüsten Drohungen gegenüber dem Westen, insbesondere gegenüber Israel. Andererseits bringt das Land so viel bürgerliche Kultur hervor wie kaum ein anderes im Nahen Osten. Iranische Filme gewinnen Preise auf westlichen Filmfestivals, unter iranischen Philosophie-Professoren gibt es Kant-Forscher - und natürlich gibt es in diesem Land auch Popmusik. Die Band Arian, gegründet 2000, hat bislang rund fünf Millionen Platten verkauft. Zu ihren Konzerten kamen bis zu 50 000 Menschen. Mit dem Lied "Parvaz" (Flug) gelang der Gruppe noch im Jahr der Gründung der Durchbruch: treibende Percussions, vier Gitarren, zwei Männer- und zwei Frauenstimmen sowie eine Geige, die mit Vierteltönen für eine gewisse orientalische Grundierung des Sounds sorgt. Nach dem Erscheinen ihres neuen Albums "Khoda Hafez" (Auf Wiedersehen) hat sich die Band nun jedoch aufgelöst. Zum Abschied ein Gespräch mit dem Leadsänger Ali Pahlavan.

SZ: Herr Pahlavan, im August 2013 kam der als gemäßigt geltende Präsident Hassan Rohani an die Macht. Es dürfte derzeit also etwas leichter sein, als Künstler in Iran zu leben. Warum löst sich Ihre Band trotzdem gerade jetzt auf?

Ali Pahlavan: Wir sind müde. Das Kulturministerium hat uns - nachdem wir zwei Jahre gewartet haben - zwar die Erlaubnis erteilt, unser Album zu veröffentlichen. Aber Konzerte hätten wir höchstens in Teheran und auf der Insel Kish spielen dürfen. Meist waren es nur drei, vier Konzerte im Jahr, höchstens sechs.

Warum hat es Popmusik in Iran so schwer?

Die religiösen Hardliner glauben, dass es eine Sünde ist, Musik zu hören. Das ist eine Minderheit - aber sie hat Macht. Das iranische Fernsehen zeigt zum Beispiel nie Musikinstrumente. Sie spielen Musik, laden sogar Sänger ein. Aber Musikinstrumente zeigen sie nicht. Ein anderer Grund sind die Reaktionen des Publikums. Die Zuschauer reagieren bei einem Konzert natürlich heftiger auf ein mitreißendes Lied als im Kino auf einen Film oder zu Hause auf ein Buch. Tanzen dürfen sie ja nicht, aber sie schreien und klatschen. Und dann gibt es noch die Leute, die Popmusik für eine kulturelle Attacke aus dem Westen halten. Es gibt also viele Hürden. Aber die Musiker tun ihr Bestes, um sie zu überwinden.

Eine echte Liberalisierung gibt es also auch unter Rohani nicht?

Nicht wirklich. Das Kulturministerium, das die Genehmigungen für CD-Veröffentlichungen und Konzerte erteilt, versucht zwar tatsächlich gerade, manches zu erleichtern. Aber immer, wenn das geschieht, versuchen die Hardliner, diese Entwicklung zu stoppen. Sie üben Druck auf das Kulturministerium aus. Und wenn das nichts nutzt, verlangen sie direkt von den Veranstaltern, dass sie Konzerte absagen. Oder sie beschuldigen Musiker oder Publikum, etwas Illegales zu tun. Erst kürzlich fielen wieder Konzerte aus, obwohl sie eigentlich genehmigt worden waren.

Popmusik: Arian war die erste iranische Popband, die aus Männern und Frauen bestand. Das iranische Kulturministerium reagierte darauf mit Konzertverboten.

Arian war die erste iranische Popband, die aus Männern und Frauen bestand. Das iranische Kulturministerium reagierte darauf mit Konzertverboten.

(Foto: Farzaneh Khademian/AFP)

Arian bestand ja - als erste iranische Popband - aus Männern und Frauen. Machte es das besonders schwierig?

Ja, das war wohl einer der Hauptgründe für die Schikanen. Für uns war es aber ganz wichtig, eine gemischte Band zu sein, weil wir zeigen wollten, was möglich ist. Es gibt kein iranisches Gesetz, das es Frauen verbietet, Musik zu machen und aufzutreten. Sogar die iranische Nationalhymne wurde lustigerweise von Frauen und Männern gemeinsam eingesungen.

Im iranischen Fernsehen sind Sie trotz Ihres Erfolgs nie auftreten.

Nein, wir waren nie im iranischen Fernsehen zu sehen. Und auch in den meisten Städten durften wir nicht spielen.

In den Songs von Arian geht es um klassische Pop-Themen wie Liebe und Beziehungen. Die Lieder heißen "Bleib bei mir", "Ich vermisse dich" oder "Schau mir in die Augen". Musik, die die Zensur auf den Plan ruft, stellt man sich im Westen ganz anders vor.

Ja, aber man muss wissen, dass Popmusik nach der Revolution zwanzig Jahre lang komplett verboten war. Wir waren acht Jahre im Krieg mit dem Irak gewesen. Im Radio und im Fernsehen gab es nur Kriegshymnen und traurige Lieder über Märtyrer. Ich erinnere mich an ein Lied, das im Kinderprogramm des Fernsehens lief. Da singen Kinder davon, dass ihre Väter auf dem Weg in den Himmel sind. Wir wollten all das ändern. Wir wollten über Liebe und Hoffnung singen.

Arian wurde im Jahr 2000 gegründet. Damals beschloss Präsident Mohammad Chātami, Popmusik bis zu einem gewissen Grad zu erlauben. Stimmt es, dass er das tat, um eine Alternative zur Popmusik von amerikanischen Exil-Iranern zu bieten, die aus Los Angeles kam und heimlich nach Iran geschmuggelt wurde?

Das stimmt. Aber Chātamis Musikpolitik löste damals im Parlament heftigen Streit aus. Konzerte wurden angegriffen, konservative Medien attackierten das Kulturministerium, weshalb wir trotz der neuen Politik bei unseren Auftritten viele Probleme hatten. Als dann 2005 allerdings Mahmud Ahmadinedschad gewählt wurde, wurde erst einmal für eineinhalb Jahre alles verboten, bis man sich auf eine neue Musikpolitik geeinigt hatte. Dann ging es wieder besser.

Portrait of Ali Pahlavan

Ali Pahlavan, Leadsänger und Gitarrist der erfolgreichsten iranischen Popband. Er lebt in Sydney, wo er arbeitet und seine Solokarriere plant.

(Foto: Viola Nardi/CC BY 4.0)

Ahmadinedschad war aber doch eigentlich ein Hardliner?

Ja, erstaunlich. Richtig schwierig wurde es eigentlich erst nach seiner Wiederwahl 2009 und den Protesten. Wir bekamen plötzlich keine Genehmigung mehr für unser neues Album. Erst nachdem Hassan Rohani gewählt worden war, durften wir das neue Album veröffentlichen. Das war eine harte Zeit. Wenn du längere Zeit nichts herausgebracht hast und keine Konzerte spielst, hören die Leute eben irgendwann andere Musik. Es war damals eine gute Zeit für Underground-Sound. Viele Bands nahmen ihre Alben zu Hause auf und veröffentlichten sie im Internet.

Warum haben Sie das nicht auch gemacht?

Weil wir Konzerte spielen wollten. Das ist Underground-Bands verboten. Und ihre Alben dürfen sie auch nicht verkaufen, auch nicht im Netz.

Geholfen hat es Ihnen dann aber doch nicht, sich vom Underground fernzuhalten.

Nein, wir konnten auch zu keinem Zeitpunkt von unserer Musik leben, weil wir nur so wenige Konzerte spielen durften. Wir hatten alle andere Jobs. Vor zwei Jahren, als unser Album fertig produziert war, bin ich deshalb nach Australien gegangen und habe mir dort in einer Softwarefirma einen Job gesucht.

Wenn man das neue Album hört, fällt auf, dass es elektronischer klingt als die alten. Es gibt Synthesizer und sogar House-Beats. Man hätte denken können, das liege daran, dass Sie inzwischen im Westen leben und von der dortigen Musik beeinflusst wurden. Aber wenn das Album schon vor Ihrer Abreise fertig war, kann das ja nicht stimmen.

Nein, wir haben damals schlicht über ein soziales Netzwerk eine Umfrage unter unseren Fans gemacht. Dabei kam heraus, dass viele sich modernere Rhythmen von uns wünschten. Ich war dagegen. Aber unser alter Komponist war schon in die USA emigriert. Wir brauchten also neue Songwriter, und die kamen aus der elektronischen Musik.

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