Popkomm-Chefin Katja Bittner:Ohne Getöse

Die 29-jährige Katja Bittner hat geschafft, was ihr niemand zugetraut hätte: Sie hat die Musikmesse gerettet. Und zwar mit Arbeit statt Party.

Dirk Peitz

Katja Bittner ist verschnupft. Nein, sie ist richtig erkältet, eigentlich gehörte sie ins Bett. Es ist Donnerstagmittag, anderthalb Tage, also die Hälfte der Popkomm, hat ihre Direktorin schon tapfer durchgestanden. Diese drei Tage im September sind die wichtigsten im Jahr für die Frontfrau der Berliner Musikmesse.

Die 362 Tage Vorbereitung finden außerhalb der Öffentlichkeit statt, aber wenn die Messe mal eröffnet ist und die unüberschaubar vielen, häufig nur behaupteten Trends in der Popmusik präsentiert werden sollen, dann muss jemand sein Gesicht dafür hinhalten in der Öffentlichkeit. Jemand, der diese unüberschaubaren vielen Trends erklären, verkaufen, mit seiner Person glaubhaft darstellen kann.

Katja Bittner ist das Gesicht der Popkomm, und dass sie jung ist und hübsch, ist also ganz bestimmt kein Nachteil. Sagt sie selbst. Dann bringt ihr eine der jungen Frauen, die auf der Popkomm die Presse und nebenher auch ihre kranke Chefin betreuen, Tee in die so genannte Interview-Lounge im Messepalais

"Eigentlich müsste ich mich jetzt mit Chemie vollballern", sagt Bittner und legt eine Hand auf ihren Bauch, "aber wenn man schwanger ist, darf man das ja nicht." Katja Bittners Job verlangt eine gesunde Härte. Manchmal auch eine ungesunde.

Dass sie ihren Job so lange behalten würde, darauf hätte vor vier Jahren kaum jemand gewettet. So wenig wie darauf, dass der Popkomm nach ihrem Umzug von Köln nach Berlin nochmal ein echter Neustart glücken könnte.

Nur nach außen hin fanden da die junge, coole Musikmesse und die junge, coole Hauptstadt endlich zueinander, die wirkliche Situation war eine völlig andere: Die Popkomm, die sich früher mal stolz die größte Musikmesse der Welt genannt hatte, war de facto pleite und finanziell abhängig von einer maroden Plattenindustrie, die seit Ende der 90er Jahre schwindelerregende Umsatzeinbrüche erlebt hatte.

Die Berliner Messegesellschaft machte keinen Hehl daraus, dass sie einen Sanierungsfall übernommen hatte: Wenn die erste Berliner Popkomm 2004 kein Erfolg würde, hieß es damals, würde es 2005 keine Popkomm mehr geben. Als Direktorin engagierte man eine 25-Jährige, die gerade erst ihr BWL-Studium hinter sich hatte und von der Musikbranche nicht die geringste Ahnung.

Eine blutige Anfängerin als Nachfolgerin des einst allmächtigen Dieter Gorny, der nicht bloß die Popkomm miterfunden, sondern auch Viva aus dem Boden gestampft hatte und so irgendwie auch das deutsche Popwunder der neunziger Jahre? Das klang wie ein schlechter Scherz.

Am Mittwochmittag, kurz bevor Wirtschaftsminister Glos, Kulturstaatsminister Neumann, der Regierende Bürgermeister Wowereit und der Berliner Messechef Hosch auf die Bühne des Messepalais steigen, um die 2007er Popkomm offiziell zu eröffnen, steht Dieter Gorny mitten im Zuschauerraum

Für einen Moment sieht es so aus, als halte er wie früher Hof. Die Eröffnungsfeierlichkeiten in Köln waren immer Gornys große Stunde, seine Reden waren berühmt - und meist voll von bunten, optimistischen Zukunftsvisionen.

Katja Bittner, seine Nachfolgerin, steht am Mittwochmittag etwas abseits alleine an einem Stehtisch und spricht in ihr Handy. Sie wird nicht auf die Bühne gehen. Es ist aber nicht so, dass Katja Bittner sich vor öffentlichen Auftritten scheuen würde. Sie drängt sich bloß nicht vor, auch nicht beim anschließenden Messerundgang mit Glos, Neumann und Wowereit.

Katja Bittner bleibt im Hintergrund. In Augenblicken wie diesen scheint es ihr zu reichen, nur für das junge, hübsche Gesicht der Popkomm gehalten zu werden. Große Worte sollen andere sprechen, Katja Bittner ist für die Taten zuständig.

Es ist bestimmt kein Zufall, dass eines ihrer Lieblingswörter "Networking" ist. Kontaktpflege und Überzeugungsarbeit, das scheint Bittners Erfolgsstrategie zu sein, die sie zugleich inhaltlich auf die Popkomm übertragen hat. Sie sagt: Networking, das sei es doch, weshalb Leute auf eine Fachmesse kämen.

Sie sagt nicht: Der ganze Zinnober der Popkomm früher, die Stars, die coolen Konzerte, die riesigen Stände der Plattenfirmen und Sender, wo tagsüber schon ordentlich Alkohol floss und man sich so auf die heißen Kölner Nächte einstimmte - dieser ganze Zinnober gehörte als Erstes abgeschafft.

Arbeiten statt Party machen

Katja Bittner hat die Popkomm in die tristere Gegenwart geholt, auf dem zugehörigen Kongress werden keine Visionen mehr hinausposaunt, es wird inhaltlich diskutiert; die Stars sind verschwunden und mit ihnen auch die coolen Konzerte, das Popkomm-Festival soll jetzt als Talentschau verstanden werden; die Stände sind viel kleiner, der Alkohol fast verschwunden.

Die Popkomm ist heute eine ganz normale Fachmesse für Leute, die vielleicht nicht ganz normal ausschauen, aber ganz normale Produkte kaufen und verkaufen wollen. Bittner hat die Messe aus der Abhängigkeit von Plattenfirmen befreit, sie hält sich stattdessen an Aussteller, die noch Geld verdienen oder welches zu verteilen haben, die Konzertveranstalter etwa und die staatlichen nationalen Musikexportbüros aus halb Europa.

In den vier Berliner Jahren wuchs die Ausstellerzahl kontinuierlich, die Messe wurde internationaler, sie scheint wirtschaftlich gesichert. Im Gegensatz zu den Plattenfirmen, die sie früher mal am Leben hielten. Natürlich hat der Standort Berlin geholfen, der weltweite Ruf der Partystadt. Aber von Party ist in den Popkomm-Nächten heute nur am Rande etwas zu spüren. Katja Bittner scheint das nicht unrecht zu sein. Die Leute kommen schließlich zum Arbeiten auf die Messe.

Als das Interview am Donnerstagmittag fast vorbei ist, bringt eine der Pressefrauen Apfelsaft und eine Tasse voll mit etwas, das vermutlich mal ein Eintopf werden sollte. So sieht Katja Bittners Mittagspause aus, der nächste Interviewer wartet schon.

Im Februar wird sie 30, im März soll das Baby kommen, dann will sie erstmal ein halbes Jahr aussetzen, aber pünktlich zur Popkomm 2008 wieder da sein. Heute zweifelt fast niemand mehr, dass sie ihren Job noch lange behalten wird. Heute ist die Frage eher, welchen noch größeren sie danach annimmt.

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