Popkolumne:Im Bad mit Obama

Lesezeit: 3 min

Die Lieblingssongs des amerikanischen Expräsidenten - und ein sehr alter Musiknerd-Angebertrick.

Von Juliane Liebert

Nein, halt, noch mal zurück. Bevor wir uns kommenden Groß- und Untaten des neuen Jahres widmen, müssen noch die Überreste von 2017 eingetütet werden. In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr passiert im Pop wie überall für gewöhnlich unglaublich viel, soll heißen, nichts. Allerdings hat am 31. Dezember der ehemalige Präsident der USA, Barack Obama, eine Liste seiner Lieblingsbücher und Lieblingssongs des letzten Jahres veröffentlicht. Die enthält die üblichen Verdächtigen. The National, Frank Ocean, Kendrick Lamar. Und Bücher halt. Amerika scheint sehr glücklich über diese Liste zu sein. Einige erinnern sich verwundert daran, dass sie mal einen Präsidenten hatten, der lesen und vollständige Sätze bilden konnte. Andere stellen sich vor, wie Obama in der Badewanne sitzt und SZAs "Broken Clocks" mitsingt, besonders die Lyrics "Run fast from my day job / Runnin' fast from the way it was / Jump quick to a pay check / Runnin' back to the strip club / I'm never going back, never going back / No you can't make me". Also keine Sehnsucht nach seinem alten Job.

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Als Bonussong nennt Obama: Born in the U.S.A. von Bruce Springsteen, und kommentiert: "Noch nicht erschienen, aber die Bluesversion in seiner Broadwayshow ist die Beste!", womit er den alten Musiknerd-Angebertrick 72b bedient: Auf jede Best-Of-Liste muss eine unbekannte Version eines bekannten Songs, die der Normalhörer noch nicht kennt, der Verfasser aber sehr wohl! Denn der Verfasser kennt sich aus. Danke, Mr. President.

Wir bleiben in Amerika, genauer: Barbados. Einen Tag, nachdem er mit Popsängerin Rihanna Weihnachten gefeiert hatte, wurde Rihannas Cousin auf offener Straße erschossen. Laut eines lokalen Nachrichtensenders heißt der Verstorbene Tavon Kaiseen Alleyne und war 21 Jahre alt. Rihanna hat eine Reihe von Aufnahmen mit ihm auf Instagram gepostet (2,9 Millionen Likes), außerdem ein Video, in dem er während eines Spaziergangs mit seiner Familie ihre Musik hört. Hashtag: #endgunviolence. So absurd Trauer schon immer war, noch absurder sieht sie im Internet aus: Vor und nach dem Bild des Toten stehen auf ihrem Account Fotos, mit denen sie ihre Makeup-Serie bewirbt, Rihanna mit braunem, grünen, violetten Lippenstift (pro Bild je 2 Millionen Likes), noch übertroffen von ihr im kurzen schwarzen Kleid und weißen High Heels (3,3 Millionen Likes). Unter den Bildern des Toten erklären hunderte Fans ihr Beileid, bewerben User ihre Blogs, Bots Filmstreamingseiten, daneben ein Bild von einer Toilette in Yves Saint Laurent-Umhüllung. Wie nah Banalität und ernst gemeinte Anteilnahme, Geschäftemacherei und Familienliebe beieinanderstehen können, wenn die Produkte der Kulturindustrie eben doch am Ende Menschen sind.

Kendrick Lamar im Musikvideo zu "Humble". (Foto: PR)

Auf Soundcloud hat der Produzent Mike WiLL Made-It seine Instrumentals des Jahres 2017 veröffentlicht, darunter Arbeiten für Kendrick Lamar, Rae Sremmurd, Gucci Mane. Interessant daran ist vor allem der Einblick in die Anatomie des Musikgeschäfts, des derzeit oft trapgetriebenen Popsounds. Es ist erstaunlich, wie viele einflussreiche Künstler Made-It innerhalb eines Jahres produziert hat — beispielsweise ist das Instrumental von "Humble" von ihm, das auch in Obamas Liste auftaucht. Die Liste zeigt, welchen Einfluss Producer haben; aber natürlich auch, wie sie zugleich Durchlauferhitzer für den Klang ihrer Zeit sind. Zudem kann man an den Instrumentals schön bestimmte Sounddetails studieren und ihrer Herkunft nachspüren.

Ethan Kath und Edith Frances. (Foto: Ari D/caroline international/dpa)

Das Elektropop-Duo Crystal Castles hatte sie schon 2014 verlassen; im November schrieb Sängerin Alice Glass einen Text, in dem sie die Gründe dafür nannte: Ihr Bandpartner Ethan Kath habe sie seit ihrem 15. Lebensjahr manipuliert, missbraucht und misshandelt. "Er wurde körperlich ausfallend. Er hielt mich über eine Treppe und drohte, mich runterzuwerfen. Er hob mich über seine Schultern und warf mich auf Beton. Er machte Fotos von meinen Prellungen und postete sie online." Und: "Er sagte mir, mein Feminismus habe mich zu einem Ziel für Vergewaltiger gemacht, und nur er könne mich beschützen." Kath hat eine Klage wegen Verleumdung eingereicht. Die Geschichte sei "reine Fiktion". Eine Kopie der Anklage wurde Glass laut eigener Aussage von einem "falschen Fan" nach einem Konzert übergeben. Inzwischen hätten sich zwei weitere Frauen gemeldet, die ähnliche Erfahrungen mit Kath gemacht haben. Jetzt will sie vor Gericht aussagen.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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