Popkolumne:Alte Männer auf Wolken

Die Cover ähneln sich, doch mal ist es die neue Platte von LCD Soundsystem, mal ein Buch der Techno-Veteranen The KLF.

Von Jan Kedves

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Diese Woche steht Pop im Zeichen alternder Männer und ihrer Comebacks mit Wolken auf dem Cover. Das ist ja bei Weitem nicht selbstverständlich, dass man im Pop über 45 noch etwas hinbekommt, das nicht so krampfhaft neu wirken will, dass es schon allein deswegen nervt. Da wäre also "American Dream" (Columbia), das neue Album von LCD Soundsystem aus New York, die sich ja eigentlich 2011 aufgelöst hatten. Beziehungsweise hatte James Murphy, der Kopf der Band, sie aufgelöst, weil es ihm unheimlich wurde, der Held aller Hipster zu sein. Außerdem hatte er ja genügend andere Sachen zu tun, Arcade Fire produzieren zum Beispiel, oder mit David Bowie kurz vor dessen Tod an dessen Album "Blackstar" arbeiten. Bowie soll es gewesen sein, der Murphy einredete, er müsse LCD Soundsystem unbedingt reaktivieren. Voilà, das neue Album ist viel besser, als die beiden im Mai veröffentlichten Songs "Call The Police" und "American Dream" fürchten ließen. Es macht sogar wieder richtig Spaß dabei zuzuhören, wie Murphy im Gedenken an Kraftwerk, Krautrock und manchmal auch Giorgio Moroder sehr zackig gespieltes Vierviertel-Rock-Schlagzeug mit blubbernden Vintage-Synthesizern zusammenbringt und darüber dann seinen kieksigen ironischen Singsang legt. Der beste Song, "Tonite", ist eine Art Fortschreibung von "Losing My Edge", dem LCD-Soundsystem-Hit von 2002. Niemand hatte bis dato schöner die ewige Angst des alternden Hipsters besungen, das coole Wissen nicht mehr allein gepachtet zu haben. Jetzt, mit 47, hat Murphy resigniert: "Auch du wirst mal älter, das kann ich dir versprechen!", beschimpft er in "Tonite" die Jüngeren. Dass die Kids heute limitierte Turnschuhe tragen, versteht er auch nicht. "Wer ist der grantelnde Opa in der Disco?", werden die Kids fragen. Und dann doch zu seiner Musik tanzen.

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Womit wir beim zweiten Comeback wären mit apokalyptisch dräuenden Wolken auf dem Cover: Jimmy Cauty (60) und Bill Drummond (64) haben ein Buch veröffentlicht, also: einen Roman. Das muss nicht überraschen, denn auch wenn die beiden als The KLF mit epochal poppigem Stadion-Techno ("Justified And Ancient", 1991) bekannt geworden sind, haben sie immer auch anderes gemacht: Guerilla-Kunst im öffentlichen Raum verklebt, brillante Pop-Ratgeber geschrieben ("How To Have A Number One The Easy Way", 1988), eine Million Pfund in Banknoten verbrannt (und darauf noch Steuern gezahlt). Und sie haben es tatsächlich geschafft, das 23-jährige Moratorium durchzuhalten, das sie sich selbst auferlegt hatten, nachdem sie 1994 ihre KLF-Tantiemen auf der schottischen Insel Jura buchstäblich verheizt hatten. Das Ende des Moratoriums wurde vergangene Woche in Liverpool mit einem dreitägigen hochgeheimen Kunst-Happening gefeiert, nur eine Journalistin vom Guardian war zugelassen. Sie berichtet, dass sie zum Beispiel als "Freiwillige" zu Starbucks gehen und dort einen gefälschten Starbucks-Becher ins Fenster stellen musste (mit Yoko Ono im Logo, statt der Nixe, und dem Slogan "War Is Over"). Es soll auch eine neue Band gegründet worden sein, Badger Kull, aber ob die jemals Musik veröffentlichen wird? Das Buch, "2023: A Trilogy" (Faber & Faber), gibt es aber. Es ist eine Endzeitgeschichte, die Cauty und Drummond einem anderen Buch entnommen haben wollen, dessen angeblich einziges Exemplar sie auf den Äußeren Hebriden gefunden haben wollen: "Back In The USSR", die Autobiografie einer Frau, die während des Falkland-Kriegs 1982 Krankenschwester war und in der Ukraine landete. Bestimmt nichts für den Strand. Aber garantiert lustig.

Der Pop-Weltrekord der Woche: Die neue Single von Taylor Swift wurde auf Youtube in den ersten 24 Stunden nach seiner Veröffentlichung 19 Millionen Mal abgerufen.

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Und noch etwas ganz Neues: Jakob Kasimir Hellrigl alias Candy Ken aus Österreich. Er ist 24, rappt in stark vorarlbergerisch gefärbtem Englisch und sieht aus wie das Baby von Arnold Schwarzenegger und Hello Kitty: viele Muskeln und viel Pink. Terry Richardson hat Candy Ken schon fotografiert, in Japan ist er ein Star. Die Wolken auf seiner neuen "Candy Trap EP" (Spinnup) kommen wohl vom Kiffen, wobei Candy Ken gar nicht benebelt klingt, sondern dank der Auto-Tune-Software lustig plastikmäßig singt. Es geht um Hedonismus ("Fuckboy"), Flüchtlingshilfe ("We All Refugees") und - in "White Man Privilege" - um die Ungerechtigkeit, dass man als weißer heterosexueller Mann im pinkfarbenen G-String immer noch höher angesehen ist als eine Frau in pinkfarbenem G-String. Nicht missverstehen: Candy Ken meint das als Kritik am Patriarchat.

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