Dass die Popmusik einen guten Teil ihres Erfolgs der Nostalgie verdankt, ist nicht neu. In diesen Wochen allerdings sind die alten Bekannten wieder einmal sehr, sehr gut im Geschäft. In der aktuelle CD-Bestsellerliste triumphieren die siebziger und achtziger Jahre. Herbert Grönemeyer ("Was muss muss") steht auf Platz 2, Kollege Westernhagen ("Wunschkonzert") rangiert auf Platz 4, AC/DC folgt dicht dahinter, da dürfen auch Chris de Burgh und Udo Lindenberg nicht fehlen. Schreiben wir wirklich das Jahr 2009? Befinden wir uns tatsächlich im YouTube-Zeitalter? Man glaubt es kaum, schließlich füllt Tina Turner bei ihrem Comeback gerade die größten Konzerthallen in Deutschland, und sie singt davon, dass man keine neuen Helden braucht. SZ-Autoren versuchen das Geheimnis zu lüften: Eine Annäherung an sieben musikalische Massenphänomene, die uns seit Jahrzehnten verfolgen.
Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer wird von Frauen mittleren Alters gehört, deren Wohnungen komplett mit Teppichboden ausgelegt sind. Irgendwo in diesen Wohnungen gibt es auch getrocknete Blumen. Diese Fans lieben an ihm die Gefühligkeit, die Reifung durch persönliche Schicksalsschläge, zugleich aber auch die oberstufenhaft kritische Grundhaltung und die Bemühung, trotz allem kein abgehobener Rockstar zu sein. An Grönemeyer sehen sie, dass die deutsche Innerlichkeit, wenn sie sich nach außen darstellt, immer auch eine echte Anstrengung ist. Schließlich sind die Fans auch nicht ohne Anstrengung dahin gelangt, wo sie jetzt sind. Obwohl er ein guter Bürgersohn ist, ist es Grönemeyer gelungen, ein Image aus proletarischem Ruhrpott und universalem Weltmenschentum zu formen. Sie hören ihn immer noch und immer wieder, weil sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Nostalgie und Erneuerung. So begleitet er das ganze Leben: Halt mich, nur ein bisschen, bis ich schlafen kann.
Text: Johan Schloemann Foto: dpa