Pop:Trüffelschwein auf Soundsuche

DJ Shadow

My home is my studio. Wenn es nicht sein muss, drängt sich DJ Shadow nicht ins Rampenlicht.

(Foto: Derick Daily)

Seit 1996 hat DJ Shadow den Hip-Hop mit seiner Sample-Kunst geprägt. Im Technikum will der Kalifornier zeigen, dass er immer noch vom Wunsch nach Klanginnovation getrieben wird

Von Magnus Rust

Rap hat sich irgendwann verselbstständigt", sagt Joshua Davis. "Egal ob Jazz, Rock'n'Roll oder die Skiffle-Ära im Großbritannien der Sechzigerjahre - Umgebungen ändern sich, Plätze, Menschen, Ideen ändern sich. Heute ist Rap ein Geschäft, eine Möglichkeit für Leute kreativ zu sein." Aus afroamerikanischer Subkultur sei Mainstream geworden, betont der Kalifornier im Telefongespräch. Meistens wird er Josh genannt, in der Musikwelt ist er seit 25 Jahren bekannt unter seinem Alias DJ Shadow. Während seiner Tour hat er im Hilton am Londoner Hyde Park eingecheckt, ebenfalls unter einem Decknamen. Manchmal ist es der Name eines Musikers, manchmal der seines Managers, den er benutzt. Allesamt englische Allerweltsnamen. Namen, Töne oder Lyrics von anderen leihen, dafür ist DJ Shadow bekannt. Sampling heißt das, Diebstahl nannten es die konservativen Kulturkritiker früher.

1996 erschien DJ Shadows Debüt-Album "Entroducing . . . . .", da war er 24 Jahre alt. Innerhalb eines Jahres avancierte das Album zum Meilenstein für die DJ-Kultur und für instrumentale Hip-Hop-Musik. Und Davis erhielt den Guinness World Record für das erste Album, das ausschließlich aus Samples bestand. Davis ist Musikliebhaber durch und durch. Er besitzt mehr als 60 000 Platten, die er in seinem Haus in der San Francisco Bay Area stapelt. Die Bay Area ist der Ort seiner Kindheit und die Heimat, wo er mit seiner Familie lebt. Als er Mitte der Achtziger zum DJing kam, war das Scratchen und Sampeln noch unumgänglicher Bestandteil der Hip-Hop-Kultur. Damals, als man vor seinen Künstlernamen noch ein DJ oder MC setzte.

Eine wichtige Hausnummer für die frühen Hip-Hopper: James Brown. Brown gilt als meist gesampelter Musiker der Geschichte, jeder Dezimeter seines Werkes wurde bereits in einen neuen Kontext gesetzt. Kann man Brown überhaupt noch sampeln? "Ich würde nicht sagen, dass es unmöglich ist", sagt Joshua Davis. "Ich habe nämlich erst vor kurzem einen ziemlich ungewöhnlichen Radiospot mit ihm gefunden, der taucht nirgendwo im Internet auf. Da wurde auf seine Stimme so ein ganz komischer Effekt gelegt. Sag also niemals nie."

Da zeigt es sich, das Trüffelschwein. Immer ist er auf der Suche nach neuen Sounds, nach neuen Klängen. Wie er erzählt, komme dieser Innovationswunsch aus dem Hip-Hop, wo kompetitive Elemente immer eine große Rolle gespielt haben. Er hörte die Musik anderer und fragte sich: Wo hat er dieses Sample her, wie hat er dort die Stimme von der Tonspur entfernt, wie hat er diesen Cut gesetzt? Das gleiche gelte auch vice versa. Er freue sich, wenn Bekannte zu ihm kommen und fragen: Josh, wie hast du das gemacht? 1996 war das Jahr, als er zur Bekanntheit katapultiert wurde. Aber es war auch das Jahr, als Leute plötzlich erwarteten, dass er auf Gigs nur noch seine eigenen Songs spielen würde. Eigentlich war er Disc Jockey, ein Liedauswähler, egal ob eigene oder fremde. Davis muss sich nicht unbedingt ist Rampenlicht drängen, seinen Künstlernamen kann man als Allegorie darauf lesen. Im Halbschatten fühlt er sich auch wohl. Interviews geben ist auch nicht sein größtes Hobby, aber es gehöre eben dazu. Exzentrische Künstler würden aus der Verweigerung gleich eine Attitüde machen. Davis nicht.

Mit seinen Kindern und seiner Frau hat er eine Zwei-Wochen-Regel aufgestellt. Länger will er von ihnen nicht getrennt sein, keine Gage könnte das aufwiegen. 2012 folgte eine neue Regel: die Ein-Monats-Regel. Erstmals seit 1996 tourte er wieder als klassischer DJ, gespielt wurden nur fremde Songs, die innerhalb des vergangenen Monats veröffentlicht worden waren. Keine Anzeichen von Nostalgie, seine Sets sollten "extrem zeitgenössisch" klingen. Aus dieser Erfahrung heraus gründete er 2014 das Label "Amber Liquid", um junge Künstler zu unterstützen.

Sein Nährboden ist immer noch die Bay Area. Die ansässige Musikszene, die Wochenendmixes der Lokalradios, haben ihn und seine musikalische Identität geprägt. Davis' musikalischen Kindheitserinnerungen entstammen der Autokabine; hier hörte er das erste Mal Disco, bis heute brenne er CDs und höre sie beim Fahren. CDs sind einfach verlässlicher als Handys und Bluetooth-Verbindungen. Auch die Mixing-Fehler seiner eigenen Lieder entdecke er am besten im Auto - mit einem Auge auf der Straße, mit einem Ohr in der Musik. Zum Kerngeschäft eines Musik-Enthusiasten und DJs gehört natürlich bis heute, das "Crate Digging", das Wühlen in den Plattenkartons. Aber ein Platten-Purist sei er nicht. Bereits vor mehr als zehn Jahren habe er entschieden, dass er alles sammeln will. Deshalb liegen bei ihm Vinyls neben Kassetten und CDs - und natürlich eine Tonne digitaler Dateien. Auch die Musik von Fans höre er. Früher warfen sie ihre Mixtapes-Kassetten auf die Bühne, heute vereinzelt noch UBS-Sticks, meistens wird aber einfach ein Soundcloud-Link geschickt. Gerne schreibe er den Fans auch zurück; die würden allerdings seltener antworten. In einer guten Woche gebe er online 50 bis 100 Dollar für digitale Musik aus. Wie viel er für analoge Platten wöchentlich ausgibt, wisse er selber nicht. Merkantiler Selbstschutz eines DJ-Pioniers.

DJ Shadow, Montag, 18. September, 20 Uhr, Technikum, Grafinger Straße 6

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