Pop:Songwriter setzen Segel

Pop: Auch wenn sie für die steife Brise gekleidet sind, Stefan Schröder und Fabian Rauecker (v. l.) setzen auf ein kluges Geschäftsmodell.

Auch wenn sie für die steife Brise gekleidet sind, Stefan Schröder und Fabian Rauecker (v. l.) setzen auf ein kluges Geschäftsmodell.

(Foto: Konrad Fersterer)

Ein Hafenfest an der Isar: "Sing Matröse Sing" - eine neue Reihe im Substanz kombiniert erfolgreich junge Liedermacher und Meeresromantik

Von Ekaterina Kel

Fernab vom Meer, aber immerhin 20 Gehminuten von der Isar entfernt, initiieren zwei Veranstalter ein neues Konzertformat, das sich als Hafenfest tarnt. Stefan Schröder (Ahoi Concerts) arbeitete für Hage Hein, Manager von Hubert von Goisern, Fabian Rauecker (Smuk Promotion) lernte sein Handwerk bei Münchens Kleinkunst-König Till Hofmann im Lustspielhaus. Ihre Konzertreihe "Sing Matröse Sing" verkündet mit Anker- und Schnurrbartromantik unter Verwendung von gutem alten Seemansslang, dass es genüge, die Idee des Hafens im Herzen zu tragen. Warum das ein Erfolgskonzept ist, zeigte sich bei der Auftaktveranstaltung im April im Heimathafen Substanz.

Zur "Jungfernfahrt" trägt Stefan Schröder das passende Outfit: Die Bootsjacke vom Flohmarkt hat Goldknöpfe und Anker am Revers. Mit zerstrubbeltem Bart gibt er den Gästen am Einlass einen unausstehlichen Aquavit aus - die See ruft bis in die Alpen! Sie wollen die Besucher einladen, auch mal unbekannte Musik zu entdecken; dabei sollen es ganz verschiedene Genres sein. Dass es beim ersten Mal ein Singer-Songwriter Abend geworden ist, "hat sich so ergeben. Wir sind jetzt mal losgefahren. Aber man kann ja jederzeit den Kurs ändern", verkündet Schröder geheimnisvoll. Die Begrüßung kommt mit waschechtem Sound einer Ansage an Deck vom Band: "Kapitän und Besatzung wünschen gute Unterhaltung."

Dass sie ausgerechnet den jungen Philipp Dittberner für ihre Jungfernfahrt gewinnen konnten, war ein Jackpot. Der Newcomer produzierte seinen tanzbaren "Wolke 4"-Hit mit Elektro-DJ Marv, der gerade im Radio durchstartet. Dittberner stilisiert sich als Träumer, einsamer Matrose, romantischer Schiffsfahrer - dieses Image wird unausweichlich und für immer an ihm haften. Die Masche des empfindsamen Liedermachers steht ihm gut. Dazu trägt er ein blau-weiß gestreiftes T-Shirt. Philipp Dittberner zieht besonders viele junge Mädchen an; sie kreischen auf, wenn er mit geschlossenen Augen "In deiner kleinen Welt" singt. "Das ist mein Lied!", lässt ein Mädchen in der Nähe der Bar verlauten und legt ihre Hand aufs Herz. Die Münchnerin Ella Josaline eröffnete den Abend mit der absoluten Leichtigkeit des Seins, die eben nur einer 16-jährigen Sängerin eigen sein kann, die schon kurz vor dem Release ihrer ersten Demo-Platte steht. Hinter ihr an der Wand hängt ein Rettungsring. Aber den wird sie sicher nicht brauchen, denn ihre Stimme ist mal kehlig-hauchend, mal kräftig und strahlend und ihre Gitarre bleibt eine plänkelnde Hintergrund-Begleitung. Damit steht sie gerade hoch im Singer-Songwriter-Kurs. Sie singt ihre Songs mal auf Englisch, mal auf Deutsch, aber immer mit viel Weltschmerz.

Nach ihr beweist die Berlinerin Mari Mana, dass sie des Singer-Songwriter-Huts ebenfalls würdig ist. Samt legt sich über ihre voluminöse Stimme, wenn sie ihre perfekt einstudierten englischen Songs zum Besten gibt. Sie haben Filmmusik-Potenzial, schade nur, dass der Akkord-Teppich live noch etwas eintönig klingt. Philipp Dittberner, dessen Lieder-Spektrum dem von Philipp Poisel zum Verwechseln ähnlich ist (beide sind übrigens bei Herbert Grönemeyers Label unter Vertrag), und dessen Gesang stark an Gisbert zu Knyphausen erinnert, zeigt sich im Substanz von einer Seite, die mit Electro-Beats wie in "Wolke 4" nichts zu tun hat: Gelassen raunt er seine Solo-Balladen, begleitet sie mit simplen Akkorden, die in ihrer Einfachheit unter die Haut gehen, zieht seine dunklen Augenbrauen zusammen, streicht die schwarze Haartolle von der Stirn, blickt aufmerksam zu seinen Fans, lächelt - das Teen-Schmachten ist programmiert. Er singt ja auch in ganz direkter Weise von universellen Befindlichkeiten und baut effektvolle Pausen ein.

Die Veranstaltungsreihe titelt "Matröse", nach Angaben von Fabian Rauecker sei es die weibliche Form des Matrosen. Jedenfalls ist das Publikum überwiegend weiblich. Und im Hintergrund stehen die Seebären. Die Organisatoren, die sich hier nicht wegen der Gitarrenklänge, sondern wegen des Geschäftsmodells versammelt haben. Dieses springt gerade passend auf die richtige Welle auf: Wo Gitarre klimpert, ist Melancholie nicht weit. Und wo das Herz nach Sehnsucht schmachtet, liegt die Einsamkeit von blauen Meereswellen und Möwen-Idyllen ganz nah. Jack Johnson reitet auf Wellen, Julien Le Play posiert vor Meer und Möwen, Gisbert zu Knyphausen und Philipp Poisel segeln unheimlich gerne, und alle, die sich dazu gesellen wollen, lassen ihr Haar im Meereswind wehen.

Die nächsten Termine von "Sing Matröse Sing" stehen bereits bis Ende 2015 fest. Am 14. Mai geht das Hafenfest mit Mundart-Songwriter Max von Milland aus Südtirol weiter, dessen bereits zweites Album bei dem jungen Label 0472 Records im Sommer erwartet wird. Außerdem zu Gast im Substanz bei "Seenot und Magenbitter": Das Trio Peter Pux vom Bodensee mit ihrem "melancholisch-nachdenklichen, rhythmisch-explosiven, erfrischend-leichten Singer-Songwriter-Pop", wie sie sich selbst beschreiben und das Grunge-Folk-Duo Me&Marie aus München, die mit der unschlagbaren Kombi aus Gitarre, weiblicher und männlicher Stimme "kraftvoll intime Seelenportraits" versprechen.

Sing Matröse Sing, Donnerstrag, 14. Mai, 20 Uhr, Substanz, Ruppertstr. 28, Infos unter: www.sing-matroese-sing.de

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