Pop & Rock:Winterwundertüte

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Das Innenwelt-Festival im Kafe Kult

Von Martin Pfnür, München

Saiteninstrumente und Minustemperaturen, das ist eine Kombination, die unter keinem guten Stern steht. Gerade mal ein paar Takte hatten Point Baker im Kafe Kult gespielt und damit das siebte Innenwelt-Festival eröffnet, da war es auch schon wieder vorbei mit der musikalischen Herrlichkeit. Sebastian Trolls Gitarre war offenbar die Anreise nicht bekommen, und so stand direkt zum Start zwangsweise der erste Instrumentenwechsel an. Den brachte die Band aus Regensburg jedoch mit großer Gelassenheit über die Bühne, um die Besucher im Café des entlegenen Barackenbaus in Oberföhring mit ihrer feinen Melange aus Country und Indie-Rock aufzuwärmen.

Es sollte dies der einzige Streich bleiben, mit dem sich der Winter an diesem Abend bemerkbar machte, der ganz im Zeichen der Sieben stand. Sieben Acts spielten an diesem siebten Januar zur siebten Ausgabe des stets ausverkauften Innenwelt-Festivals auf, das wie eh und je vom "Innen.Außen.Raum e.V." auf die Beine gestellt wurde. Ein Verein also, bestehend aus zwölf jungen Leuten, die sich 2009 zusammenfanden, um dem Konzertstandort München mittels ehrenamtlicher Arbeit auf die Sprünge zu helfen, indem man vor allem jungen, unbekannten Bands eine Plattform schafft. Während im Sommer meist akustische Konzerte an der Isar organisiert werden, hat sich das Anfang Januar stattfindende Innenwelt-Festival zum eigentlichen Steckenpferd des Vereins entwickelt. Hier lädt man alljährlich eine handverlesene Auswahl an Musikern aus ganz Europa ein, macht sich ans Organisieren, Dekorieren und Kochen - und sorgt damit für eine Veranstaltung, die sich stets als musikalische Wundertüte entpuppt.

Während die bayerischen Vertreter wie eben Point Baker oder Allænd North aus Traunstein, die ihre Trip-Hop-Variationen auf dem Fundament eines Kontrabasses aufbauten, im Café mit soliden Auftritten noch auf ein eher kleines Publikum trafen, waren es vor allem die Bands aus der Ferne, die in der bald brechend vollen Halle nebenan für die großen Momente des Festivals sorgten. Da war etwa die T.S. Eliot Appreciation Society, im Kern bestehend aus dem holländischen Songwriter Tom Gerritsen, der seine filigran arpeggierten Indie-Folk-Stücke in Band-Formation auf die Bühne brachte, um sie mit gewaltiger stimmlicher Inbrunst immer wieder in rasende Ausbrüche münden zu lassen. Oder auch Castus, ein Sextett aus Brüssel, das einem mit komplex verschachteltem Math-Rock an vier Gitarren die Hirnwindungen verdrehte und dabei doch nie einen gewissen Groove vermissen ließ. Als gemeinsamer Nenner lässt sich hier eine Form der Überrumpelung festhalten, die so nur zustande kommt, wenn ein Publikum voller Aficionados erstmals auf eine Musik stößt, die trotz ihrer immensen Qualität bisher im Verborgenen blieb.

Derart in Schwingung gebracht, war es auch kein Wunder, dass beim Auftritt der unbedingt empfohlenen Berliner Band Mother Of The Unicorn, die ihren melancholischen Indietronic live ungemein tanzbar ausrichtete, bald der ganze Saal in Bewegung geriet. Das setzte sich sogleich fort, als das Trio Eric Shoves Them In His Pockets einen höchst zackigen Indie-Pop darbot, dessen Ursprung man eher im sonnigen Kalifornien als im kalten Warschau vermutet hätte. Daran gibt es keinen Zweifel: Wer an diesem Abend in Oberföhring nicht mindestens eine neue Lieblingsband gefunden hat, der hat hier definitiv nicht richtig zugehört.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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