Pop-Provokation ohne Not:Das Kreuz mit Madonna

Nicht zum Niederknien: Die Pop-Diva erregt gerade die Kirche. Weil es ihr gefiel, während eines Konzerts mit Dornenkrone vom Kreuz zu steigen.

ALEXANDER GORKOW

Hastige Meldungen: Madonna ist zum Auftakt ihrer Welttournee in Los Angeles mit einer Dornenkrone vom Kreuz gestiegen und hat sodann ihr schönes Lied "Live To Tell" gesungen! Ein Sprecher der Anglikanischen Kirche sagte daraufhin in London: "Warum hat es jemand mit so viel Talent nötig, so viele Menschen zu beleidigen?"

Madonna Pop Kirche Beleidigung

Ob die Sängerin irgendwen beleidigen wollte, werden wir Europäer erst im Hochsommer erfahren, wenn der Tross zu den hiesigen Konzerten eintrifft und die 200 Millionen Dollar plus X Reingewinn für die Künstlerin rund macht.

(Foto: Foto: Reuters)

Nun war der Mann aus London nicht bei dem Konzert in Los Angeles. Er wird sich also noch gedulden müssen, um den Grund für seine eigene Aufregung zu überprüfen (hoffentlich kriegt er eine Karte, dazu braucht man in diesen Tagen Beziehungen). Auch im kirchlichen Medienbetrieb ist es üblich, sich erst zu erregen und dann zu recherchieren. Sonst kommt man nicht in die Zeitung - schlecht für einen "Sprecher". Zweifellos hat der größte Popstar der Welt "so viel Talent", da hat der Sprecher recht. Ob Madonna aber "so viele Menschen" beleidigen wollte, werden wir Europäer erst im Hochsommer erfahren, wenn der Tross zu den hiesigen Konzerten eintrifft und die 200 Millionen Dollar plus X Reingewinn für die Künstlerin rund macht. Da zu ihren Konzertrequisiten auch eine Discokugel (mit Kristallen im Wert von zwei Millionen Dollar!) gehört, stünde sie in anglikanischer Logik übrigens auch in dem Verdacht, Fans von Discomusik beleidigen zu wollen.

Eher ist alles wohl ganz anders, und zwar moralischer als der Sprecher der Anglikanischen Kirche glauben darf.

In Los Angeles zeigte Madonna beim Kreuzabstieg Bilder hungernder Kinder, auch attackierte sie Bush und Blair. Sie will also plötzlich nicht nur Tanzmusik machen und von ihrer privaten Befreiung erzählen - sie hat vielmehr eine politische Botschaft. Madonna ist jetzt 47 Jahre alt. Da geht einem nicht mehr alles am Dings vorbei. Das erinnert an andere große Avantgardisten des Pop. Zum Beispiel an Phil Collins.

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