Pop:Musikalischer Wolpertinger

8000 Kilometer trennten den Augsburger Beat-Bastler Dot und den Rapper Ancient Mith bei der Produktion ihres düsteren Debüts. Nun stellen sie das Album im Feierwerk vor

Von Martin Pfnür

Die Geschichte des formidablen deutsch-amerikanischen Hip-Hop-Projekts Yawl beginnt mit einer Anekdote, wie sie erzählenswerter und gleichzeitig betrüblicher kaum ausfallen könnte. 2012 war es, als der Indie-Rapper Braden Smith aka Ancient Mith aus Denver, Colorado, per Interrail-Ticket zum wiederholten Male durch Europa reiste, um einige Konzerte zu spielen. Die Reise führte Smith dabei auch nach München, wo ihn das Feierwerk für einen Gig gebucht hatte.

Dort, im kleinen Kellerclub Sunny Red, fand sich Smith allerdings vor einem Publikum wieder, das man an einer Hand, oder genauer: an zwei Fingern abzählen konnte. "Wir waren tatsächlich die einzigen Besucher, und so kam man eben auch schnell ins Gespräch und tauschte CDs aus", berichtet der damals in München wohnhafte Augsburger Beat-Bastler Sebastian Birkl aka Dot über dieses Konzerterlebnis, das nicht wenig über den oftmals eher schwachen Puls der winzigen Münchner Subkultur verrät.

Yawl

Augsburg trifft Denver: Dot (links) und Ancient Mith bastelten - verbunden durch das Internet - an ihren Songs.

(Foto: Martin Ludewig)

Mit "wir" meint Birkl das mittlerweile zwar auf Eis liegende, jedoch unbedingt hörenswerte Hip-Hop-Duo Blindspot (nachzuhören unter blindspot.bandcamp.com), das der heute 33-Jährige neben seinen eigenen Solo-Produktionen als Dot mit dem ebenfalls aus Augsburg stammenden Hochgeschwindigkeits-Rapper MC Feat bildete. Zwei Jahre nach dem Münchner Exklusiv-Gig veranstalteten Blindspot wiederum eine Reihe von Indie-Rap-Konzerten in Augsburg, luden ihren neuen Bekannten aus den USA für einen Auftritt ein, und brachten dessen Album bei der Gelegenheit auch bei ihrem Label Anette Records unter, das seit 2013 von Frittenbude-Frontmann Johannes Rögner betrieben wird.

Noch im Herbst des selben Jahres folgte eine gemeinsame VW-Bus-Tour durch Europa mit 35 Konzerten in 42 Tagen, bis Smith sich schließlich wieder Richtung Denver aufmachte. Der Kontakt zwischen Sebastian Birkl und Braden Smith blieb indes bestehen. Derart intensiv bestehen, dass, dem Internet sei Dank, über die Distanz von gut 8000 Kilometern via Dropbox-Austausch innerhalb eines Jahres doch glatt ein Album entstand.

"A Pile to Keep, A Pile to Burn" (zu hören unter weareyawl.bandcamp.com) heißt es, und wird von Birkl selbst als eine Art musikalischer "Genre-Wolpertinger mit einem Nashornkörper, Adlerflügeln, Haifischzähnen und einem Bären-Schädel" beschrieben. Das mag erst mal recht unorthodox klingen und kommt doch ganz gut hin angesichts dieser heterogenen, primär düster und melancholisch geprägten Klanglandschaften, deren Samples sich mal aus klassischen Kompositionen aus der Feder von Leoš Janáček, mal aus filigranen Flamenco-Versatzstücken speisen, während Ancient Miths unheilvolle Zeilen eher entrückt und entschleunigt zum wuchtig-feinteiligen Bass- und Beatgerüst des in Tontechnik und Komposition ausgebildeten Produzenten erklingen.

Ein Feierwerk-Déjà-vu in Sachen Zuschauerzahlen dürfte es für die beiden bei ihrem Auftritt im Hansa 39 übrigens nicht geben - sie treten als Support für den längst etablierten New Yorker Tausendsassa Saul Williams auf.

Yawl, Mittwoch, 26. Oktober, 21 Uhr, Feierwerk, Hansastraße 39

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