Pop mit Orchester:Stilistische Chamäleons

U- und E-Musik fusionieren zunehmend. Auch der australische Songwriter Ry Cuming alias Ry X setzt auf vielschichtige Arrangements - und lässt sich bei seinem Gastspiel vom Münchner Rundfunkorchester begleiten

Von Rita Argauer

Wenn sich Comicfiguren verlieben, erscheinen oft symbolische Geigen, die himmlisch vor sich hinfideln, um die Größe des Gefühls zu illustrieren. In der Popmusik agiert man mit Streichern oder weiteren Orchesterinstrumenten oft ganz ähnlich: Soll das über die Musik zu vermittelnde Gefühl besonders intensiv werden, heben sich die Geigen in die Höhe. Doch obwohl - spätestens seit Metallica sich mit Hilfe des San Francisco Symphony Orchestra in Richtung Kuschelrock zu positionieren versuchten - Rockbands mit Orchester eher schmierig statt gefühlsedel wirken, hat das Orchester in der Popmusik derzeit Konjunktur.

Etwa beim australischen Musiker Ry Cuming alias Ry X. Der veröffentlichte 2010 sein erstes Album, das sich in die Tradition der verschmusten Waldschrat-Singer-Songewriter à la Bon Iver einfügte. Mit seinem 2016er-Album "Dawn" und vor allem auch der jüngsten Single "Bad Love" stellt er sich musikalisch jedoch ein wenig breiter auf und singt mit samten aufgerauter Stimme zu blubbernder Elektronik, Synthesizer-Wolken und interessanter arrangierten Streichern. Für sieben Konzerttermine in Europa, auf denen er neues Material vorstellen will, hat er nun örtliche Orchester engagiert, die live für die herzenserhebenden Streicher zuständig sind. In Berlin etwa spielt das Filmorchester Babelsberg, in Amsterdam das Amsterdam Chamber Orchestra, und in München wird er vom Münchner Rundfunkorchester begleitet.

Ry X

Lässt sich den Strudel der Gefühle von Orchestern illustrieren: der australische Musiker Ry X.

(Foto: We Are The Rhoads)

Dieses wiederum ist für ein solches Unterfangen ein ausgesprochen passender Partner. Denn weil es derzeit sowieso angebracht ist, die Grenzen zwischen Pop und klassischer Musik im weitesten Sinne aufzubrechen, mischte dieses Orchester in den vergangenen Jahren auch wiederholt beim BR-eigenen Puls-Festival mit und unterstützte diverse Popkünstler orchestral. Die Kraft, die echte Streicher dabei auf der Bühne im Gegensatz zu den vertrauten synthetischen Klängen entwickeln, entzückte das Publikum genauso wie die Musiker. 2016 trafen dort Ry X und das Rundfunkrochester erstmals zusammen. Jetzt folgt das Wiedersehen in der Alten Kongresshalle.

Doch nicht nur weil man sich schon ein bisschen kennt, erscheint das Rundfunkorchester prädestiniert für ein solches Projekt. Dieses Orchester ist zudem quasi dazu erzogen, keine zu strenge Wertung in die alten Kategorien der E- und der U-Musik zu legen. Denn das Rundfunkorchester ist ein wenig das stilistische Chamäleon unter den Münchner Klangkörpern. Es spielt Filmmusik beim Bayerischen Filmpreis, es spielt - mittlerweile preisgekrönt - wiederentdeckte Opern der französischen Romantik. Bei Paradisi Gloria führt es regelmäßig zeitgenössische sakrale Musik auf. Und nun gibt es eben dem Konzert von Ry X die orchestrale Emotionsunterfütterung. Über die Vielfältigkeit, die sein Beruf in diesem Orchester hat, zeigt sich der Bratschist Tilbert Weigel, der auch mit der Koordination des Ry-X-Projekts betraut ist, dabei sehr erfreut: "Wir sind im Orchester in solistischer, sehr kleiner Besetzung", erklärt er die Aufstellung für das anstehende Konzert; da sei der Einzelne gefordert, aber es werde bestimmt ein sehr emotionales Erlebnis, prophezeit er.

Auch wenn die Probenzeit - wie bei klassischen Orchestern üblich - knapp bemessen ist. Man probt nur einmal, am Tag des Konzerts selbst, die Noten wurden im Vorfeld per E-Mail versandt. Die Arrangements kommen von Eric Price, dem Keyboard von Ry X. Der wird beim Konzert dann auch eine leitende Funktion übernehmen, also ein bisschen Dirigent sein, auch wenn die Tempi der Stücke vorher schon klar in den Noten angegeben sind.

Ry X, Münchner Rundfunkorchester, Freitag, 16. Februar, 20 Uhr, Alte Kongresshalle, Theresienhöhe 15

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