Pop:Melancholie in Schlaufen

Das "Alien Ensemble" um Micha Acher von "The Notwist" hat sein zweites Album aufgenommen. Es ist vom Nebenprojekt zu einer richtigen Band zusammengewachsen

Von Martin Pfnür

Dem Gedanken vom Miteinander kommt die Musik des Alien Ensembles auf geradezu streberhafte Weise nahe. 2010 wurde die Formation von Micha Acher ins Leben gerufen. Der Bassist und Mitgründer der ewig großen The Notwist betreibt sie als eines seiner zahlreichen Nebenprojekte. Sieben Mann arbeiten dort zusammen an einem Sound, der von der Instrumentierung her knietief im Jazz verankert ist, strukturell jedoch letztlich ganz anders funktioniert. Denn wo im Jazz das freie Improvisieren und das Abschweifen zu den Kernmerkmalen zählt, geht es dem Alien Ensemble vielmehr um das große Ganze, um den Zusammenklang.

"Wir haben versucht, unseren Sound so weit wie möglich zu reduzieren. Auf klassische Jazzelemente wie Solos haben wir etwa weitgehend verzichtet", sagt Micha Acher, und stößt damit sehr weit zum Wesenskern dieser ebenso unprätentiösen wie spannenden Musik vor, die er mit seinem Ensemble auf "2", dem Nachfolger des selbstbetitelten Debüts von 2014, vereint. Ausgestelltes musikalisches Virtuosentum wird man hier ebenso vergeblich suchen wie abrupte Brüche oder schräge Dissonanzen. Niemand, wirklich niemand drängt sich im Rahmen dieser ohne jede Elektronik auskommenden Musik in den Vordergrund. Vielmehr kann man sich das, was da auf "2" passiert, als ein stetiges, unaufgeregtes, eng verzahntes Kreisen um zumeist eher dunkle Motive vorstellen. Als eine Art melancholische Schlaufenmusik also, die in ihrer repetitiven, und damit gewissermaßen "krautrockigen" Struktur durchaus auch hypnotischen Charakter besitzt.

Alien Ensemble

Das "Alien Ensemble" um Micha Acher (rechts) im irdischen Alltagsambiente.

(Foto: Alien Ensemble)

Da ist etwa ein Stück wie "Morgenstimmung" aus der Feder des Posaunisten Mathias Götz, das wie eine Art fein gesponnene Konversation zwischen Acher an der Trompete und Götz an der Posaune auf der einen, sowie Oliver Roth an der Flöte und Stefan Schreiber an der Bassklarinette auf der anderen Seite wirkt. Da ist ein erquickend fröhlicher Stomper wie der "Skeleton Dance", geschrieben von Schlagzeuger Andi Haberl (gleichfalls Drummer bei The Notwist), der auf dem Fundament eines stoischen Beats und eines lässig geschrubbten Banjos geradezu tanzbar daherkommt. Und da ist nicht zuletzt ein Opener wie "Arc Trilogy", der ungemein weich gezeichnet mit einer Art Neo-Cool-Jazz startet, um dann in einer Passage zu münden, in der Matthias Pichler am gestrichenen Kontrabass und Karl Ivar Refseth (sonst ebenfalls bei The Notwist aktiv) am Vibraphon aufzeigen, wie das Alien Ensemble Neue Musik und ambiente Klänge interpretiert.

Sehr deutlich zeigt sich an diesem Album vor allem auch, was Micha Acher meint, wenn er sagt, dass das Projekt über die Jahre und im Verlauf zahlreicher Konzert zu einer richtigen Band geworden sei, in der "jeder seinen Platz gefunden hat, auch in kompositorischer Hinsicht." Neben dem gemeinsam von Micha Acher, Matthias Pichler und Andi Haberl ausgetüftelten "Arc Trilogy" stammen drei der acht Stücke von Mathias Götz, zwei von Haberl, zwei von Acher selbst. Und doch greift in diesen knapp 40 Minuten alles wunderbar homogen und kompakt ineinander, was sich vielleicht auch mit den Entstehungsbedingungen erklären lässt, die Micha Acher schließlich folgendermaßen umschreibt: "Wir haben das Album an einem Tag aufgenommen, extrem entspannt und locker."

Alien Ensemble: "2" (Alien Transistor/Morr Music/Indigo). Live: Fr., 14. Oktober, 20 Uhr, Kunstzeche Penzberg und Fr., 4. November, 20.30 Uhr, bei "Jazz am See" im Bürgersaal im Rathaus Feldafing.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: