Pop:Kissen sind wichtig

DJ Khaled (c) Sony Music

Der lustige Mogul: Dj Khaled.

(Foto: Sony)

Khaled Mohamed Khaled alias DJ Khaled rappt nicht, singt nicht, schreibt keine Songs und produziert keine Beats. Trotzdem ist der Mann aus New Orleans derzeit einer der wichtigsten Männer im amerikanischen Hip-Hop.

Von Jan Kedves

Khaled Mohamed Khaled ist ein sehr übergewichtiger, sehr freundlicher Mann mit sehr viel Brusthaar und sehr vielen Goldketten um den Hals. Er rappt nicht, er singt nicht, er schreibt keine Songs und produziert keine Beats. Trotzdem ist er derzeit einer der wichtigsten Männer im amerikanischen Hip-Hop-Geschäft. Er steht nämlich kurz davor, mit seinem am vergangenen Freitag veröffentlichten neuen Album "Major Key" (We the Best / Epic) auf den ersten Platz der amerikanischen Billboard-Charts einzusteigen. Dass jemand, der nicht rappt, nicht singt, nicht komponiert und nicht produziert, sondern als Berufsbezeichnung "Mogul" angibt, einen Nummer-eins-Erfolg unter eigenem Namen - beziehungsweise als DJ Khaled - feiert: So etwas ist eigentlich nur im Hip-Hop möglich.

Der Mogul ist eine zentrale Figur im Hip-Hop. André Young alias Dr. Dre, Sean Combs alias P. Diddy: Sie alle verbinden unbedingte Geschäftstüchtigkeit mit einem Drang nach Unabhängigkeit. Sie betreiben ihre eigenen Labels, überwachen zu selbst-bestimmten Konditionen Heerscharen von Beat- und Text-Zulieferern, sie justieren hier, kooperieren da. Die erste Aufgabe des Rap-Moguls: Qualitätskontrolle.

Bislang sahen es Rap-Mogule allerdings meist auch noch als ihre Aufgabe an, zu den Tracks, die unter ihrem Namen veröffentlicht wurden, zumindest ein paar Raps selbst beizusteuern. DJ Khaled, geboren 1975 als Sohn palästinensischer Einwanderer in New Orleans, tut dies nicht mehr. Er wirft höchstens am Anfang eines Stücks, bevor er einem oder mehreren Gast-Rappern das Wort überlässt, noch ein: "Wir sind die Besten!"

Seine eigene künstlerische Qualifizierung besteht darin, dass er früher ein bekannter Radio-DJ in Miami war. Diese Bekanntheit steigert er nun dadurch, dass er nicht nur mit den besten Rappern kooperiert, sondern auch virtuos die sozialen Netzwerke, vor allem die Videoplattform Snapchat, bespielt. Dort inszeniert er sich, mit durchschnittlich zwei Millionen Zuschauern pro Videobotschaft, als Erfolgs-coach mit rundum positiver Ausstrahlung und argloser Naivität, die er sich möglicherweise ein bisschen bei Sacha Baron Cohens Figur Ali G abgeschaut hat. Ali G trug jedenfalls auch diese seltsamen Jogginganzüge aus Samt.

DJ Khaleds Erfolgstipps sind dabei ur-amerikanisch ("Immer an sich selbst glauben"), aber auch lustig: "Immer genug Wasser trinken", oder: "Immer genug Kissen haben". Und diese Mischung aus Comedy und ernst gemeintem Motivationstraining macht DJ Khaled derzeit zu der Integrationsfigur im Hip-Hop. Eine Figur, die nur ihre Kontaktliste im Smartphone öffnen muss, und schon beteiligen sich Superstars wie Jay-Z, Drake, Future oder Kendrick Lamar an seinem neuen Album.

Der beeindruckendste Track auf "Major Key" ist "I Got The Keys", ein Hit mit Sirenenmelodie und rasiermesserscharfen Snare-Sounds. Jay-Z, der ja selbst ein Rap-Mogul ist, rappt im Song, wie ihm das eigene Mogul-Sein seit seinem Debütalbum keine Zeit mehr zum Schlafen lasse: "Seit '96 habe ich meine Augenlider nicht von innen gesehen." Dem stellt DJ Khaled im Refrain den extrem repetitiven, triolischen Auto-Tune-Rap von Nayvadius DeMun Wilburn alias Future gegenüber. Der Rapper aus Atlanta wurde weniger durch genial gereimte Metaphern berühmt als durch seine ganz spezielle Art, mit Hilfe des digitalen Auto-Tune-Stimmeffekts ins Duett mit sich selbst zu treten und so aus seinen Raps eine Mischung aus Gesang und Mofaknattern zu machen. Häufig stellt Future den Auto-Tune-Effekt ein paar Cent zu hoch ein, sodass sein digitaler Singsang sich am Rest noch deutlicher reibt.

Man erinnert sich: Jay Z rappte im Jahr 2009 in seinem Track "Death of Auto-Tune" darüber, dass er den Auto-Tune-Effekt eigentlich hasse. Dass DJ Khaled es nun aber schafft, in "I Got The Keys" beides zusammenzubringen - die ganz alte Rap-Schule, vertreten von Jay Z, und die neueste Rap-Schule, vertreten von Future -, das sagt schon viel über seine integrative Macht aus. Wer dieses Jahr nur ein einziges Hip-Hop-Album hören will, sollte also "Major Key" hören. Das Album funktioniert wie eine Überblicksvorlesung über die Tendenzen der amerikanischen Rap-Musik im Jahr 2016.

Aber nicht nur in der Hip-Hop-Welt ist Khaled eine Integrationsfigur. Seit der Trump-Wahlkampf und dessen Islam-Feindlichkeit das gesellschaftliche Klima in den USA vergiften, sind die amerikanischen Medien händeringend auf der Suche nach berühmten amerikanischen Muslimen, die nichts Bedrohliches haben. DJ Khaled ist da der perfekte Kandidat. Als er 2014 zu Gast in der Sendung des legendären Interviewers Larry King war, war es fast rührend, wie King, der Jude, und Khaled, der Palästinenser, sich gegenseitig versicherten, überhaupt nichts gegeneinander zu haben. Und Khaled erzählte, dass er häufig mehr als zehnmal am Tag bete.

Der Islam war dem Hip-Hop allerdings nie fremd. Viele Rap-Stars - Mos Def, Q-Tip, Busta Rhymes, Ice Cube - bekennen sich zu ihm, häufig auch zur "Nation of Islam". Der haftet in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch etwas Bedrohliches an, weil sie bisweilen separatistische Züge hat (wenngleich auch keine islamistischen). DJ Khaled macht dagegen kein Programm aus seinem Glauben, er kehrt ihn nur nicht unter den Teppich. Und natürlich ist er gegen Trump.

In dieser Funktion trat er in der vergangenen Woche, kurz vor Veröffentlichung seines Album, auch in der "Nightly Show with Larry Wilmore" auf Comedy Central auf. Als "Experte für Politische Strategie" sollte er hier Hillary Clinton ein paar "Major Keys", also wichtige Motivationstipps für den Wahlkampf mit auf den Weg geben. Sie solle Donald Trump in den TV-Duellen immer schön erledigen, riet Khaled, und außerdem sein neues Album kaufen. Komisch, dass er vergaß, Clinton noch viele weiche Kissen zu empfehlen.

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