Pop:Hochgefühl in Down Under

Straubing, Würzburg, weite Welt: Die Sängerin Lilly Among Clouds

Von Michael Zirnstein, Würzburg

Da kommt man zum ersten Mal im Leben nach Australien, und dann stürzt die Temperatur ab und es schüttet. Als Elisabeth Brüchner hat sie "drei Tage lang rumgejammert". Aber als der Popstar Lilly Among Clouds hatte sie eh besseres zu tun, als im Meer zu schnorcheln. Die Würzburger Singer-Songwriterin war eingeladen, bei der Australian Music Week aufzutreten - als erste deutsche Musikerin überhaupt. Gut, zwar fiel auch ein Open-Air am Strand bei Brisbane dem Sturm zum Opfer, aber ihr blieben drei Konzerte, die Experten in Down Under zu betören. Wer sie einmal live erlebt hat - auf der Bühne faszinierend wie ein Nordlicht -, weiß, dass sie das geschafft hat. "Obwohl die dort viel mehr klassische Rock-Bands mit zwei, drei Gitarristen und Country hören, wo bei uns gerade mehr Synth-Bass gefragt ist." Aber die Business-Leute hätten bald mitgesungen, "für die war das wohl eine schöne Abwechslung, ich am Klavier und mit meiner Elektronik." Nach der Woche hatte Lilly Among Clouds jede Menge Kontakte, sie solle bald wiederkommen, dann mit Band.

Solche Geschäftsreisen sind eine Bestätigung. Das Lob eines unbefangenen Publikums sowieso, das ihr zeigt, dass sie überall ankommt - und dass sie angekommen ist in ihrem Künstlerberuf. Um das zu verstehen, muss man zurückschauen in Elisabeth Brüchners Vergangenheit. Die war von Unsicherheit und Verletzlichkeit begleitet, die sich später in ihrem ersten Pseudonym spiegelte: Lilly Among Thorns, die Lilie unter Dornen. Als sie ihre ersten Songs zu Hause in Straubing schrieb, hatte "Liesl" meist das Gefühl, jemanden in der Familie mit dem Lärm zu stören. Aber wo auftreten? Das wurde mit dem Umzug nach Würzburg besser, da konnte sie in den Clubs spielen, nur auf der Bühne ist sie enthemmt. "Wow, krasse Stimme", hörte sie dann immer. Aber die ganzen Bescheidwisser sagten ihr auch, sie brauche noch Zeit. Also studierte sie weiter Politik und jobbte als Verkäuferin. "Ich wollte die Kunst schon aufgeben, aber es kam immer etwas um die Ecke."

Pop: "Ich bin Künstlerin", sagt Elisabeth Brücher selbstbewusst.

"Ich bin Künstlerin", sagt Elisabeth Brücher selbstbewusst.

(Foto: Katja Ruge)

Da war zunächst ein Pop-Wettbewerb, bei dem sie einen Auftritt in Finnland gewann - und das vor gleich 10 000 Zuhörern. Würzburg verlieh ihr den Kulturförderpreis. Auch das zeigte ihr: "Das ist wertvoll, was du machst." Die Initiative Musik der Bundesregierung schickte sie in die Heimat ihrer Mutter, in die USA, zum "South By South West"-Festival, Treffpunkt der globalen Pop-Branche. Und doch sagte sie damals: "Ich habe noch keine Ahnung, wer ich bin." Sie hatte Zweifel, ob sie geeignet ist für ein Künstlerleben: Die "Unruhe in deinem sozialen Leben", die Selbstkritik, das Offenbaren, das "Versumpfen in den kreativen Dingen", jemandem etwas vorzuspielen, was man im nächsten Moment furchbar findet. "Ich hatte einfach Schiss, was passiert, wenn ich mich dem hingebe".

Eineinhalb Jahre später ist sie "all in" gegangen. "Ich glaube, ich werde immer ein bisschen gucken, wer ich bin, aber jetzt sage ich zumindest: Ich bin Künstlerin." Wenn sie von der Arbeit an ihrem Debüt-Album redet, selbst dem Teil, wo sie von der Anschaffung eines Riesenschreibtisches erzählt ("Bin ich jetzt Bürofachfrau?"), fallen oft die Worte "Riesenfreude", "geil" oder "Bock drauf". Analog dazu schreibt sie "jetzt ein bisschen mehr Dur", und der Künstlername entspricht nun auch dem Wohlgefühl: Lilly Among Clouds sollte so eine Neo-Pop-Diva-Marke sein wie bei den von ihr verehrten Florence And The Machine oder Marina And The Diamonds, aber es lässt sie über den Dingen auch schweben - Distanz gibt Sicherheit. Das Debütalbum heißt "Aerial Perspektive" - Vogelperspektive. Zum Glück ist es immer noch dunkel, wie diese Pop-Schattenspiele von Lana Del Rey, es geht um Familie, Fernbeziehung, die Nutzlosigkeit von Plänen. Man spürt die Zerrissenheit einer alten Seele hinter dem ewig jungen Gesicht.

Zusammen mit ihrem Produzenten Udo Rinklin (Philipp Poisell) schmeißt sie sich auch voll ins Zeug, reizt die Effekt-Trickkiste aus, spielt mit Stimmumfang und Tempo: Beim berauschenden "Listen To Your Mama" lässt sich prima zu Disco-Streichern durchs Zimmer tanzen - wie sie selbst es gerne bei Lykke Li tut. Für sie ist so ein unballadiger Song ein Befreiungsschlag, sagt sie, und denkt dabei schon ans nächste Album. Erst mal aber wird sie "Aerial Perspective" in die Welt bringen; es gibt Anfragen aus Holland, Südkorea und Japan. Früher wollte sie immer auswandern, "ich dachte, ich kann in Deutschland nicht wurzeln - aber weil ich jetzt unterwegs bin mit der Musik, brauche ich nicht noch mehr Abenteuer."

Lilly Among Clouds, Sonntag, 19. November, 20 Uhr, Feierwerk, Hansastraße 39

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