Pop:Father John Misty

Father John Misty
(Foto: Pias/dpa)

Es gibt schon einige Popsongs zum Ernst der Lage. Doch Father John Misty beschreibt ihn mit der Klavier-Ballade "Pure Comedy" am besten.

Von Jens-Christian Rabe

Eine Renaissance des Protest-Pop ist in vollem Gange. Den Überbau hat Klassensprecher Bruce Springsteen auch schon entworfen. In einem Interview, das derzeit als Video durchs Netz wandert, sitzt er bestens gelaunt vor Journalisten auf einem Bühnenrand in Australien und antwortet auf die Frage, was er denn zu den aktuellen politischen Ereignissen in den USA zu sagen habe: "Ich und die E-Street-Band sind jetzt Teil des Neuen Widerstands. Unsere Aufgabe ist aber immer noch die gleiche: Wir beobachten und dann berichten wir." Aus einer guten Maxime aber auch gute Popmusik zu machen, ist natürlich noch einmal etwas ganz anderes. Der Meister selbst arbeitet noch an neuem Material. Andere haben schon vorgelegt. Aber so richtig überzeugend war bislang leider nichts. Weder CocoRosies und Anohnis wüster Zorn in "Smoke 'Em Out" noch der Sarkasmus in "Hallelujah Money" von Damon Albarns Gorillaz und Benjamin Clementine; weder das mantrahafte "I Give You Power" von Arcade Fire und Mavis Staples, das Trump daran erinnern soll, dass er nicht zum Alleinherrscher gewählt wurde, noch das höhnisch-widerborstige "Tiny Hands" von Fiona Apple, in dessen Mittelpunkt die Zeile steht: "We don't want your tiny hands anywhere near our underpants." - Wir wollen deine kleinen Hände nicht in unseren Unterhosen. Irgendwie schien einem das alles noch zu sehr aus der ohnmächtigen Fassungslosigkeit des Moments herausoperiert, um den Populismus mit etwas anderem zu schlagen als seinen eigenen Waffen, die doch niemand so beherrscht wie er. Aber zum Glück gibt es jetzt einen neuen Song von Father John Misty, die elegisch-ernste Klavier-Ballade "Pure Comedy". Es fängt schon bei der ersten Zeile an: "The comedy of man starts like this / Our brains are way too big for our mothers' hips." - Der Spaß beginnt damit, dass unsere Hirne eigentlich zu groß sind für die Hüften unserer Mütter. Allerdings. Und er endet, so viel sei verraten, noch lange nicht bei den Worten: "The only thing that seems to make them feel alive / is the struggle to survive." - Das einzige, was ihnen das Gefühl gibt, lebendig zu sein, ist der Kampf ums Überleben. Pure Comedy. Ein Song, weniger gegen Trump als für uns alle, zum Nachdenken.

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