Pop:Dududu

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In der Mitte der Mitte: der Popmusiker Laith Al-Deen. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

In der Mitte der Mitte: Warum es gar nicht so schlimm ist, dass der Schmusesänger Laith Al-Deen mit seinem neuen, neunten Album "Bleib unterwegs" auf dem ersten Platz der deutschen Album-Charts gelandet ist.

Von Juliane Liebert

"Bleib unterwegs" ist eines jener Alben, die so vorhersehbar sind, dass man beim Hören ständig vergisst, dass Musik läuft und den Impuls unterdrücken muss, Musik anmachen zu wollen. Ein Album, bei dem man dankbar bist, wenn endlich Spotify-Werbung kommt. Mainstream, Radiopop, Kommerz. So jedenfalls lässt sich der Tenor der Kritik zu Laith Al-Deens neuntem Album zusammenfassen, das seit Freitag auf dem ersten Platz der deutschen Albumcharts steht. Aber man darf es sich nicht zu einfach machen mit dem Massengeschmack. Näher betrachtet wirft die Platte eine Frage auf, von der manch ein Avantgarde-Musiker nur fieberträumen kann.

Laith Al-Deen bewegt sich in der Mitte der Mitte, jenem gut besiedelten Jedermannsland, in dem die Streicher streichen und das Klavier klimpert, in dem selbst die Trauer weichgespült ist, der Hass nur leichte Verärgerung ist und die einzige Obsession Gefallsucht. Mit anderen Worten: Die Musik ist so perfekt konstruiert und die Texte sind derart generisch, dass sich die Frage stellt: Würde man sie durch ein Textanalyse-Programm jagen und aus den häufigsten Worten wiederum einen neuen Laith-Al-Deen-Song generieren, den supergenerischen Meta-Laith-Al-Deen-Song - würde der zu einem Ohrwurmloch mutieren, einer Art popmusikalischem Gleichförmigkeitstunnel, der den deutschen Mainstream-Pop für immer in sich einsaugen und dadurch obsolet machen würde?

Gesagt, getan. Die Wortanalyse, Füllwörter abgezogen, sagt: "Bleib unterwegs" enthält unter anderem 57 Mal Du, 42 Mal Ich, 12 Mal Feuer, 10 Mal Welt, 13 Mal fehlst, 7 Mal Liebe, 7 Mal Ende, 7 Mal Egal. Ziemlich selbstlos im Vergleich zu, sagen wir, etwa Ich + Ichs Erstlingsalbum: Da gab's 125 Mal Ich, nur 77 Mal Du, viel Licht, Leben und gleich 10 Mal Schmerz. Dass die Deutschen ihr Geld gern für ironiefreien Befindlichkeitspop ausgeben, ist bekannt, aber warum hält sich gerade der schlimmste Ich-Du-Liebe-Leben-Feuer-Pop so beharrlich ganz oben? Je härter die Zeiten, desto schmieriger die Kunst? Tja. Geht man jedenfalls den einen, den letzten Schritt weiter und bildet das Mittel aus allen verfügbaren Laith-Al-Deen-Texten, dann hat man den supergenerischen Übergenesesong. Er hieße "Nicht ich und du" und ginge so: "Es sind nicht ich und du / Es ist der Tag, das Feuer der Zeit / was dir im Herzen brennt / dort irgendwo in der Welt /Nanana dududu" (STREICHER!)

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© SZ vom 29.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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