Mit Popfestivals ist es ja so: Man hört irgendwann von Freunden, dass es im Sommer Orte gibt, an denen tausende Musikfans weit abseits des schnöden Alltags tagelang zelten, trinken und Musik hören. Das muss das Paradies sein, denkt man, packt seine Sachen und fährt los.
Ein paar Tage später findet man sich dann in leichtem Nieselregen schlammverkrustet mit einer mittelschweren Lebensmittelvergiftung auf einer zertrampelten Wiese wieder, hat alle Konzerte verpasst, hält sich dafür aber für die Wiedergeburt von Elvis. In einer der rumgereichten Evian-Flaschen war wohl doch kein Evian gewesen. Während man langsam zu sich kommt, denkt man: Das war gut, aber ich werde es nie wieder tun.
Dann kommt der Herbst. Der Winter. Das Frühjahr. Und der nächste Sommer. Freunde wollen auf Festival XY, Zelten, Trinken, Musik, Sonne und so weiter: Komm doch mit! Das ist das Paradies, denkt man, leiht sich ein Zelt und fährt los. Cheryl Dunns Bildband "Festivals are good" ( Standard Press, New York 2015. 128 Seiten, 40 Dollar) handelt genau davon. Die amerikanische Fotografin ist über 20 Jahre durch Amerika gereist und hat Festivals und seine Besucher porträtiert. Eine neue Idee ist das nicht, aber ein sehr liebevoll ausgeführter Versuch. Dunn, die nicht nur Fotografin, sondern auch Regisseurin ist, zeigt Festivalbesucher und -szenen in Schwarz-Weiß und Farbe.
Und beim Durchblättern der Bilder von tanzenden und herumstehenden Körpern, von verzerrten und frohen Gesichtern, von Staub und Nacht und dem unvermeidlichen Morgen danach, wird man das Gefühl nicht los, dass es eigentlich nicht 60 000 Festivals gibt, sondern nur ein einziges sehr, sehr langes. Begonnen hat es einst, als ein namenloser Jugendlicher zum ersten Mal sein Zelt packte und losfuhr - und sich danach vornahm, so etwas auf gar keinen Fall jemals wieder zu tun.