Neues Album von Snoop Dogg:Milder König

Snoop Doggy Dogg

Snoop Doggy Dogg ist wieder da: Mit seinem Album "Bush" schlägt der US-Rapper neue Töne an - und wirkt gleichzeitig so, als sei er alt geworden.

(Foto: DPA)

Niemand rappt so lässig-gelangweilt wie Snoop Dogg. Jetzt gibt's ein neues Album - und die Antwort der Frage, wie lange man der lässigste gelangweilte Typ der Welt sein kann.

Von Alard von Kittlitz

Über zwanzig Jahre ist es schon wieder her, dass der amerikanische Rapper Calvin Cordozar Broadus, Jr. alias Snoop Dogg 1993 mit seinem Debüt "Doggystyle" berühmt wurde. Damit muss es losgehen, weil der Name Snoop Dogg immer mit diesem Album verbunden bleiben sollte. Es klingt bis heute so dick und rund, so witzig und heftig wie am ersten Tag. Die Produktion von Dr. Dre bringt die Unterlippe vor Dankbarkeit noch immer zum Zittern, die Gast-Rapper sind fein, und alle überflügelt dann mit seiner unnachahmlich gelangweilten Lässigkeit der Meister selbst. Daz, Kurupt, Lady of Rage rappten einem Tränen des Glücks in die Augen, aber in dem Moment, in dem der "D-O-double-Gizzle", wie er sich selbst gern nennt, auftauchte, da waren sie vergessen.

Es ist, als sähe man nun die wahre Reinheit seiner Seele

Snoop Dogg, diese komische, damals gerade 19 Jahre alte Bohnenstange, war ein Typ, der vor bekiffter Entspanntheit nur so strotzte, einem aber zugleich Angst machte, weil in all der Gelassenheit die Drohung lauerte, dass da einer auch ganz schnell gar keinen Spaß mehr verstünde (tatsächlich stand der Mann ja mal wegen Mordes vor dem Richter). "Doggystyle" machte das Lebensgefühl der harten Jungs aus Compton und Long Beach zum feuchten Traum der Teenager von Bottrop bis Shibuya. Und Snoop Dogg zum Frühvollendeten, zum Rimbaud des Rap. Lange kam nie mehr wieder etwas von ihm auch nur annähernd an dieses Debüt heran.

Es dauerte bis 2004, bis zum nächsten echten Lichtblick. Mit Hilfe von Pharrell Williams, dem R'n'B-Produzenten der Stunde, gelang ihm der Nummer-Eins-Hit "Drop It Like It's Hot", zu dessen avantgardistisch-minimalistischer Beatspur, die zu großen Teilen aus Zungenschnalzen bestand, nichts besser passte, als Snoop Doggs souveräne Lässigkeit.

An Alternative View Of The SXSW Film-Interactive-Music Festival

Ohne Ingrimm: Snoop Dogg im März in Austin während seiner Rede auf dem SXSW-Festival.

(Foto: Michael Buckner/AFP)

Danach wurde er zum Guru-Hund, ab und an besucht von jungen Talenten, auf deren Produktionen er dann als Ehrengast rappte, was ihn zwar im Gespräch hielt, aber doch vor allem zum Denkmal machte. Sein Ruhm hatte ihn zu Lebzeiten überlebt.

Ein paar eigene Songs und Alben gab's natürlich auch immer. Gerne angelegt als Bildungsreisen des gut situierten Pop-Pensionärs. Als Snoopzilla etwa entstand eine Funkplatte, als Snoop Lion ein Reggae-Album und mit dem Country-Rap-Song "My Medicine" sogar ein kleiner Scherz. Aber mehr als passabel war das alles nicht.

Soundsause aus Funk, Soul und Disco

Und jetzt?

Jetzt soll mit dem neuen Album "Bush" noch einmal der große Wurf gelingen. Als Produzent musste es deshalb nicht zuletzt wieder Pharrell Williams richten, der alte Freund und Retter, der als Daft-Punk-Sänger bei "Get Lucky" und mit seinem Überhit "Happy" im vergangenen Jahr ja selbst endgültig zum Superstar avancierte. Theoretisch war diese Besetzung natürlich zwingend, womöglich aber auch etwas zu naheliegend. Hat es etwas geholfen?

Nun, Snoop Dogg singt auf "Bush" nette kleine Melodien über eine hübsche Soundsause aus Funk, Soul und Disco. Aber die wurden für den Mainstream-Pop schon im vergangenen Sommer von Pharrell und Daft Punk wiederentdeckt, weshalb Snoop jetzt irgendwie alt aussieht. Andererseits ist Hip-Hop - etwas zugespitzt gesagt - natürlich schlicht die Fortsetzung von Soul und Funk unter der Bedingung der Crack-Epidemie in den Schwarzen-Ghettos gewesen, also eine Kunst aus noch härteren Zeiten, in denen extreme Armut und Vereinzelung herrschte. Snoop Dogg erinnerte sich in einem Interview zuletzt tatsächlich daran, wie er im Wohnzimmer als Kind zur GAP Band im Radio getanzt habe, einer populären Funk- und Soul-Band der Siebziger. Schon auf den ersten Sekunden auf "Doggystyle" saß Snoop Dogg mit einer Frau in der Badewanne, die ihn fragte, welche Musik sie auflegen solle, woraufhin er sich Curtis Mayfield wünschte. Die Samples im Hip-Hop sind so oft aus diesen goldenen Zeiten, die Rapper feiern sozusagen ständig ihre Kindheit.

Wieso also sollte der gute alte Snoop jetzt nicht eine Platte machen, auf der er sich an einer 2015er-Version der alten Musik versucht?

Jetzt singt Snoop Dogg erschreckend ernsthaft

Ganz einfach: Er wurde mit einem außergewöhnlichen Rap-Talent gesegnet, ein Sänger ist er nicht. Er hat zwar immer schon kleine Melodien gesungen, aber das waren eher Späßchen. Jetzt singt er erschreckend ernsthaft. Man stelle sich vor, was sein inzwischen verstorbener Kumpel Nate Dogg zu diesem schmerzhaft weichgespülten Computerfunk gesungen hätte, oder Big Shasta. Es wäre viel besser gewesen. Snoop Dogg hingegen wirkt auf dem Album wie einer Hobbyjauler, der unter der Dusche eine Arie aus Rigoletto singt. Der Jauler liebt die Musik, bestimmt, aber seine Version ist nur für ihn selbst schön.

Wobei das doch zu rigoros klingt, denn alle, die geholfen haben, sind Könner, kein Zweifel. Und Snoop Dogg ist noch immer kein Idiot, er klingt auch gar nicht schlecht. Gemessen an seinen eigenen Maßstäben aber eben auch nicht überragend. Anders gesagt: Es könnte gut sein, dass vom neuen Album auf den Grillpartys des Sommers ständig "Peaches And Cream" läuft oder auf der Tanzfläche "Edibles" und "Run Away". "I'm Ya Dogg" mit Kendrick Lamar ist auch gelungen. Und der wahrscheinlich beste Song der Platte, "California Roll", auf dem Stevie Wonder fabelhaft Mundharmonika spielt, ist ein Song, der einem die ganze heiße Palmenpracht Südkaliforniens vor die Nase zaubert.

Und trotzdem hat man Ende den Eindruck, dass der Mann ziemlich alt geworden ist. Äußerlich haben ihm die Jahre natürlich längst nicht nur geschadet. Er sieht freundlicher aus, der ganze Ingrimm ist weg. Es ist, als sähe man endlich die wahre Reinheit seiner milden Seele. Aber seine Musik klingt eben nur noch so, als komme sie aus dem Hobbykeller, wenn auch aus einem immens teuren. Sie strahlt keine Dringlichkeit mehr aus. Die souveräne Lässigkeit ist von der Pose zur Haltung geworden. Schön für ihn, schade für uns.

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