Pop:Der Blues ist wohlauf

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Buddy Guy, 81, Gitarrengott - von ihm haben einst Jimi Hendrix und die Stones gelernt. Sein neues Album ist zwar nicht so toll, aber ein guter Anlass, ihn mal wieder neu zu entdecken.

Von  Jens-Christian Rabe

Der Titel des neuen Albums des 81-jährigen amerikanischen Bluesgitarristen und Sängers Buddy Guy klingt in diesen Tagen, in denen die Rolling Stones, die berühmteste Blues-Band des Planeten, mal wieder weltweit Stadien füllen, seltsam defensiv: "The Blues Is Alive And Well" (RCA/Sony), dem Blues geht's gut. Für sein Alter geht es ihm eigentlich sogar bestens, zumal die Stones bei kaum einer Gelegenheit vergessen zu erwähnen, wem sie ihre Musik zu verdanken haben. Ihr womöglich sogar letztes, im vergangenen Dezember erschienenes Studioalbum "Blue & Lonesome" war ein reines Chicago-Blues-Cover-Album, eine tiefe Verneigung vor ihrer zentralen Inspiration.

Je länger man nun den Titel des neuen Buddy-Guy-Albums zwischen den Ohren hin und her rollt, umso deutlicher wird allerdings auch seine Doppeldeutigkeit in unserer wüsten Gegenwart, in der ja ein guter Teil des zivilisatorischen Fortschritts der vergangenen 70 Jahre wieder auf dem Spiel steht. Ja, damn right, Gründe für Schwermut gibt es natürlich mal wieder mehr als genug.

Die Musik selbst ist dann leider diesmal eine Enttäuschung. Vollkommen leblos, bestenfalls tot. Und wäre Buddy Guy irgendein Epigone, wäre das auch nicht weiter der Rede wert. Sogar in den USA wird in den Musik-Clubs, die an den Rändern aller mittelgroßen Städte neben gesichtslosen Highway-Motels liegen, die schönste Musik Abend für Abend von der Hausband professionell zu Tode glasiert. Aber Buddy Guy ist eben kein Epigone. Buddy Guy ist nicht mal irgendein leidlich legendärer alter Blues-Held. Buddy Guy ist der Mann, den Jimi Hendrix imitierte. Und er ist der Kerl, über den Eric Clapton einmal sagte, dass er, Buddy Guy, für ihn das gewesen sei, was für andere Elvis gewesen sei. Der Urgrund. Der Anfang von allem.

Als Gitarrist ist Buddy Guy die - bis heute oft unterschätzte - zentrale Figur zwischen dem rauen elektrischen Chicago Blues von Willie Dixon, Muddy Waters und Howlin' Wolf (die Guy zu Beginn seiner Karriere nach Kräften förderten) und der von jungen britischen Blues-Enthusiasten ausgehenden Rock-Revolution. Buddy Guy ist der Geburtshelfer der Musik, die Hendrix, Clapton und die Rolling Stones in den Sechzigern als Popmusik für ein weißes Massenpublikum aus dem Blues entwickelten. Es gibt bis heute keinen bedeutenden Rockgitarren-König der Sechziger und Siebziger, der nicht irgendwann einmal demütig gestanden hat, dass es ihn ohne Buddy Guy eigentlich nicht gäbe: Jeff Beck, Jimmy Page, Stevie Ray Vaughan.

Die Songs, an denen sie sich orientierten, waren natürlich nicht seine, das waren die der Väter und Vorväter aus dem Süden der USA. Aber die Art, wie Buddy Guy E-Gitarre spielte, die energische Virtuosen-Show, die er daraus machte, das Solo-Spektakel, das war in dieser gekonnten Wucht und Konsequenz neu und folgenreich. Die Tricks und aggressive Eleganz, die Hendrix schließlich zur Ikone machten - Soli mit der Gitarre hinter dem Kopf, mit den Zähnen, oder nur mit der Griffhand -, die hatte er sich bei Buddy Guy abgeguckt, bevor er sie auf die Spitze trieb. Man kann bei Hendrix-Aufnahmen bis in den Anschlag der Saiten hinein Buddy Guy heraushören, den Hendrix ebenfalls nie verleugnete.

Daneben war Guy auch ein charismatischer Blues-Sänger in der Folk-Tradition des Genres, was ihn nur noch verehrungswürdiger machte bei seinen britischen Verehrern, die ja weniger der gefälligere urbane Blues von Leroy Carr oder Bobby Bland faszinierte, der damals die Popmusik des schwarzen Amerikas war, als der viel weniger populäre und primitivere Country-Blues aus dem ländlichen Süden rund um das Mississippi-Delta.

Hört man auf dem neuen Album genauer hin, verblüfft, wie frisch und kraftvoll der Sänger Buddy Guy noch immer klingt. Und anders als so manche jüngere Kollegen hat er auch an der Gitarre seinen Ton noch immer eindrucksvoll im Griff. Im Ganzen ist das Album, auf dem übrigens Keith Richards, Jeff Beck und Mick Jagger (an der Mundharmonika) unauffällige Gastauftritte haben, letztlich aber doch leider nur ein matter Abglanz alter Heldentaten wie "First Time I Met The Blues" oder "Stone Crazy". Auch weil der Effekt virtuoser Solo-Exzesse mit der E-Gitarre doch schon etwas länger verbraucht scheint.

Wie das letzte Rolling-Stones-Album ist auch "The Blues Is Alive And Well" so eher eine guter Anlass, das brillante Alte aus den Sechziger und Siebzigern mal wieder neu zu entdecken. Und für die nächste Buddy-Guy-Platte wünscht man sich einen Neo-Blues-Produzenten wie Jack White oder Dan Auerbach, der dem Meister ein paar wirklich gute neue Songs schreiben und den Sound drumherum unerschrocken fachgerecht verrumpeln kann.

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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