"La Brass Banda":Boarische Backpacker auf Welttour

Labrassbanda

Die Band "La Brass Banda" in Auckland.

(Foto: Labrassbanda)

Von Vietnam über Brasilien nach Marokko: Den Titel ihres Albums "Around The World" haben "La Brass Banda" wörtlich genommen. Ein Reisebericht.

Von Michael Zirnstein

In 40 Tagen um die Welt - das ist selbst für die Hochgeschwindigkeits-Blaskapelle La Brass Banda eine Herausforderung. Bei ihrer Tour durch 14 Städte in zehn Ländern auf allen Kontinenten zum bereits vorher aufgenommenen Album "Around The World" blieb nicht viel Zeit zum Sightseeing und Andenken kaufen. Zumal die Bayern in fast jeder Verschnaufpause für ihre große Feier zum Zehnjährigen in der Olympiahalle übten. Am Ende sind die sieben Musiker erschöpft, aber glücklich - und alle Wunschziele abgehakt. Ein Reisebericht.

10.-12. Januar, Ho-Chi-Minh, Vietnam

Von minus 20 Grad in München auf schwüle 25 plus in Ho-Chi-Minh-Stadt. Man probiert exotische Spezialitäten wie Long Tail Snales, die die Band an männliche Genitalien erinnern. Aufbruchstimmung. "Man saugt alles auf, alles bricht ungeschützt auf einen ein", sagt der Bassist Fabian Jungreithmayr. Henning vom Goethe-Institut hilft beim Eingewöhnen. Er führt die Bayern in ein Wohnviertel, das für eine U-Bahn plattgemacht wird. "Das ist anders als in Haidhausen, wo es erst mal zehn Jahre Bürgerentscheid gibt," sagt Jungreithmayr. Das erste Konzert der Tour steigt in der "3 A Kulturzone", einer Seitengasse mit Kunstläden. Das Goethe-Institut hat Freikarten verteilt. Die Einheimischen drängen herein, sind beim Konzert zunächst gerührt und werden immer ausgelassener.

13.-15. Januar, Hongkong

Es geht hinab. Der Club Hidden Agenda liegt versteckt hinter einer Autowerkstatt in der Tiefgarage eines 60-stöckigen Wolkenkratzers. Die Band öffnet die Tür und steht in einem riesigen Lokal. Der Besitzer Stevie O. trägt eine Heavy-Metal-Kutte. Er hat sein ganzes Vermögen investiert. "Keine Ahnung, wie das funktioniert, aber es ist einer der angesagtesten Live-Läden der Stadt", sagt Schlagzeuger Manu da Coll. Viele Chinesen sind gekommen, sehen zum ersten Mal eine Blaskapelle wie La Brass Banda - die Band blickt in strahlende Gesichter. Der Fremdenführer der Band sorgt sich um die Zukunft Hongkongs, China werde die freie Kulturszene einstampfen.

16.-18. Januar, Tokio, Japan

Geburtstag! Die Band lädt ihren Posaunisten Manu Winbeck ins Monster-Café ein, einen Ort, an dem junge Japaner ihre Fantasien ausleben. Im Alltag kontrolliert, verwandeln sie sich hier in knallbunte Manga-Figuren. Es gibt eine Regenbogentorte mit "Sahne und anderen Nähstoffen" für "Wimbe", wie darauf steht. Die Band spielt nicht im Café, sondern im Ausländer-Viertel Ropongi. Viele Zuschauer kommen nicht, aber die Band freundet sich mit dem Besitzer der Bühne an, der ein buntes Programm von Free-Jazz bis "erotischen Mathematik-Abenden" macht.

19.-21. Januar, Sidney, Australien

Den "krassesten" Unterschied zwischen Idee und Wirklichkeit erlebt Stefan Dettl in Sidney, das er sich viel englischer, amerikanischer vorgestellt hat, nicht so wild. Auch die Vorstellung, wie Australien klingt (im Stück "Australien" auf dem Album etwas klischeehaft mit Didgeridoo), korrigiert er schnell. Das Konzert findet in einem Profi-Club statt, der genauso in London oder Stockholm stehen könnte.

22.-24. Januar, Wellington, Neuseeland

Ein Freund des Bassisten hat die Band vorbereitet: "Die Kiwis werdet ihr lieben, die sind total crazy." Das bestätigt sich. Beim "Birdman Festival" verkleiden sich Einheimische als Vögel, rennen über eine Planke, springen ins Hafenbecken und hoffen darauf, eines Tages zu fliegen. Trotz des Spektakels erregt auch die Band Aufsehen. 1000 Menschen bleiben beim Freiluft-Gig stehen. Das geplante Jammen mit Dub-Musikern von Fat Freddy's Drop fällt ins Wasser, da die selber im Tourstress sind. "Kein Dub, nur boarische Backpacker", so Dettl. Spontane Sessions gibt es aber. Ein Taxifahrer stimmt "Mackie Messer" an, Dettl zückt die Trompete und begleitet ihn.

28. Januar bis 1. Februar, Hawaii

Stefan Dettl hat sich Hawaii mehr "meerig" vorgestellt, aber das Meer war "bedrohlich". "Wenn du mehr als 20 Meter weit reingehst, bist du tot", weiß er. Auch die einheimischen Surfer sind den Fremden feindlich gesinnt. Manu da Coll trollt sich nach Waikikii, dort sind die kniehohen Wellen den Locals zu langweilig. Er schafft es ein Mal, kurz auf dem Surfbrett zu stehen. Vom arg urbanen Honolulu sind die Chiemgauer etwas enttäuscht. Aber das Downbeat Diner ist der aus Musikersicht beste Club der Welttour: perfekte Anlage, perfekter Techniker und Raum für 100 Gäste, die auf einer Projektion über der Band verfolgen können, was auf der Bühne passiert.

2.-3. Februar, San Francisco, USA

Die Überseer landen in Übersee. Im Revolution Café kann sich die Veranstalterin nicht daran erinnern, La Brass Banda gebucht zu haben. Sieben Deutsche bauen sich vor ihr auf, fragen nach Schlagzeug und Bass. "Normalerweise bringen die Bands das selber mit", sagt sie. "Ja, aber wir reisen halt mit leichtem Gepäck um die Welt", antworten die Musiker und improvisieren ein Sitzkonzert, da Coll trommelt auf den Koffern von Snare und Bass Drum. La Brass Banda sind um 17 Uhr dran, Familien mit Kindern hören eher nebenbei zu, die Hipster hier scheinen musikalisch gesättigt zu sein.

"Das vergisst du nie, wie die da aufgehen"

4.-6. Februar, Houston, USA

Stefan Dettl ist Super-Bowl-Fan. Einmal wollte er das Football-Finale so erleben wie die Amerikaner. Eine Ausnahmesituation in den USA - doch Polizei und Freiwillige sind hilfsbereit. Karten für die Arena bekommen die Musiker dennoch keine, sie feiern in einer Sportsbar. "Das vergisst du nie, wie die da aufgehen", sagt Dettl, "die Kontrahenten nebeneinander, der eine tröstet den anderen, kurz vor Schluss dreht sich das Spiel und dann nimmt wieder der andere den einen in den Arm." Der geplante Auftritt für eine Brauerei kommt nicht zustande. Aber La Brass Banda spielen auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums und stören die Fernsehteams, die hier ihre Berichte zum Spiel drehen wollen.

7.-8. Februar, Mexiko Stadt, Mexiko

Höhentraining für die Bläser. Auf 3000 Metern bleibt Stefan Dettl die Luft weg. "Nachmittags beim Soundcheck - eine Katastrophe, kurz vor dem Herzinfarkt, machtlos und kraftlos." Mit Adrenalin im Blut geht es dann beim Konzert. Dennoch geben sie nach einer Stunde auf. Unterstützung ist da: Von allen Seiten strömen Schaulustige auf das Foro Lindbergh im Parque Mexico, mexikanische Trompeter kommen dazu, Sänger trällern mit. Die Vorband hat einen Flöte spielenden Hip-Hopper. "Quasi ein Gangster-Querflötist," sagt Stefan Dettl. Dem Fotografen Sebastian Riepp wird die Kamera geraubt.

9.-10. Februar, Rio de Janeiro, Brasilien

La Brass Banda begeben sich nach Santa Teresa, das sicherste Viertel - und werden tagsüber prompt wieder ausgeraubt. Ein Dieb nimmt ihnen die gerade neu gekaufte Fotokamera ab. Ansonsten ist Rio ergiebig: Die Brassband trifft sich mit der berühmten Sambagruppe Academicos do Salgueiro. "Die fassen den Rhythmus anders auf als wir", sagt Drummer da Coll, "aber die grooven brutal." Kontrastprogramm am nächsten Abend: Ein Bossa-Nova-Gitarrist bringt ihnen einen seiner Songs bei und führt ihn mit ihnen in einer Bar auf.

11.-12. Februar, Fortaleza, Brasilien

Im Sherlock's Pub läuft Hard Rock, ein Pearl-Jam-Poster wird an die Wand gepinnt. Die Banda passt sich an und spielt nur Vollgas-Nummern wie "Inter Mailand". Eine 88 Jahre alte Frau hopst auf die Bühne und tanzt. Sie hat den Sound von ihrer Wohnung aus gehört, hat sich schick gemacht und ist ins Pub gekommen. Auch andere Gäste verblüffen die Band: Sie tragen selbst bedruckte Shirts mit dem Foto von La Brass Banda. "Gut besucht, ein richtig ranzliger Irish-Pub", erzählt da Coll, "das ist für einen Musiker das Schönste, was es gibt, weil die Leute dort die Musik lieben."

13.-14. Februar, Lissabon, Portugal

La Brass Banda fühlen sich an ihre erste anarchistische Tour nach London vor zehn Jahren erinnert: Sie spielen in einem besetzten Haus, einem siffigen Altbau. Nackte Drähte ragen aus Steckdosen. Der Bassist spürt Strom in den Fingern, wenn er die Stahlsaiten berührt. Er bittet den Haustechniker um Hilfe. Der legt ihm eine Gummimatte hin und sagt: Stell dich einfach da drauf. Niemand kommt zu Schaden.

15.-17. Februar, Marrakesch, Marokko

Der Flughafen von Marrakesch ist nagelneu, die Taxis aber sind Strichachter-Mercedesse von 1972. Für zwölf Leute, voll beladen mit Gepäck und Tuba-Kiste, sollen zwei Autos reichen. Am Abend nach der Ankunft streift die Band durch die Innenstadt, ein einziger Basar. Man erfreut sich an den kunstvoll gravierten Servierplatten. Manu da Coll denkt an seine Snaredrum aus Kupfer, die mit um die Welt geflogen ist. "Wäre das nicht geil, die tätowieren zu lassen mit dem Around-The-World-Logo?" An die gewölbte Trommel wagt sich niemand heran, aber da Coll bekommt eine gravierte Plakette aus Bronze, die alle für eine Gürtelschnalle halten. La Brass Banda spielen ein Lied mitten auf dem Markt, dann überlassen sie den einheimischen Musikern das Terrain. Im Hotel jammen sie eine Nacht lang in der Lobby mit zwei bulgarischen Jazzmusikern, die sonst für die Abendunterhaltung Stevie-Wonder-Stücke spielen und am Ende ihrer dreimonatigen Saison stehen. Auch La Brass Banda sind am Ende ihrer Reise angelangt.

La Brass Banda, Sa., 4. März, 20 Uhr, Olympiahalle

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