Politisches Jugendbuch:Die Produktion des Lebens

Blick ins Buch

Wolfgang Korn skizziert einen Mann von Genie und Energie: Karl Marx.

Von Fritz Göttler

"Niemals habe ich einen Menschen gesehen von so verletzender, unerträglicher Arroganz des Auftretens", bemerkt Carl Schurz über Karl Marx. "Jeden, der ihm widersprach, behandelte er mit kaum verhüllter Verachtung." Carl Schurz war revolutionärer Studentenführer, als er mit Marx zusammentraf, wanderte dann aus und wurde Innenminister der USA.

Nein, es war nicht leicht, mit Karl Marx auszukommen, er hatte viel um die Ohren, und das Marx-Buch von Wolfgang Korn spürt all seinen Verzettelungen nach. Es war eine Zeit aus den Fugen, das 19. Jahrhundert, nach dem Sieg Europas über Napoleon, als man eine Rückkehr zu den alten, vornapoleonischen Zuständen anstrebte, der neue Gedanke des Nationalismus immer stärker wurde, die Bewegung der Restauration auf diverse Revolutionen traf - aber waren es wirklich Revolutionen, fragte Marx. Die Industrialisierung brachte die neue Klasse des Proletariats hervor, die ihre Arbeitskraft verkaufen musste, sie sollte die ersehnte kommunistische Revolution bringen. Marx war engagiert in diesem Kampf, in Arbeitervereinen und Parteien, über progressive Zeitschriften, er suchte Zuflucht in Paris, später in London, sein Name tauchte auf Steckbriefen auf.

Und er musste eine Familie versorgen, dabei stand seine Frau Jenny ihm tapfer zur Seite, später auch Friedrich Engels, Fabrikantensohn aus England - Marx selber, heißt es, habe nie eine Fabrik von innen gesehen. Es wurde eine großartige Männerfreundschaft, gemeinsam verfassten sie 1848 das berühmte Kommunistische Manifest. Zwei bürgerliche Intellektuelle, die die Gesetze des Geschichtsverlaufs studierten, und wie sie zu beeinflussen wären. Marx exzerpierte unermüdlich Klassik und Moderne. Sein dreibändiges Werk "Das Kapital" war nicht nur eine radikale ökonomische Studie, sondern "der vergebliche Versuch, eine Art Enzyklopädie zu schaffen".

Ein solches revolutionäres Leben kann man nicht auf eine strenge Linie bringen, nur seine Versatzstücke zusammenfügen, und die Sätze, die immer wieder zitiert werden. "Religion ist das Opium des Volkes" oder "Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus" oder "Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt". Die Produktion seines ganzen Lebens ist es, um die es Marx geht. Oft hat man das Gefühl, bei ihm geht alles vom Ursprung her, das macht seine Texte so einfach und so profund. Man muss gar nicht Kommunist sein, um sie zu lieben.

Noch ein Blick auf Marx, von Wilhelm Stieber, dem obersten politischen Spion Preußens, der auf Marx angesetzt war (und, wenn der nichts Subversives "lieferte", auch mal Fake News für seinen Auftraggeber produzierte): "Man sieht ihm übrigens auf den ersten Blick den Mann von Genie und Energie an.

Wolfgang Korn: Karl Marx. Ein radikaler Denker. Hanser Verlag, München 2018.256 Seiten, 19 Euro.

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