Politische Kunst:Verletzt

Der ehemalige amerikanische Präsident George W. Bush versucht sich als Maler und porträtiert ausgerechnet die Versehrten seiner eigenen Kriege.

Wenn die Knochen nicht mehr so recht wollen, dann bleiben Mountainbike und Golftasche immer häufiger mal in der Garage. Weil man es sich am Klavier gemütlich macht oder vor der Staffelei. Man nennt das Hobby, es bedeutet: Muss sich kein anderer mit beschäftigen, solange es dem alten Herrn die freie Zeit vertreibt. So verhielt es sich mit George W. Bush, Rentner, der freimütig zugab, nie zur Sekte der "Kunstgläubigen" gezählt zu haben, dennoch vor einigen Jahren mit dem Malen begann. Das ist jetzt anders. Bush veröffentlicht den Bildband "Portraits of Courage: A Commander in Chief's Tribute to America's Warriors" in dem die Porträts von insgesamt 98 Veteranen versammelt sind, die physisch oder mental verwundet aus Afghanistan und dem Irak heimkehrten. Ein Kritiker des Magazins The New Yorker konstatiert schon mal, dass sich der Stil "drastisch verbessert" habe, seit der verstörenden Bilder eines Nackten im Bad, die man vor einigen Jahren zu sehen bekam. Offensichtlich hat ein Kunstlehrer ganze Arbeit geleistet. Obwohl nicht anzunehmen ist, dass Bush sich mit Kunstgeschichte oder Namen wie Marlene Dumas oder Lucian Freud abgeplagt hat, ist sein Stil ungelenk, aber zeitgenössisch; aufgelockerte Malweise, leuchtendes Kolorit und konzeptueller Ansatz. Man muss an dieser Stelle kurz an Steve McQueen erinnern, der für die britische Royal Mail einst einen Satz Briefmarken entwarf, auf denen im Irak gefallene Soldaten abgebildet sein sollten. Ein zutiefst demokratisches Stück Trauerarbeit, das ganze Land wäre einbezogen gewesen. Anders das Konzept von George W. Bush, der an den Abbildungsteil ein Kapitel anhängt, in dem von der Genesung der Versehrten erzählt wird, denen er mit seiner Stiftung "Military Service Initiative" geholfen habe. Künstlerisch ein Ansatz, der Kritiker zum Zynismus zwingt. Denn man kommt nicht umhin zu bemerken, dass der Künstler, damit diese stringente Reihe zustande kommen konnte, erst Kriege angezettelt hat, dann seine Modelle in Einsätze geschickt hat, um sie - nachdem sie als Versehrte zurückkehrten - in die Serie aufzunehmen.

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