Politik und Kunst:Es geht um Trumps Gemächt

Von Facebook wurde er verbannt, nun ist der fiktive Akt des amerikanischen Präsidentschaftsanwärters in einer Galerie zu sehen. Ein Skandal?

Von Peter Richter

In Amerika wurde er von Facebook verbannt, dafür ist er jetzt in London zu sehen, in der Maddox Gallery im feinen Mayfair: Donald Trump nackt, und zwar "full frontal", wie man auf beiden Seiten des Ozeans in so einem Fall sagt. Also richtig nackt, im Sinne von: Das Geschlechtsteil wird gezeigt. Mehr oder weniger jedenfalls. Deswegen ist die Sache ja überhaupt so ein Thema geworden. Eine Million Pfund verlangt die Galerie für das Werk der nicht wirklich weltberühmten Künstlerin Illma Gore.

Ziemlich viel Geld dafür, dass ziemlich wenig von dem zu sehen ist, worum es im Kern natürlich geht: Trumps Gemächt. Ungefähr einen Monat ist das jetzt her, dass das allen Ernstes zum Gegenstand des Vorwahlkampfes in den USA geworden ist und öffentlich im Fernsehen diskutiert wurde. Marco Rubio hatte auf die kleinen Hände seines Konkurrenten angespielt und Rückschlüsse auf andere Körperteile insinuiert, Trump wiederum hatte keine Hemmungen, darauf einzugehen: In seiner Hose sei alles bester Ordnung.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Gore, eine 24 Jahre alte Australierin, die in Los Angeles lebt, ihr fiktives Aktporträt von Trump allerdings wohl schon fertig. "Make America Great Again" hat sie es, natürlich, genannt, und auf ihrer Facebook-Seite der Welt präsentiert, wo es allerdings gelöscht wurde, weil man auf Facebook keine Geschlechtsteile zeigen darf, auch keine winzigen.

In der Antike waren Mikropenisse Proportionsideal

Es wäre schön, wenn man das alles einfach als neuen Tiefpunkt einer politischen Kultur abtun könnte, in der die Republikaner ihren Präsidentschaftskandidaten demnächst vermutlich durch Weitpinkeln ermitteln werden. Aber es wäre nicht ganz korrekt. Dem politischen Gegner die Virilität abzusprechen, ist keine völlig neue Erfindung. Wenn eine Künstlerin das tut, die sich als feministisch versteht, wird es verwickelter. Und wenn man ihrem Bild die Ehre antun wollte, es in kunsthistorischen Traditionen zu betrachten, dann dreht sich die Sache gewissermaßen sogar um.

Bei den Helden- und Götterfiguren der griechischen Antike waren Mikropenisse, wie man weiß, keineswegs Schmähung, sondern Proportionsideal. Und ein ähnlich erschlaffter Männerkörper begegnet einem bei Velázquez zum Beispiel durchaus auch als entwaffneter, kriegsmüder Mars, was zumindest mit dem isolationistischen Kurs korrespondieren würde, den Trump für seine Außenpolitik angekündigt hat (nachdem er den IS fertiggemacht hat, versteht sich). Jedenfalls: Das wirklich Bestürzende ist, dass Illma Gores Krawallbild gar nicht so wahnsinnig aus der Reihe der offiziösen Präsidentenporträts herausstechen würde, die die Washingtoner National Portrait Gallery versammelt.

Das ist nämlich eine derartige Ansammlung von Säulen, Kaminen, Pseudo-Zeptern und barocken Machtdraperien, dass es praktisch kaum noch einen Unterschied macht, wenn da ein Präsidentschaftsanwärter als mythologische Nacktfigur gegeben wird. Und wenn da Hosen getragen werden, heißt das noch lange nicht, dass es nicht trotzdem unter die sogenannte Gürtellinie gehen würde. Aufsehen hat letztes Jahr Nelson Shanks erregt, als er mitteilte, dass sein Porträt von Bill Clinton einen Hinweis auf dessen Affäre mit Monica Lewinsky beinhalte. Deren als Beweisstück berühmt gewordenes blaues Kleid werfe da einen Schatten auf den Kamin, an dem der Präsident lehnt. Penetranter, wenn man das in diesem Fall mal so formulieren darf, wirkt, dass dieser währenddessen schon mal das Sakko zurückgeschlagen hat und mit gleich zwei Fingern auf die Stelle zeigt, wo im Ernstfall die Hose zu öffnen wäre, während er mit der anderen Hand eine zusammengerollte Zeitung aus der Hüfte baumeln lässt. Eigentlich ist das noch schlimmer als der nackte Trump.

Gibt es keine künstlerisch wertvolleren Beispiele? Doch: das von Präsident Frank Underwood. Ende Februar wurde ein Porträt des Schauspielers Kevin Spacey von dem Briten Jonathan Yeo in die National Portrait Gallery gehängt. Das war ein Werbegag für die Serie "House of Cards". Von dem unseriösesten Präsidenten, den Amerika nie hatte, gibt es dadurch jetzt das seriöseste Porträt im ganzen Museum.

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