Pleite der Annie Leibowitz:Die Verblendung der Fotografin

Fataler Pakt mit Art Capital: Der Fotografin Annie Leibovitz droht die Pleite. Ein Kredit über 24 Millionen Dollar wird fällig.

Jörg Häntzschel

Annie Leibovitz ist so berüchtigt für ihren sorglosen Umgang mit Geld, dass ihr American Express jahrelang die Kreditkarte verweigerte, obwohl sie für die Firma eine der erfolgreichsten Werbekampagnen der letzten Jahrzehnte aufnahm. Jetzt steuert die bekannteste, einflussreichste - und reichste - Fotografin der Gegenwart offenbar hilflos einer tragischen Pleite entgegen. Wenn Leibovitz bis zu diesem Dienstag nicht den Kredit von 24 Millionen Dollar zurückzahlt, den ihr die Firma Art Capital letztes Jahr gewährte, verliert sie nicht nur ihre zwei Häuser, sondern auch die Rechte an ihrem Lebenswerk.

Leibovitz wandte sich aus blanker Not an die Firma in der Madison Avenue. Reguläre Kredite, unter anderem von ihrem Arbeitgeber Condé Nast, wurden fällig. Dazu kommen Steuerschulden und unbezahlte Rechnungen in Höhe von zwei Millionen Dollar. Der Deal mit Art Capital brachte nur kurzfristige Erleichterung.

Ästhetischer Gegenpol zu den Schnappschüssen der Paparazzi

Leibovitz' Bilder, die den Porträts der Mächtigen früherer Jahrhunderte näher kommen als alles andere Zeitgenössische, stellen den ästhetischen Gegenpol dar zu den Schnappschüssen der Paparazzi. Möglich sind diese heroischen Inszenierungen dank gigantischer Produktionsbudgets und eines berüchtigten Perfektionismus. Leibovitz lässt es regnen und schneien, mietet Hubschrauber und Zirkuselefanten. Bei Vanity Fair raufte man sich die Haare - und zahlte.

Ihr Problem war, dass sie ihr Leben ebenso dramatisch wie perfekt zu inszenieren suchte wie ihre Fotostrecken. Sie kaufte alle paar Jahre eine neue Immobilie in New York und ließ sie aufwendig renovieren. Eine der beiden, die sie jetzt gegen den Kredit von Art Capital verpfändet hat, ist ihr Landhaus im Hudson-Valley. Die andere ist ihr 900 Quadratmeter großes Haus in Greenwich Village, das sie 2002 für 4,15 Millionen kaufte. Als ihre Arbeiter den Keller ausschachteten, sackte die Mauer der Nachbarn ab. Nach einem Prozess, der sie 15 Millionen Dollar kostete, kaufte sie auch deren Haus.

Vanity Fair zahlt ihr zwei Millionen Dollar pro Jahr. Ihr Tagessatz für kommerzielle Aufträge soll über 100 000 Dollar betragen. Viel Geld also, aber nicht genug für all die Assistenten, für Koch, Gärtner, Yogalehrer und Nanny. Es ist, als sei sie der Verführungskraft ihrer eigenen Bilder erlegen.

Art Capital und Getty Images jeweils als Leibovitz "exlusiver" Agent

Als Leibovitz ihren fatalen Pakt mit Art Capital schloss, entging ihr eine wichtige Einzelheit. Art Capital fungiere für die Laufzeit des Kredits und für zwei Jahre nach dessen Rückzahlung als Leibovitz' exklusiver Agent, heißt es im Vertrag. Art Capital handle damit die Honorare mit allen Auftraggebern außer Vanity Fair aus, und kassiert jeweils eine Kommission.

Leibovitz, die sagt, sie habe von dieser Klausel nichts gewusst, hat indes einen Exklusivvertrag mit Getty Images abgeschlossen. Sie hat nun bis 1. Oktober Zeit, auf die Klage zu antworten, die Art Capital daraufhin einreichte. Doch an der Frist für die Kreditrückzahlung ändert dies nichts. In New York fragt man sich, warum sie nicht einfach ihre Immobilien verkaufte, die schließlich weit mehr wert seien als ihre Schulden.

Dass Art Capital wirklich auf der pünktlichen Rückzahlung besteht, gilt jedoch als unwahrscheinlich. Dann nämlich könnte sie Gläubigerschutz beantragen wie Millionen bankrotter Amerikaner. Eher werden die Anwälte von Art Capital nun jede ihrer geschäftlichen Entscheidungen überwachen und sie, so ein Experte für Bankrottverfahren, zur Sparsamkeit zwingen.

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