Ausstellung:Im Lenbachhaus ist der perfekte Sound zu hören

playback room

Das einzige, was es bei der Installation "Playback Room" des Fotografen Wolfgang Tillmans zu sehen gibt, ist eine High-End-Stereoanlage.

(Foto: oh)

Nirgendwo klingt Musik reiner als in modernen, teuer ausgestatteten Studios. Aber wer kommt da schon rein? Die Installation "Playback-Room" von Wolfgang Tillmans ist eine Alternative.

Von Rita Argauer

Wolfgang Tillmans weiß genau, wie diese Sound-Anlage, und damit sein Projekt am besten überzeugen kann. Fast ungeduldig beantwortet er bei der Vorstellung seines "Playback Rooms" die Fragen, was denn Popmusik-Hören mit Bildender Kunst zu tun habe, oder wie man sich dieser Installation nähern könnte. Und drückt dann schnell auf "Play".

Als dann endlich New Orders "The Beach" (das ist die Instrumentalversion des New-Wave-Klassikers "Blue Monday") durch den Georg-Knorr-Saal im Lenbachhaus schallt, als die Snare-Drum aberwitzig klar aus den Boxen schnalzt und der Bass warm und rollend den Beat auffüllt, beantworten sich viele Fragen von selbst: Denn derart mitreißend, unmittelbar überzeugend und trotzdem transparent bekommt man Popmusik fast nie zu Gehör.

Dennoch ist in diesem "Playback Room", der nun im Lenbachhaus eingerichtet ist, nichts, was man gemeinhin in einer Galerie für Bildende Kunst verorten würde. Auch findet sich dort nichts, was in erster Linie mit dem Fotografen Wolfgang Tillmans zusammengebracht werden könnte.

Denn es gibt hier ganz einfach keine Kunst zu sehen; abgesehen von der technischen Kunstfertigkeit, die es braucht, eine derartige Stereoanlage, wie sie hier steht, herzustellen. "Es ist eine Ausstellung zum Hören", wie es der Direktor des Lenbachhauses, Matthias Mühling, ausdrückt.

Astreine Popmusik anstatt experimenteller Klangkunst

Und auch wenn das Museum of Modern Art in New York mit Barbara London eine eigene Kuratorin für Sound hat und der Klang mit der Installationskunst längst Einzug in die Museen und Galerien gehalten hat, ist dieses Projekt in Deutschlands Kunstlandschaft doch ungewöhnlich.

Denn anstatt experimenteller Klangkunst oder etwa Geräuschuntermalung zu Tillmans Bildern ertönt dort ausschließlich astreine Popmusik in allerbester Studioqualität.

Tillmans hatte diesen "Playback Room" zuvor schon in London und in Berlin installiert. Viel braucht es neben der Musik dafür nicht, außer der High-End-Stereoanlage der Münchner Firma Westend Audio Systems, die aber inklusive der Verkabelung und der Boxen satte 75 000 Euro Wert ist.

Zwei Playlists - also digitale Listen von Songs - hat Tillmans dafür zusammen gestellt. Subjektiv geht die erste unter dem Titel "To Know When To Stop" den Weg Tillmans eigener Sozialisation mit Pop-Musik: Von Pink Floyds "Welcome to the Machine" von 1975 über besagten New Order-Klassiker von 1983 zu den Eurythmics. Mit Fuse erreicht die chronologisch geordnete Liste schließlich die Neunzigerjahre, um mit Missy Elliot, Justin Timberlake und Frank Ocean in der Gegenwart anzukommen.

Eine Stunde und 50 Minuten dauert die Klangreise, die dort nun in Dauerschleife laufen wird, bis sie am 19. März von einer zweiten Liste, die sich ausschließlich der britischen Underdog-Band Colourbox widmet, abgelöst wird.

Der Gefühlscharme des Hingerissenen

"Das ist meine eigene gelebte Kunsterfahrung", erklärt Tillmans. Als er bereits als Junge Chagalls Fenster im Münster Zürich das erste Mal gesehen habe, hätte er hingerissen weinen müssen. Eine ganz ähnliche Empfindung habe Pink Floyds "Wish You Were Here" bei ihm ausgelöst: "Die Erfahrung von Hochkunst und Popkunst fand bei mir gleichzeitig statt", sagt er. Er differenziere da nicht.

Den "Playback Room" stellt er deshalb auch mit dem Gefühlscharme des Hingerissenen vor; für die kunsthistorische Einordnung ist Museumsdirektor Mühling verantwortlich: Und der sucht zwar in Sätzen wie "Adorno sagte, die Schallplatte funktioniere wie ein Fotoalbum" oder "Das erste Tonstudio wurde im gleichen Jahr eingerichtet, in dem auch die Röntgenstrahlen entdeckt wurden und das erste Kino eröffnet wurde, all das hat die Menschen medial verändert", den Bezug zur hochkulturellen Rezeption und Einordnung - doch spätestens mit dem Abspielen des New Order-Songs überwiegt die Affirmation dieses Sounds.

Doch es liegt tatsächlich mehr darunter als einfach nur extrem gut klingende Musik. Tillmans geht es auch um eine Kunstform, die tatsächlich seltenst in ihrer formalen Stärke wahrgenommen wird: die Studiomusik.

Seit es eben besagte Tonstudios gibt, hat sich die Musik, und eben vor allem ihre Reproduktion, aufgeteilt. Einerseits gibt es weiterhin die Partituren, die in Stille geschrieben und live von Interpreten zum Klingen gebracht werden.

Und andererseits gibt es seitdem Musik, die im Studio unter besonderen Bedingungen und mit spezifischen Klängen produziert wird, damit sie letztlich an beliebigen Orten genauso reproduziert werden kann.

Jede Musikanlage klingt anders

Und darin liegt die Crux: Denn jede Musikanlage klingt anders. Man kennt das im Extremfall des Autoradios, dort werden manche Frequenzen einfach geschluckt, ein Song kann mitunter, darauf abgespielt, völlig anders klingen als auf der heimischen Stereoanlage.

Wie ein Song aber in einem Tonstudio klingt, das bekommt der normale Konsument so gut wie nie zu hören. Denn derartige Boxen und Verstärker hat man normalerweise nicht im Wohnzimmer stehen.

Dafür jetzt aber im Lenbachhaus. Denn für Tillmans ist der "Playback Room" auch eine Art Demokratisierung dieser Klangerfahrungen, die sonst meist ausschließlich Profi-Musikern und Produzenten vorbehalten sind. Das zeigt sich besonders in den "Bring your Own!"-Nächten.

Denn wer nun nicht nur Tillmans eigene musikalische Sozialisation in dieser fein geschliffenen und brutal drückenden Qualität hören möchte, kann am 26. Februar sowie am 18. März und am 8. April, jeweils um 19 Uhr, eigene Musik ins Lenbachhaus tragen und dort über diese kleinen Wunderboxen abspielen.

Die stehen da, hinter einer Absperrung, tatsächlich recht unscheinbar: Zwei hohe, schmale Boxentürme und ein Verstärker mit acht hübsch glühenden Röhren im blauleuchtenden Retro-Ufo-Design. Der Musik verleihen sie aber tatsächlich eine hinreißende und selten erlebte Präsenz.

Playback Room, Dienstag, 16. Februar bis Sonntag, 25. April, Städtische Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, Eintritt frei

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