Plattenkabinett:Kitschiger Weltverbesserer

Neil Young

Am besten klingt Neil Young nicht auf dem neuen Album, sondern auf der Bonus-CD.

(Foto: AP)

Neil Young hat den Soundtrack für den nächsten Disney-Film geschrieben. Was wie ein schlechter Scherz scheint, ist leider nicht so weit hergeholt. Denn sein neues Album "Storytone" klingt zum Teil genau so. Neues im Plattenkabinett.

Von Felix Reek

Erst ist da nur ein verhalltes Klavier. Dann kommt diese hohe zerbrechliche, ja weinerliche Stimme. Das kann nur eines heißen: Neil Young hat ein neues Album veröffentlicht. Solo, nur er und wahlweise Gitarre, Klavier oder Ukulele. Und es ist ganz wunderbar.

Zur scheppernden Gitarre singt er in "Who's gonna stand up?": "Wer wird sich erheben und die Erde retten? Wer wird gegen die Maschinerie kämpfen?" Die Antwort ist klar: "Du und ich". Es gibt wohl nur wenige Musiker, denen man solch eine plakative Botschaft abnimmt. Und die direkt im nächsten Song zur E-Gitarre fordern: "Ich will mein Auto fahren!"

Von Stillstand kann man auch nicht im Privatleben von Young sprechen. Nach 36 Jahren trennte er sich von seiner Ehefrau und scheint bereits eine Neue gefunden zu haben. Glaubt man der US-Klatschpresse, ist es Schauspielerin Daryl Hannah. Für sie gibt es auf "Storytone" einige zarte Liebeslieder. Etwa die Pianoballade "I'm Glad I Found You", in der Young mit zerbrechlicher Stimme singt: "Ich bin froh, dass ich dich in dieser verrückten Welt gefunden habe." Da verdrückt selbst der härteste Anhänger der Gitarrenrückkopplungen und Endlossoli des Kanadiers mit seiner Band "Crazy Horse" eine Träne.

Das wäre alles ganz vortrefflich, gäbe es nicht ein Problem: Diese zehn Songs, bestehend aus Mann und Instrument, sind nicht Neil Youngs neues Album, sondern nur die Bonus-CD der "Deluxe"-Version von "Storytone". Das eigentliche Werk spielte der 69-Jährige abwechselnd mit einem 92-köpfigen Orchester und einer Big Band ein. "Plastic Flowers" klingt so auf einmal wie der Titelsong eines Disney-Films. "I Wanna Drive My Car" im Big-Band-Gewand wird zum, Entschuldigung, Altherrenrock. Als bei "Who's Gonna Stand Up" nach der Hälfte des Songs ein Chor einsetzt, will man sofort ausschalten.

Natürlich muss man Neil Young hoch anrechnen, dass er nach so vielen Jahrzehnten in der Musikbranche noch immer Neues ausprobiert. Alterskollegen wie die Rolling Stones und AC/DC gehen da eher auf Nummer sicher. Leider ist keine der pompösen Versionen besser als die reduzierten Gegenstücke - und das hätte bei der Auswahl entscheidend sein müssen. Den Fans bleibt jedoch eine einfache Möglichkeit: das Album ignorieren und die Bonus-CD einlegen.

Wenn das Album eine Software wäre, dann wäre es eine zum ... schönfärben. Zum Beispiel Photoshop.

Wäre das Album ein Schauspieler, dann wäre es... Matthew McConaughey, aber vor True Detective.

Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann wäre der Film... Disneys "Mulan".

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Mono - "The Last Dawn/Rays Of Darkness"

Wenn es darum geht, musikalisch aufzubauen, zu steigern und dann irgendwann den Sturm zu ernten, kommt wohl niemand an den Japanern Mono vorbei. Die letzten fünfzehn Jahre verließ sich das Quartett auf die Unterstützung ganzer Orchester, auf den neuen Alben "The Last Dawn" und "Rays Of Darkness", die gleichzeitig erscheinen, ist es wieder hauptsächlich die Band selbst.

Das führt dazu, dass Mono wesentlich konzentrierter zu Werke gehen. Die Band versteht die Doppelveröffentlichung als Ying und Yang der eigenen Musik, auf der einen Seite die melodische und schwermütige Variante, auf der anderen die deutlich lautere. Doch so sehr unterscheiden sich beide Alben gar nicht voneinander. Songs wie "Kanata" zentrieren sich um eine verlorene Klaviermelodie, bis das Stück scheinbar halbfertig verebbt. Bei "Surrender" schält sich nach knapp sechs Minuten eine melancholische Trompete aus dem Lärmgewitter.

Das Schema bleibt meist gleich. Der Klang wird voller und voller, bis er ausbricht und sich dann verliert, irgendwo zwischen verregnetem Herbsttag und den unendlichen Weiten des Weltraums. Im sogenannten Postrock-Umfeld, zu denen die Japaner zählen, ist das die Messlatte. Mit wenig Mitteln viel Stimmung schaffen.

Das gelingt ohne Zweifel. Mono, das ist die ganz große Dramatik. So perfekt können das eigentlich nur die Genre-Kollegen Mogwai. Gesang gibt es zwischen diesen flirrenden Gitarren, schwebenden Klaviermelodien nicht, nur einmal bricht in "The Hand That Holds The Truth" das heisere Gebrüll des japanischen Kollegens Tetsu Fukugawa von Envy hindurch, doch es stört kaum das Gesamtbild. Davor und danach gibt es einfach nur viel Wohlklang, Melancholie und Epik, passend zur Jahreszeit. Oder wie es bei "Game Of Thrones" so schön heißt: Winter is coming.

Wenn das Album eine Software wäre, dann wäre es eine zum ... Klang restaurieren.

Wäre das Album ein Schauspieler, dann wäre es... Ken Watanabe in "Godzilla".

Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann wäre der Film... "Godzilla".

The Budos Band - Burnt Offering

Es gibt heute nur noch wenige Plattenlabel, die für einen bestimmten Sound stehen. "Daptone Records" aus Brooklyn, New York, ist so eines. 2002 gegründet, ist es der Gralshüter des authentischen Souls und Funks der 60er und 70er Jahre. Sharon Jones & The Dap Kings sind hier beheimatet, ebenso wie der grandiose Charles Bradley. Mark Ronson, der Kopf hinter dem Erfolgsalbum "Back To Black" der verstorbenen Amy Winehouse, nahm jenes Album im Studio des Labels auf. Für den authentischen Klang sorgte die Hausband der Plattenfirma, die Dap Kings. Was immer auf dem Label der beiden Gründer Gabriel Roth and Neal Sugarman erscheint, lässt sich unbedenklich kaufen.

"The Budos Band" verkörpern die psychedelische Seite der New Yorker. Die Instrumentalband stammt eigentlich aus dem Punk und schweren Rock der 70er, hat sich aber zu einer lupenreinen Funk-Band entwickelt, sie selbst nennen es "Afro-Soul". Ronson war so begeistert von der neunköpfigen Formation, dass er sie für seinen 33. Geburtstag nach London einfliegen ließ. Er wollte diesen "imaginären Tarantino-Soundtrack" unbedingt live erleben.

Der Vergleich zu dem Regisseur fasst ziemlich gut zusammen, wofür "The Budos Band" steht. Man sollte sich von dem "Herr der Ringe"-Cover und dem Horrorfilm-Intro des ersten Stücks "Into The Fog" nicht täuschen lassen: Hier könnte jeder Song auch auf dem "Jackie Brown"-Soundtrack vertreten sein. Der Klang ist dabei so authentisch, dass zu den Originalen aus diesen Jahrzehnten kaum ein Unterschied auszumachen ist.

In "The Stitch" wimmert die Orgel, als wäre es ein "Shaft"-Soundtrack, der nie veröffentlicht wurde, in "Aphasia" schieben sich Fuzz-Klänge nach vorne. "Burnt Offering" klingt nach dem Intro eines Science-Fiction-Films, in "Black Hills" wetteifern Bläser und Gitarren.

"Magus Mouintain" schließlich ist ein Groove-Monster, in dem erst der Bass den Ton angibt, dann die Trompete und zum Schluss das Schlagzeug. Wer da nicht mit dem Fuß oder gleich dem ganzen Bein mitwippt, der ist entweder taub oder rhythmusresistent. Gesang vermisst man in den 40 Minuten kaum. Dazu ist "The Budos Band" zu vielseitig und verspielt. Wie immer bei Daptone Records kann man sich also auch diesmal wieder sicher sein: Was hier erscheint, lässt sich unbedenklich kaufen.

Wenn das Album eine Software wäre, dann wäre es ... keine Software. In der Zeit, in der "The Budos Band" leben, musste man sich um Computer noch keine großen Gedanken machen.

Wäre das Album ein Schauspieler, dann wäre es... Richard Roundtree.

Wenn das Album der Soundtrack zu einem Film wäre, dann wäre der Film... "Shaft". You're damn right.

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