Pinakotheken:Glanz und Elend

Lesezeit: 4 min

Ein gemeinsames Logo für die "Pinakotheken" und "Bayerische Staatsgemäldesammlungen". (Foto: N/A)

Bernhard Maaz stellt das prächtige Programm der Pinakotheken für die Zukunft vor - und findet überraschend deutliche Worte über personelle Miseren in den Staatsgemäldesammlungen

Von Susanne Hermanski

Anselm Kiefer kommt, Andy Warhol kehrt zurück, Paul Klee blüht auf und sogar Leonardo Da Vinci ist schon am Horizont zu erkennen. Zudem ist viel geschafft worden in den zurückliegenden Monaten von den Mitarbeitern der Staatlichen Gemäldesammlungen: Eine Gast-Ausstellung in Los Angeles hat dafür gesorgt, dass man sogar in Hollywood etwas vom Kunstschatz mitbekam, der an der Isar schlummert, die Datenbank mit allen Kunstwerken ist online gegangen. Man konnte sich bedeutende Schenkungen sichern. Und es gibt jetzt sogar ein brandneues Logo, das ganz modern die "Corporate Identity" der guten alten Sammlungen schärfen soll. Der guten Nachrichten sind also mannigfach, die Bernhard Maaz, der Generaldirektor, bei seiner Jahrespressekonferenz über all diesen Glanz verkünden kann. Bemerkenswert ist unterdessen: Er verschweigt auch das - weit kleinere, und eben doch vorhandene - Elend nicht. Vor allem in dem Vorwort, das er für den offiziellen Jahresbericht der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen geschrieben hat, schlägt er ungewöhnlich klare Töne an über Finanznöte und die damit einhergehenden Personalprobleme in seinen Häusern.

Das Glück mit Klee

Ein Höhepunkt des Ausstellungsjahres 2018 soll die erste große Sonderausstellung zum Werk von Paul Klee in der Pinakothek der Moderne werden. Sie trägt den Titel "Konstruktion des Geheimnisses" und wird den wertvollen - und jüngst um den verwegen sexuell konnotierten "Pastor Kohl" erweiterten - Münchner Klee-Bestand erstmals mit etwa 100 Leihgaben aus Sammlungen in Europa und Übersee präsentieren. Im Mittelpunkt stehen die 1920er Jahre, in denen sich Klee mit den neuen Herausforderungen des Menschen in einer technisierten Moderne und den Konsequenzen für das Schaffen des Künstlers auseinandersetzt. Als Meister am Bauhaus strebte Klee damals schon nach "einer Balance von Verstand und Gefühl, von Konstruktion und Intuition". Na, wenn das heute keine hochaktuelle Problematik mehr ist. (1. März bis 10. Juni 2018)

Türkisch, nicht tückisch

Als sich die Verantwortlichen in der Pinakothek der Moderne zur ersten Kooperation mit der Istanbul Biennale entschlossen, war noch nicht absehbar, wie brisant sich das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei weiterentwickelt. Die Ausstellung "A Good Neighbour", die zum Jahreswechsel 2017/18 geplant ist, wird auf jeden Fall hochspannend sein. Zum Konzept der Schau heißt es schließlich: "Alte Verbindungen lösen sich auf, neue Allianzen entstehen, der Wert von friedlicher Koexistenz steht auf dem Prüfstand." Das dänisch-norwegische Künstlerduo Elmgreen & Dragset hat internationale Kollegen dazu eingeladen, "Vorstellungen von guter Nachbarschaft und den Umgang mit Eigenem und Fremdem" zu beleuchten. (15. Dezember bis 1. April 2018)

Geburt der Wiedergeburt

Wenn am 18. Oktober "Florenz und seine Maler: von Giotto bis Leonardo da Vinci" eröffnet, kommt zwar nicht die Mona Lisa zu Besuch, aber es gibt was zu feiern: Der letzte Saal im Obergeschoss ist dann fertig renoviert. Wie weit die Arbeiten im Foyer sein werden, ist unklar. Es soll, wie Maaz sagt, noch besser "in seiner Dignität und dem denkmalschützerischen Rückbau zur Geltung gebracht werden". Dann folgt der zweite Bauabschnitt, in dem der Westflügel wiederhergestellt werden soll. Die Ausstellung widmet sich den bahnbrechenden Neuerungen der Malerei am Geburtsort der Renaissance. Sie zeigt 100 Meisterwerke des 14. und 15. Jahrhunderts. München ist damit reich gesegnet, weil Ludwig I. zu Beginn des 19. spektakuläre Schlüsselwerke der Florentiner Maler für München erwerben konnte. Dazu kommen Leihgaben. (18. Oktober 2018 bis 27. Januar 2019)

Namedropping

Viele große Namen stehen auf der Agenda - die meisten sind dem Engagement Fördererder Pinakothek der Moderne zu verdanken - Anselm Kiefer, dank einer "engen Kooperation" mit der Michael & Eleonore Stoffel Stiftung. Von ihm konnte man drei Werke erwerben, "mit denen ein Meilenstein im Sammlungsausbau gesetzt wurde", sagt Maaz (zu sehen von Juni an). Mit der Ausstellung "Pop Pictures People" ist Andy Warhol zurück im Brandhorst. Warhols Werke werden mit Nachfolgern wie Keith Haring und Jeff Koons (1955) gezeigt. Die Präsentation umfasst rund 60 Warhols, sowie Neuerwerbungen, wie Elaine Sturtevants berühmte Kopie "Warhol Black Marilyn" (2004), die noch nicht gezeigt wurden.

Neues zur Neuen

"Die Planungen für die Renovierung der Neuen Pinakothek laufen auf Hochtouren", sagt der Generaldirektor, dem man das glauben kann, Schließlich liegt sein eigenes Büro in dem Gebäude, auch er wird samt der Verwaltung dort ausziehen müssen. Wohin, bleibt freilich noch ein paar Monate ungewiss. Nur eine Kleinigkeit weiß Maaz schon sicher: "In die oberen Ausstellungsräume der Sammlung Schack, die im vergangenen Jahr mit ihren Tageslichtfenstern sehr gelungen fertig renoviert worden sind, wird man mit manch kleinerem Projekt ausweichen können."

Mut zur Lücke

Seit Donnerstag ist der gesamte Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen online freigeschaltet ( www.sammlung.pinakothek.de). Wer dieses digitale Museum betritt, merkt schnell, warum Maaz in dem Zusammenhang von "Mut" spricht. Die Datenbank offenbart viele Lücken. Zum Beispiel sind viele Werke vor Jahrzehnten fürs Archiv fotografiert worden, also schwarz-weiß und manchmal elend schlecht aufgelöst, weil offenbar nie genug Geld und Manpower vorhanden war, die mehr als 25 000 Arbeiten besser zu dokumentieren. Wer Zeitgenössisches sucht, wird oft enttäuscht. Aus Urheberrechtsgründen musste man entscheiden, nur Werke von Künstlern einzustellen, die mindestens 70 Jahre tot sind. Ein Automatismus gibt täglich frei, was möglich ist. Zudem war der Mut des wissenschaftlichen Personals gefragt, weil nun alle Welt sehen kann, was in den Daten-Fakten steht. Und Leute, die es besser wissen, gibt es überall. Trotzdem waren die Pinakotheken in Zugzwang: die Staatlichen Sammlungen in Berlin und Dresden waren ihnen mit vergleichbaren Online-Datenbanken schon ein paar Jahre voraus.

Finanzielle Nöte

"Nicht zu verschweigen ist, dass angesichts der enormen und weiter rasant steigenden Münchner Lebenshaltungskosten und angesichts der Vollbeschäftigung in der Stadt die Nachbesetzung mancher Stellen mitunter schwer ist", schreibt Maaz im Vorwort seines Jahresberichts 2016. "Die entstehenden Engpässe und der zuweilen extreme Krankenstand erklären auch, weshalb manche drängende Aufgabe zeitweilig nicht fristgemäß erledigt werden kann." Als einen der gravierendsten Mängel nennt er eine fehlende Restauratorenstelle für die fotografischen Objekte. Auch andernorts ist der Bedarf an Mitarbeitern gestiegen. Man denke allein an die nötigen Forschungen zur Restitution und im Kontext des neuen Kulturgutschutzgesetzes.

Alles Logo

Der Unterschied zwischen "Pinakotheken" und "Bayerische Staatsgemäldesammlungen" ist vielen unklar. Die Lösung des Rätsels: Zu den Sammlungen gibt's von Augsburg bis Würzburg noch 13 Zweigmuseen. In München gehören dazu das Brandhorst, die Schackgalerie, die Alte, die Neue und die Pinakothek der Moderne nur mit der Sammlung Moderne Kunst (nicht die übrigen drei Sammlungen). Im Bemühen um mehr Klarheit gibt es jetzt ein gemeinsames Logo. Es verschmilzt in sich ein "P" für Pinakothek und das bayerische "B" in Skandinavisch Blau. Das "P", das nur ein Teil vom Ganzen ist, markiert dabei gewissermaßen eine Kapitulation vorm internationalen Publikum. Denn was nach dem "B" kommt, ist schlicht ein rätselhaftes deutsches Schlangenwort.

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: