Physik-Kabarettisten:Ach, du ödes All!

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"Das Universum ist eine Scheißgegend": Mit diesem Anti-Reiseführer kann man sich sehr gut über seinem Niveau unterhalten: Lehrreiche und vergnügliche Kosmologie aus der Sicht der "Science Busters".

Von Oliver Hochkeppel

Sonne, Mond und Sterne - seit jeher übte das Weltall auf den unerbittlich nach Herkunft wie Zukunft fragenden Menschen eine besondere Faszination aus. Der wohlige Schauer vor dem Unbekannten - Stichwort Aliens - wie das fantastische Ausmalen des zunehmend Bekannten hat spätestens seit dem Raumzeitalter Heerscharen von Autoren, Künstlern und Filmemachern inspiriert und eigene Genre begründet: Fantasy und Science Fiction. Da war es eine Frage der Zeit, bis sich Wissenschaftler als Spaßbremsen fanden, die unsere romantischen Weltraumfantasien auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Das übernehmen nun die Science Busters mit ihrem neuesten Streich unter dem programmatischen Titel "Das Universum ist eine Scheißgegend."

Wobei "Spaßbremsen" genau der falsche Begriff sind. Der Kampf gegen das vor allem an den Schulen nach Kräften am Leben erhaltene Klischee, dass Physik keinen Spaß macht, war ja die Antriebsfeder für Heinz Oberhummer, den emeritierten Professor für theoretische Kern- und Astrophysik an der TU Wien, und seinen jüngeren Kollegen von der Universität Wien, den Experimental- und Neurophysiker Werner Gruber (inzwischen auch Direktor des Planetariums und der Sternwarten Wiens), aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm auf die Kleinkunstbühne des Wiener Rabenhoftheaters hinabzusteigen. Fachlichen Beistand suchten sie sich dafür bei Martin Puntigam, akademisch zwar nur "ehemaliger Medizinstudent und Studienabbrecher der Uni Graz", wie er in seiner Kurzbio schreibt, dafür aber einer der besten und bösesten Satiriker Österreichs.

Science Busters: Das Universum ist eine Scheißgegend. Gelesen von Maria Hofstätter, Heinz Oberhummer, Martin Puntigam und Werner Gruber. Der Hörverlag, Originalverlag Hanser, München 2015, 4 CDs, 308 Minuten, 19,99 Euro. (Foto: universum)

Das Science Busters getaufte Trio begann 2007 mit Radiokolumnen und in einer Bühnenshow, die sonst in Formeln und Fachsprache gehüllten Gesetze des Universums auf den Alltag herunterzubrechen, in immer skurrileren Variationen und Experimenten. Man rechnete die Kalorienzahl beim Jüngsten Gericht aus, stellte das Bermudadreieck im Aquarium nach oder krümmte Licht durch ein im Goldfischglas erzeugtes "Schwarzes Loch"; für ein Programm zum Münchner Oktoberfest grillte Gruber - auch Autor eines physikalischen Kochbuchs - mit zwei Glühbirnen im "Styroporherd" ein Brathendl. All das gewürzt mit schwarzem Humor und aufklärerischem Furor gegen jede Art von Irrationalität von der Homöopathie bis zur Religion. Nicht von ungefähr ist Oberhummer auch Vorsitzender der "Konfessionslosen Österreichs", also gewissermaßen Ober-Atheist und Chef-Skeptiker des Landes.

Dieser so noch nicht da gewesene Infotainment-Schabernack, eine Art Knoff-Hoff-Show für Zyniker, schlug rasch Wellen: Von kleinen Rabenhoftheater ging es in große Hallen, im ORF wurden die drei erst Stammgäste in Alfred Dorfers "Donnerstalk", dann bekamen sie ihre eigene wöchentliche Sendung. Zwei Bücher wurden bereits Bestseller, das nun erschienene dritte "Das Universum ist eine Scheißgegend" kommt wie der Vorgänger als Dreierpack aus Bühnenprogramm, gebundenem Werk (Hanser Verlag) und Hörbuch.

Mit diesem Anti-Reiseführer kann sich jeder über seinem Niveau unterhalten lassen

Zumindest letzteres richtet sich eher an die Hardcore-Fans der Science Busters. Nicht nur, weil logischerweise die Experimente und der bereits bei der unterschiedlichen Physiognomie der drei beginnende Schauwert des Bühnenprogramms und die grafischen Spielereien des Buches fehlen. Sondern auch weil sich sie sich diesmal auf ihr wissenschaftliches Kerngebiet zurückgezogen haben, die Astrophysik. Quasi als Gegenentwurf zu Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis" wird aus "Das Universum ist eine Scheißgegend" ein Anti-Reiseführer, der zwar verblüffende Phänomene, vor allem aber die absolute Lebensfeindlichkeit und unglaubliche Ödnis des Alls drastisch vor Augen führt.

Wahnsinnig lehrreich ist diese Kosmologie auf dem Stand der Forschung allemal, und Puntigams ironischer, mit plastisch-derben Bildern aus dem menschlichen Leben durchzogener Ton macht nach wie vor Laune. Aber im Lauf der vier CDs, bei denen das Sonnensystem erst nach der dritten wirklich verlassen wird, wiederholt sich doch einiges. Und die gewohnten "praktischen Nutzanwendungen" wie etwa, dass man eine Zeitreise von zwei Hundertstelsekunden machen kann, wenn man 30 Jahre bettlägerig im obersten Stockwerk des 800 Meter hohen Burj Khalifa in Dubai verbringt, sind spärlicher gesät als bisher. Kommt dazu, dass die große Schauspielerin Maria Hofstätter ein bisschen zu "gemütlich" liest, jedenfalls weniger mitreißend als früher der selige Harry Rowohlt. Trotzdem: Ab und zu sollte man sich darauf einlassen, über seinem Niveau unterhalten zu werden. Und da gibt es kaum Besseres als "Das Universum ist eine Scheißgegend".

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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