"Halt die Ohren steif", das sagt heute keiner mehr. Aus gutem Grund, denn es wäre ein schlechter Rat in dieser Zeit, da alles, was die Stromlinie stört, mehr Risiken als Chancen birgt. Heute soll man sich gefälligst locker machen und stets "geschmeidig bleiben", mit angelegten Ohren und geöltem Fell durchtauchen unter allen Stürmen.
Standhaftigkeit zu zeigen, sich nicht unterkriegen oder auch nur verbiegen zu lassen, waren Tugenden der Vergangenheit, als es noch etwas galt, "unbequem" zu sein, "streitbar" oder gar "sperrig". Der französische Philosoph Henri Bergson hat früh geahnt, dass die arbeitsteilige Gesellschaft den flexiblen Menschen braucht, nicht den unbeugsamen.
Das Komische sei eine Art Versteifung, schrieb er im Jahre 1900 in seinem Essay "Das Lachen". Mit Grundsätzen und Charakter sei man der Dynamik der Moderne nicht gewachsen und nur noch lächerlich. "Soft skills" nennt man die Kompetenzen, für die Bergson noch kein Wort hatte.
Vorzugsweise werden sie jedoch von jenen propagiert, die sie nicht nötig haben. Der Fußballer, der einen Gegner foult, der Chef, der einen Mitarbeiter entlässt, sie sagen "immer schön geschmeidig bleiben", wenn ihr Opfer protestiert. Wehe, wer sich was anmerken lässt. Selbst zur Ersatzbank oder zum Sozialamt trabe man schön locker und geschmeidig. Alles andere könnte ja wie das Eingeständnis wirken, dass man zu Recht ausgeschieden ist.