Phrasenmäher:Porn

Ob Scienceporn, Mathsporn oder sogar Tentporn (mit Fotos völlig nackter Landschaften) - ohne das Suffix "-porn" geht mittlerweile gar nichts mehr. Woher kommt die Lust, Dinge zwanghaft semantisch aufzusexen?

Von Alex Rühle

Natürlich muss heute jedes Thema ordentlich aufgesext werden. Es geht schließlich um Quote, Klickzahl, Reichweite. Wer über Jahre optisch ansprechende Himmelsbilder sammelt, um dann eine Webseite aufzumachen mit dem Titel www.optischansprechendehimmelsbilder.com, der wird nicht allzu viele Besucher auf seine Seite locken und alleine bleiben mit all den Sonnenuntergängen und Kumuluswolken. Wer dieselbe Sammlung aber sykporn nennt, bei dem gehen die Klickzahlen durch die Decke.

Man scheint einem Gegenstand mittlerweile nur das süffige Suffix "-porn" hinten dranschrauben zu müssen, schon läuft die Seite wie geschmiert. Auf Bookporn zeigen Leute ihre Bücher, auf Carporn tolle Autos und auf Shoeporn völlig durchschnittliche Schuhe aller Art. Foodporn ist natürlich besonders lecker, und Cityporn versammelt die spektakulärsten Stadtansichten.

Scienceporn ist ein Twitteraccount, der Trivia, Anekdoten und Bilder aus der weiten Welt der Wissenschaft versammelt und 1,2 Millionen Follower hat. Es gibt sogar Mathsporn-Seiten beziehungsweise mathematische Formeln, von denen anscheinend eine solche intellektuelle Ausstrahlung ausgeht, dass sie auf Reddit als "hard mathsporn" gelobt werden. Hm. Nutzt sich so was nicht irgendwann ab? Verliert es nicht seinen Reiz? Warum machen die das? Weil sie meinen, dass es einen besonderen Kitzel bringt, wenn man seine Seite semantisch ganz knapp neben den wirklichen Abgründen aufbaut? Apropos Abgründe - gerade noch gefunden: Tentporn. Fotos aus Zelten heraus auf die nackte Landschaft, Fjorde, Schluchten, Wiesen, Hügel.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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