Phrasenmäher:Alles gut

Man will keinen Streit, das wäre nicht zeitgemäß, aber die Unwahrheit darf man als Deutscher natürlich auch nicht sagen. Was tun? Man greift einfach zu "Alles gut!", jener universal einsetzbaren, nur ganz leicht vergifteten Beschwichtigungsformel.

Von Jens-Christian Raabe

Wenn sich deutscher Aufrichtigkeitszwang mit amerikanischer Gewohnheitsverbindlichkeit mischt, dann kommt dabei eine Universalphrase wie "alles gut!" heraus. Also etwas, das das Schlechteste aus beiden Welten vereint: Zwangsverbindlichkeit. Weil für den, der es sagt, in dem Moment tatsächlich selten alles gut ist. Meistens sogar eher nichts: "Wir hatten ausgemacht, dass Du zu unserer Gartenparty einen veganen Quinoa-Salat mitbringst und jetzt stehst Du hier mit einem Drei-Kilo-Ziegel Leberkäse?" - Ja, verzeih, aber ist das nicht auch okay?" - "Nee, nee, alles gut!" Andererseits kann Aufrichtigkeit eine irrsinnig lästige Sache sein und eine kleine Alltagskollision zu einer peinlichen Staatsaffäre aufblasen, und das muss schließlich auch nicht sein. Mit anderen Worten: Die Siebzigerjahre-Antwort "Also, dass Du jetzt hier mit Leberkäse stehst, finde ich wirklich ganz, ganz blöd", ist auch keine Lösung. Sogar Adorno hat in einem Vortrag einmal überraschend die amerikanische Überfreundlichkeit im Alltag, die "Ideologie des Keep Smiling", nicht als böse Verlogenheit, sondern als Akt bewunderungswürdiger Zivilisiertheit gefeiert. Ende gut, alles gut.

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