Münchner Philharmoniker auf Tour:Fotos vom Fuji-San

Münchner Philharmoniker auf Tour: Die Münchner Philharmoniker zeigen auf ihrer Japanreise eine großartige Leistung.

Die Münchner Philharmoniker zeigen auf ihrer Japanreise eine großartige Leistung.

Die Musiker sehen auf ihrer Asien-Reise Japans berühmtesten Berg und steigern ihre Leistung auf Höhen, jenseits allem Erlebten.

Von Egbert Tholl, Nagoya

Im Saal des Aichi Arts Centers weht ein kalter Wind. So kalt, dass man das Gefühl nicht los wird, am linken Ohr hätten sich Eiszapfen gebildet. Im Umgang mit Klimaanlagen in Japan schadet es nicht, beherzt zu sein - das trifft selbst auf Nobuyuki Tsujii zu, der als erste Zugabe die "Campanella" von Liszt wählt, da wird ihm und allen anderen warm, als verstünde sich das bei seinem Spiel nicht von selbst.

Das Schöne auf einer solchen Tournee ist ja, dass man, durch die Wiederholung der Programme an verschiedenen Orten tief in ein Werk hineinversenkt wird und dieses doch immer anders wirkt, auch bedingt durch den Raum, dessen Klang und Klima. Vielleicht rührte Tsujii in Osaka noch mehr, vielleicht liegt das auch nur daran, dass man ihm dort zum ersten Mal begegnet war und er als Solist in Beethovens Fünftem auch als unmittelbarer Segen nach dem koreanischen Nationalgriesgram wirkte. Das ändert aber gar nichts an der Faszination seines berückend klaren und durchdachten Spiels, das Details von Beethovens Werk wie neu hören lässt.

Und stets hat es einen Zauber, wie Tsujii und Valery Gergiev gemeinsam das Podium betreten, wie Vater und Sohn, Vertrauen und Fürsorge vereint in einem menschlich berührenden Moment. Die zweite Zugabe ist der Kopfsatz der "Mondscheinsonate", und allein die zwei allerletzten Akkorde sind von einer völlig staunend machenden Schönheit, wie Samt, weich, warm, doch dezidiert. Großartig.

Es wird an diesem Abend in Nagoya noch ein paar mehr solche Momente geben, obwohl nach der Pause Bruckner kommt, der humorloseste Österreicher, der je komponiert hat. Münchner Philharmoniker und Bruckner, das ist ja eine Beziehung wie der Fujijama und Japan - beides ist für sich allein nicht vorstellbar. Ein Gedanke, der sehr stark damit zusammenhängt, dass die philharmonische Reisetruppe gerade im Zug sitzt und die meisten ihrer Mitglieder in diesem Moment links am Fenster kleben, um ein Foto von Fuji-San zu machen. Stets gilt: kaum eine Tournee ohne Bruckner, da muss man durch. In diesem Fall ist es die vierte Symphonie, die sogenannte "romantische".

Jörg Brückner gehört ins Bett und nicht auf ein Podium

Auch Valery Gergiev weiß, dass er in München an Bruckner nicht vorbeikommt. Und auch, dass die Musiker sehr genau darauf achten, wie er damit umgeht. Das schönste Kompliment danach, von einem Musiker, klingt schlicht und ist doch sehr groß: "Es ist eine Freude, mit ihm diese Sachen zu spielen." Jörg Brückner, der phänomenale Solohornist, wird sich das vielleicht auch gedacht haben zu diesem Zeitpunkt; vor allem war er froh, dass er die Tortur überstanden hat: Er ist erkältet, gehört ins Bett und nicht auf ein zugiges Podium, auch wenn er auf diesem ganz erstaunliche Dinge zustande bringt - gefühlt gibt es in den eineinhalb Stunden der Vierten keine Minute, in der er nichts Abenteuerliches zu tun hat.

Die Vierte ist Gergievs Zweite. Im Januar 2013 dirigierte er in München die siebte Symphonie von Bruckner in München, nun im September erstmals die Vierte. Und die Musiker verfolgen den Werdegang genau, konnten nach Gergievs ersten Bruckner-Versuch noch Möglichkeiten des Fortschritts entdecken. Auch die Nagoya-Vierte mit ihrer musikantischen Güte scheint sie noch glücklicher zu machen als die Aufführung in München;

Gergiev arbeitet sich an diesem Monstrum ab. Er verschiebt Klangklotz auf Klangklotz, geht jede mögliche Wiederholung mit gleichbleibender Frische an. Zehn Minuten braucht er, um den Klang in der basslastigen Halle zu justieren - Blech, Hörner und Pauke müssen mit äußerster Leichtigkeit ans Werk gehen, sonst bleibt in den Tutti-Stellen von den Holzbläsern gar nichts und von den Streichern wenig übrig. Aber eben, nach zehn Minuten passt es. Da erklingt, vor Bruckners allerletztem Holzhackerfinale im vierten Satz, ein Streicherdescrescendo jenseits allen bislang Erlebten.

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