Philharmonisches Orchester:Volltreffer

Regensburg Oper Edgar

Duell im ersten Akt, in einer Pioniersiedlung in der Zukunft: Hinten Yinjia Gong als Edgar, vorne Seymur Karimov als Frank.

(Foto: Jochen Quast)

Puccinis "Edgar"-Urfassung in Regensburg

Von Egbert Tholl, Regensburg

Was wäre gewesen, wenn "Edgar" nicht Puccinis zweite Oper gewesen wäre, sondern nach den großen Erfolgen des Komponisten herausgekommen wäre. Hätte es seine ursprüngliche Form behalten, gefeiert als neues Werk des Star-Komponisten? Wobei: Seine "Butterfly", nach "Tosca" und "Bohème", hatte Puccini auch drei Mal überarbeitet. Wie auch immer, "Edgars" Urfassung von 1889 verschwand bald in der Versenkung, Puccini schraubte emsig an dem Werk herum, eliminierte den vierten Akt. Warum nur, kann man nun nach der Premiere am Theater Regensburg fragen. Es ist die erste szenische Aufführung der Urfassung in Deutschland; deren Partitur wurde erst 2008 wiederentdeckt, kam dann in Turin heraus, in Dortmund danach konzertant.

Man ahnt hier vieles, was Puccini danach eigenständig ausformulierte. In der Regensburger Fassung - eine kritische Ausgabe der Partitur liegt noch nicht vor - endet die Oper mit einer vollkommen verblüffenden Synthese aus "Tosca" und "Bohème", stilles Sterben und Aufschrei. Überhaupt ist für die Musik der letzte Akt essenziell, weil hier Puccini Zeit findet, in der Partitur die Verheerungen in den Figuren zu gestalten. Davor wird viel Handlung flott erzählt, nun atmet die Musik. Allerdings probiert hier Puccini durchweg Sachen aus, die außergewöhnlich sind und sofort mitreißen, auch dank des Philharmonischen Orchesters Regensburg und des Chefdirigenten Tetsuro Ban. Der hat stets ein Händchen für glasklare dramatische Gestaltung, ist selten zimperlich, was der aufregend rohen Musik gut tut. Immer wieder schafft Puccini hier großartige Tableaus, selten indes in sich abgeschlossene Arien. Vielmehr verschmilzt er oft Chor und Solisten zu einem korrespondierenden Gefüge, werden Ensembles eingebettet in den Klangraum des Chors, finden Soloarien ein Echo.

Die Geschichte ist in etwa wie "Carmen", die Zeit der Handlung egal. Edgar liebt Fidelia und erliegt eineinhalb Akte lang dem erotischen Reiz Tigranas. Frank, Fidelias Bruder, liebt ebenfalls die exotische Tigrana. Am Ende sind die Frauen tot und die Männer heulen. So umfassend klangschön der Bariton Seymur Karimov den Frank singt, so engagiert sich der Tenor Yinjia Gong in die Titelpartie schmeißt, so souverän Mario Klein Gualtiero, den Papa der Geschwister, verkörpert - die Frauen dominieren. Vera Egorova-Schönhöfer ist als Tigrana, also in Puccinis größter Mezzo-Partie überhaupt, das dunkle Verlangen, die Gier - und am Ende zerbrechendes Elend. Anikó Bakonyi rührt als Fidelia immer mehr, versinkt im Wahn, brüchig, fragil, fabelhaft. Hendrik Müller macht daraus einen prototypischen Western in vager Zukunft, der mehr als assoziatives Angebot als als homogene Erzählung funktioniert. Aber: Die Figuren hat er im Griff!

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