Phil Collins hört auf:Der Verhasste hat genug

Phil Collins beendet seine Karriere aus einem einfachen Grund: Er war zu erfolgreich. Die Rolle als Musterbeispiel des Ausverkaufs wird ihm wohl bleiben.

Andrian Kreye

Der englische Sänger und Schlagzeuger Phil Collins will sich aus dem Musikgeschäft zurückziehen. Am liebsten würde er eigentlich auch von seiner Rolle als Hassfigur des Pop zurücktreten. Jedenfalls hat er in einem Interview mit dem Herrenmagazin FHM bekanntgegeben, nun sei "ein guter Zeitpunkt, um mit dem Musikmachen aufzuhören". Um sich dann bei all denen zu entschuldigen, die schon lange das Bedürfnis gehabt hätten, ihn "zu erwürgen". Er sehe ein, dass er zu viel Erfolg gehabt habe und seine Musik viel zu viel gespielt werde. Was natürlich einerseits ironisch klingt, aber eigentlich doch ernst gemeint war.

Phil Collins

Phil Collins gab dem Herrenmagazin FHM bekannt, nun sei "ein guter Zeitpunkt, um mit dem Musikmachen aufzuhören". Um sich dann bei all denen zu entschuldigen, die schon lange das Bedürfnis gehabt hätten, ihn "zu erwürgen".

(Foto: AP)

Es ist nicht seine erste Verlautbarung dieser Art. Der 60-jährige Musiker leidet schon seit Jahren an Bandscheiben-, Gehör- und Nervenschäden. Man sollte die Rücktrittsankündigungen von Popstars auch nicht allzu wörtlich nehmen. Barbra Streisand hat schon viel Geld mit mehreren "Abschiedstourneen" verdient. Das mit dem Erfolg und dem Hass auf diesen Erfolg stimmt allerdings.

Mit mehr als 150 Millionen verkauften Tonträgern gehört Phil Collins einerseits in die Riege der erfolgreichsten Popstars aller Zeiten. Andererseits steht er symbolisch für einen Pop, der sich dem Massengeschmack anbiedert. Das hat aus Phil Collins eine Antifigur für all jene gemacht, die in der rebellischen Vergangenheit des Pop den identitätsstiftenden Trost finden, dass man sich auch in bürgerlichen Verhältnissen mit dem richtigen Musikgeschmack ein Mindestmaß an Individualität erhalten kann.

Diese Rolle bekam 1995 sogar literarische Weihen. Da stellte der britische Schriftsteller Nick Hornby die These ins Zentrum seines Pop-Romans High Fidelity, dass man mit Leuten, die Phil Collins gut finden, als vernünftiger Mensch nichts zu tun haben sollte.

Betrachtet man Collins Karriere, erkennt man schnell den roten Faden des vermeintlichen Verrats am Pop. 1970 meldete er sich auf eine Stellenanzeige der Band Genesis und bekam dort den Job als Schlagzeuger. Die Band spielte jene Sorte Rockmusik, die mit komplizierten Songstrukturen und Theatereinlagen versuchte, den europäischen Kulturbegriff des Bildungsbürgertums mit der damals noch so rüpelhaften Rockmusik zu versöhnen. Fünf Jahre später stieg Genesis-Sänger Peter Gabriel aus. Mangels Nachfolger übernahm Collins den Job. Und führte die Kunstband in die Hitparaden.

Es gab dann noch Ausflüge ins unselige Kunsthandwerk des Jazzrock mit der Band Brand X und einige Rollen in Filmen. Seinen Ruf als Antifigur zementierte er jedoch mit seinen Soloplatten. Da verstand er sich meisterhaft darauf, Pop als reine Unterhaltung zu zelebrieren. Unter den Melodien zum Mitpfeifen, den Rhythmen zum Schunkeln und den stilistischen Klischees verbarg sich zwar immer erstklassiges Handwerk.

Doch gerade weil er den kleinsten gemeinsamen Nenner immer wieder so zielsicher fand, ohne sich auf die Posen des Rock einzulassen, galt er als Musterbeispiel des Ausverkaufs. Die Rolle wird ihm bleiben. Auch wenn sein erster Solohit In the Air Tonight als inoffizielle Hymne der ironischen Achtziger-Jahre-Nostalgie rehabilitiert wurde.

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