Pflanzenfotografie:Schönheit des Absurden

Geschöpf der Natur oder Photoshop-Züchtung? Fotograf Peter von Felbert hat Sonderlinge aus der Pflanzenwelt inszeniert.

Von Ruth Schneeberger

14 Bilder

Bilder Blumen

Quelle: Peter von Felbert

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Wie sieht für Sie eine schöne Pflanze aus? Mit vollen Blättern in knackigem Grün, reichen farbigen Blüten und in voller Pracht? So züchten wir uns die meisten Pflanzen zur Zierde. In Wirklichkeit aber, in unberührter Natur, sehen Pflanzen weniger perfekt aus. Zumindest diese aus den tropischen Regenwäldern, die der Münchner Fotograf Peter von Felbert für seine Serie "Botanik" abgelichtet hat.

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Aber sind Regenwälder und unberührte Natur nicht gerade ein Garant für volle Blütenpracht in allen Farben des Regenbogens und kräftige, saftige Pflanzen? Nicht ganz, beschreibt Autor Martin Rasper in seinem Begleittext zur Ausstellung in der Galerie Wittenbrink in München: "Die tropischen Regenwälder sind eigenartige Lebensräume. Einerseits gelten sie als Hort des Überflusses, der Artenvielfalt, des wild wuchernden, überbordenden Lebens. Andererseits sind diese üppigen Wälder auch Orte des Mangels: Sie besitzen kaum fruchtbaren Boden. Wer hier zurechtkommen will, muss sich etwas einfallen lassen. In keinem anderen Lebensraum werden derart konsequent alle Stockwerke besetzt. So entstehen Biotope, die buchstäblich auf den Bäumen wachsen. Die sogenannten Epiphyten, die Aufsitzerpflanzen, haben sich darauf spezialisiert, hoch oben auf den dicken Ästen der Baumriesen zu siedeln, ohne jemals Kontakt zum Erdboden zu haben."

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Zur Ausstellung in den Fünf Höfen, wo die "Hängenden Gärten" der Düsseldorfer Künstlerin Tita Giese mit ebenfalls exotischem Grünzeug über den Köpfen der Besucher wuchern, hat sich Fotograf Peter von Felbert deshalb diesen botanischen Sonderlingen im Einzelnen gewidmet.

Botanik Ausstellung

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Wir sehen knorrige Äste, auf denen farbenfrohe Knospen wuchern, ...

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... und zarte Lianen, an denen zweifarbige Pflanzen hängen. Aber gibt es diese Fabelwesen wirklich in der unberührten Natur? Oder ist auch dies Zuchtwerk? Beides falsch.

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Peter von Felbert hat seine eigenen Pflanzen erschaffen - allerdings nicht in Wirklichkeit, sondern per Bildbearbeitung. Deshalb wachsen auf den Bildern der "Botanik"-Serie gepunktete Blätter aus Erdknollen ...

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...und rosa Knospen sprießen aus einem Wunderzweig. Warum? Bietet Mutter Natur nicht genügend Pflanzenvielfalt auf diesem Planeten? Doch, und ein paar der gezeigten Pflanzen sind auch völlig echt und so gut wie unbearbeitet. Aber der Fotograf will nicht verraten, welche. Weil es ihm genau darum geht: Dass der Betrachter ins Grübeln darüber kommt, was echt und was falsch ist. Deshalb hat er je zwei bis drei Pflanzen gemixt für ein Bild.

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"Tropische Pflanzen eignen sich besonders gut, um sie zu verändern, weil man sie sowieso nicht gut kennt", erklärt der Fotograf im Interview mit der SZ. "Wenn ich Eiche und Buche gemischt hätte, würden das die meisten gleich merken. Aber Pflanzen, die sowieso unecht aussehen, ins Absurde zu steigern, zum Schrecken jedes Botanikers, das ist weniger offensichtlich." Mit dieser Unsicherheit des Betrachters will er spielen: "Die rund 30 Prozent der echten Pflanzen machen die anderen ein bisschen echter - und die unechten machen die echten ein bisschen unechter. Man fängt an, auf einmal beide zu hinterfragen."

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Das ist das Ziel seiner Fotografie: Gewohnheiten, Gesehenes und Erfahrungen zu hinterfragen - gerade auch in Bezug auf Bilder. "Die Fotografie war vom 19. Jahrhundert an abbildhaft und vermeintlich ehrlich. Gleichzeitig hat sich die Malerei bewusst von den Fotos distanziert und sich die Freiheit genommen, dass sie machen kann, was sie will. Und spätestens mit der Digitalfotografie und den Bildern von Andreas Gursky haben jetzt alle verstanden, dass auch die Fotografie unsicheres Terrain ist", so von Felbert.

Botanik Ausstellung

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Dem Künstler, der sich schon als Schüler von Beuys-Sammler Franz Josef van der Grinten zur Fotografie inspirieren ließ, bei Gottfried Jäger in Bielefeld studiert hat und als freier Fotograf außerdem in den Bereichen Journalismus, Portraits und Werbung arbeitet, geht es aber nicht nur um das Hinterfragen von Bildern. Sondern um einen bestimmten Moment im Leben, den jeder kennt: Den Moment, an dem wir zurückblicken auf ein Ereignis, das wir bis dahin anders eingeschätzt haben. Und unsere Einschätzung danach korrigieren müssen. Wie beim Zerbrechen einer Freundschaft etwa, das sich schon länger angekündigt hat, aber eher im Unterbewussten. Und dass wir diesen Menschen danach mit anderen Augen sehen als vorher. "Da hat vielleicht schon immer etwas nicht gestimmt, aber ich habe das bisher anders wahrgenommen. Diese Unsicherheit, dass ich meiner Wahrnehmung nicht mehr traue, möchte ich ausdrücken", erklärt der Fotograf. Allerdings nicht als tragischen Moment, sondern spielerisch und mit Humor.

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Deshalb sehen wir leicht verdörrte Topfpflanzen an Lianen baumeln ...

Botanik Ausstellung

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... oder Wurzelwerk durch den Raum schweben. Und wissen nicht, wieviel der Künstler am PC nachgeholfen hat - oder gar nicht.

Zierpflanzen wie diese gibt es nämlich auch in unseren Breitengeraden. Da sie wenig Licht brauchen, gedeihen sie auch in kargen Biotopen wie Büros oder Wohnzimmern. Der Gummibaum war lange beliebt und wurde später durch die Grünlinie ersetzt - um einen Hauch Exotik in ansonsten fade Räume zu pflanzen. Peter von Felbert verleiht diesen Schattengewächsen bürgerlicher Spießigkeit ein neues, glamouröseres Leben, indem er die Blattpflanzen, die meist ohne auffällige Blüten auskommen, als kleine Kunstwerke inszeniert.

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Das gerät manchmal absurd, ...

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... und manchmal wünscht man sich, es gäbe diese Kreaturen tatsächlich. In Wirklichkeit aber kann man nie sicher sein, ob die Natur in den Tiefen des Regenwalds nicht noch viel absurdere Versionen wachsen lässt.

Die Bilder sind demnächst wieder in der Galerie Wittenbrink in München zu sehen, weitere Infos hier.

© SZ.de/rus/khil/dd
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