Peter Palitzsch ist tot:Der Rebell in der Chefetage

Der Brecht-Schüler wollte wie sein Meister mit Theater die Welt verändern - schließlich habe das Theater "den verdammten Auftrag", nicht nur zu unterhalten.

Der Regisseur und Intendant Peter Palitzsch ist am Samstag im Alter von 86 Jahren gestorben. Wie das Berliner Ensemble mitteilte, erlag Palitzsch in Havelberg (Sachsen-Anhalt) einem Lungenversagen. Der Brecht-Schüler hatte in der Nachkriegszeit Theatergeschichte geschrieben.

Der Regisseur und Intendant Peter Palitzsch

Die Welt ist zum Verändern da: Regisseur und Intendant Peter Palitzsch.

(Foto: Foto: dpa)

Mit seinem Namen sind großartige Inszenierungen an zahlreichen Bühnen verbunden, allen voran das Berliner Ensemble sowie Theater in Stuttgart und Frankfurt am Main.

Wahrhaft bedeutender Theatermann

Allesamt waren sie vom Geist der Aufklärung und dem Glauben an eine Veränderbarkeit der Gesellschaft geprägt. Der Name Palitzsch stand für ebenso publikumswirksame als auch geistreiche Theaterarbeit.

"Die Brechtsche Maxime, dass das Theater die Welt verändern muss, hat Peter Palitzsch nie aufgegeben", betonte das von Bertolt Brecht begründete und heute von Claus Peymann geleitete Berliner Ensemble.

In seinem Nachruf trauerte es um einen "großen, wahrhaft bedeutenden Theatermann". Theater hatte in Palitzsch' Augen den "verdammten Auftrag", nicht nur zu unterhalten. Erst in seinen letzten Lebensjahren meinte er resigniert, ein "Unvermögen des Theaters, an der Wirklichkeit teilzunehmen" feststellen zu müssen.

Ort der Auseinandersetzung

Palitzsch gehörte zu jenen Theatermachern, die die Fahne des politischen Aufbruchs der rebellischen 68er Jugendrevolte nicht nur auf die Bühne, sondern auch in die Chefetagen der Theater trugen.

Auch er praktizierte das Mitbestimmungsmodell so lange, bis es an der Realität zerbrach. Theater war für ihn jedenfalls immer auch ein Ort der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen.

Das trug ihn nicht nur Freunde ein, wie zum Beispiel am Württembergischen Staatstheater in Stuttgart, wo er die Politiker mit einer Travestie auf den damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson reizte und sich schließlich mit einer provozierenden "Hamlet"- Inszenierung verabschiedete. Dennoch machte er dieses Theater von 1967 bis 1972 zu einer der bedeutendsten Bühnen des Landes, nicht zuletzt auch durch seine von Kritikern als "zeitgemäße Aneignung der Königsdramen" gefeierten Shakespeare-Inszenierungen.

Danach sorgte Palitzsch an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main mit seinem Mitbestimmungsmodell für Furore, als er in einem Dreierdirektorium als Primus inter pares fungierte und als bestimmendes Entscheidungsgremium die Vollversammlung des Ensembles einsetzte. Am Main zählten Brechts "Tage der Commune" (1977), Henrik Ibsens "Baumeister Solness" (1978) und Friedrich Schillers "Don Carlos" (1979) zu seinen besten Inszenierungen.

Konflikte mit der DDR-Politik

Der am 11. September 1918 im schlesischen Deutmannsdorf geborene Palitzsch fing nach einer kaufmännischen Ausbildung und dem Kriegsdienst an der Volksbühne in Dresden als Dramaturg an, bevor ihn Brecht 1948 als Mitarbeiter ans neu gegründete Berliner Ensemble holte. Dort machte er ein Jahr später mit Synges "Playboy of the Western World" erstmals als Regisseur auf sich aufmerksam.

Danach war er in Partnerschaft mit dem späteren BE-Intendanten Manfred Wekwerth für eine Reihe legendärer Inszenierungen verantwortlich wie zum Beispiel Brechts "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" (1959). Nachdem er schon beim Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in Loyalitätskonflikte mit der offiziellen DDR-Politik geriet, siedelte Palitzsch nach dem Mauerbau vom 13. August 1961 in den Westen über.

1991 wurde er auf dem Berliner Theatertreffen mit dem Theaterpreis Berlin für sein jahrzehntelanges Wirken in beiden Teilen Deutschlands geehrt. 1992 kehrte er noch einmal ans BE zurück, wo er für kurze Zeit dem Leitungsteam mit Heiner Müller, Peter Zadek und Fritz Marquardt angehörte, dem aber kein Erfolg beschieden war.

"Wir waren viel zu alt, um noch neugierig aufeinander zu sein", sagte Palitzsch später dazu. In den letzten Jahren inszenierte er unter anderem Strindberg, Tschechow und Pinter in Zürich und Basel. In Düsseldorf irritierte er 1999 mit einer Bühnenarbeit zum 100. Geburtstag von Gustaf Gründgens. Darin stellte Palitzsch noch einmal sein "Theater der Aufklärung" vor.

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