Peter Bogdanovich:"Im Kino stapelt sich immer mehr Müll"

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Mit "Broadway Therapy" drehte der Regisseur eine Beziehungskomödie - ohne prollige Pointen. Den Humor von Hollywood verachtet er.

Interview von David Steinitz

Selbst unter den exzentrischen Kollegen des New Hollywood - Coppola, Scorsese und Konsorten - war Peter Bogdanovich ein intellektueller Paradiesvogel. Er begann seine Karriere als Dandy-Filmkritiker, der regelmäßig mit Fritz Lang frühstückte und Alfred Hitchcock bei der Arbeit begleitete. Anfang der Siebziger wurde er mit seinen Filmen "Die letzte Vorstellung" und "Is' was, Doc?" weltberühmt. Heute verlässt Bogdanovich nur noch ungern L. A. und brummt erst mal misstrauisch ins Telefon, ob man seine neue Beziehungskomödie "Broadway Therapy" überhaupt gesehen habe. Aber ja!

SZ: "Broadway Therapy" ist Ihr erster Kinofilm seit mehr als einem Jahrzehnt. Warum die lange Pause?

Peter Bogdanovich: Die erste Fassung hatte ich schon 1999 geschrieben, für den wunderbaren Schauspieler John Ritter. John starb aber tragischerweise mit nur 54 Jahren an einer Durchblutungsstörung. Deshalb habe ich den Film erst mal auf Eis gelegt und ein paar Fernsehsachen gemacht. Zum Beispiel habe ich eine Folge der "Sopranos" inszeniert, weil ich dort ja ohnehin als Darsteller dabei war. Dann lernte ich eines Tages Owen Wilson kennen. Wir sind mittlerweile gut befreundet und schauen gern zusammen Serien, "Breaking Bad" zum Beispiel. Er ist einer der wenigen Schauspieler, die eine Komödie wie "Broadway Therapy" schultern können. Er ist überhaupt einer der wenigen Schauspieler heute, die noch so etwas wie eine richtige Persönlichkeit haben, im Sinne der klassischen Hollywood-Stars. Und so kam das Projekt erst jetzt wieder in Fahrt.

Owen Wilson als promiskuitiver Theaterregisseur in der New-York-Komödie "Broadway Therapy". (Foto: Wild Bunch)

Der Film sollte ursprünglich "Squirrel to the Nuts" heißen, Eichhörnchen für die Nüsse - in Anspielung auf ein Zitat aus einem Ernst-Lubitsch-Film.

Das wäre ein toller Titel gewesen, aber der gesamte Dialogwitz lässt sich unmöglich für ein nicht englischsprachiges Publikum übersetzen. "Broadway Therapy" war eigentlich noch viel mehr als klassische Screwball-Comedy angelegt, so wie Lubitsch oder Billy Wilder sie gemacht haben. Mit Owen Wilson in der Hauptrolle sind wir aber deutlich mehr in Richtung romantische Komödie gegangen. Er ist eher der Typ für Wortwitze als für den Slapstick-Humor der alten Screwballs.

Trotzdem wirkt der Film auf positive Art und Weise wie aus der Zeit gefallen . Komödien, wie Sie sie machen, werden heute eigentlich gar nicht mehr gedreht.

Stimmt, der Proll-Humor hat sich durchgesetzt, Körperflüssigkeiten, derbe Dialoge. Nur: Sperma im Haar, ist das wirklich witzig? Ist das wirklich große Komödienkunst? Ich finde, diese Komödianten machen es sich zu einfach. Das ist billige Effekthascherei, es fehlt an klug ausgedachten Pointen. Was auch daran liegen mag, dass es an Leuten fehlt, die sich solche Pointen noch ausdenken können.

Die großen Stars der aktuellen amerikanischen Comedy-Szene - der Regisseur und Produzent Judd Apatow zum Beispiel - haben mit ihren Proll-Filmen großen Erfolg.

Das macht es nicht besser. Ich schaue mir diese Komödien à la "Verrückt nach Mary" nicht mehr an, meine Vorbilder bleiben die Klassiker. Denken Sie doch mal daran, wie brillant, lustig und klug ein Film wie "Leoparden küsst man nicht" von Howard Hawks war. Wahnsinn! So etwas läuft heute auf Netflix - und im Kino stapelt sich immer mehr Müll.

Als Filmkritiker hatten Sie früher viel Kontakt zu den großen alten Hollywood-Legenden wie eben Howard Hawks. Wenn Sie deren Berufsethos mit dem Anspruch heutiger Filmemacher vergleichen, wie hat sich der Job des Regisseurs im Lauf der Zeit verändert?

Ach, was soll ich sagen . . . Die ehrliche Antwort muss wohl leider lauten, dass früher erwachsene Menschen Filme für Erwachsene gemacht haben. Heute drehen Kinder Filme für Kinder. Diese ganzen Trick- und Animationsfilme, der Superhelden- und Comic-Wahn, das kann ich einfach nicht ernst nehmen.

Schauen Sie sich diese modernen Blockbuster aus altem Kritikerinteresse trotzdem noch an?

Mit Sicherheit nicht, nein danke.

Manche Ihrer Kollegen, mit denen Sie in den Siebzigern das New-Hollywood-Kino geprägt haben, drehen trotz der Digitalisierung weiter stoisch auf traditionellem Filmmaterial. Wie halten Sie es damit?

Das ist eine Nostalgie, die ich nicht teile. Das digitale Filmemachen erleichtert die Arbeit doch sehr. Damit meine ich gar keine aufwendigen Spezialeffekte. Aber wenn ein Straßenschild im Hintergrund stört, kann man das hinterher einfach aus dem Bild putzen, ohne es in der Realität abmontieren zu müssen. Und was die Optik angeht: Die ist auch digital sehr opulent, wenn man es richtig anstellt.

Sie sind in New York aufgewachsen, mit diesem Film kehren Sie dorthin zurück. Wie hat sich die Stadt im Lauf der Jahrzehnte verändert?

Natürlich hat New York viel durchgemacht, gerade nach dem 11. September 2001. Ich sträube mich aber sehr dagegen, dass dieser Einschnitt die Stadt grundlegend verändert hätte, auch wenn das viele Leute behaupten. New York ist immer noch ein ziemlich irrer Ort, verrückt und glitzernd und überdreht. Aber auf eine lockere, gute Art und Weise.

Sie wurden vor ein paar Jahren mit der Fertigstellung von Orson Welles' letztem, von ihm nicht mehr vollendetem Film "The Other Side of The Wind" beauftragt. Wie steht es um das Projekt?

Ich weiß, das wurde schon mehrmals angekündigt und immer wieder verschoben. Der Film ist ja fertig gedreht worden, was jetzt noch zu tun ist, ist, aus dem Material eine finale Fassung zu schneiden. Es ist nicht ganz leicht, das zu bewerkstelligen. Künstlerisch sowieso nicht, auch finanziell hatten wir Schwierigkeiten. Aber wir sind dran, und ich hoffe sehr, dass er nächstes Jahr endlich aufgeführt werden kann.

© SZ vom 20.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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