Personalwechsel im Suhrkamp Verlag:Das Ende der Gewaltenteilung

Der Suhrkamp Verlag trennt sich von seinem Geschäftsführer Günter Berg - nicht ganz unerwartet, aber auch nicht ganz geplant.

THOMAS STEINFELD

Als Mitte Oktober, kurz nach der Buchmesse, bekannt wurde, dass Ulla Berkéwicz, die Witwe des im vergangenen Jahr gestorbenen Verlegers Siegfried Unseld, als Sprecherin in die Geschäftsführung des Suhrkamp Verlags eintreten werde, wurde dies in großen Teilen der Öffentlichkeit als Sympton für ein tiefes Zerwürfnis innerhalb des Hauses verstanden. Der Verlag dementierte. "Ich habe hervorragende Mitstreiter", versicherte Ulla Berkéwicz dem Spiegel, der ein devotes Interview mit ihr führte, "Günter Berg, Philip Roeder und Rainer Weiss, ein großartiges Lektorat, Suhrkamp-verschworene Abteilungsleiter, verantwortungsbewusste Mitarbeiter, die mir viele meiner Sorgen nehmen."Die Unterstützung, das Bewusstsein, gemeinsam an einer großen Sache zu arbeiten, kann so groß nicht gewesen sein. Am gestrigen Dienstag hat sich der Suhrkamp Verlag von Günter Berg getrennt, dem von Siegfried Unseld zu seinem Nachfolger bestimmten verlegerischen Geschäftsführe. In der Pressemitteilung heißt es, man habe sich für die Trennung entschieden, "da hinsichtlich der von den Gesellschaftern beschlossenen Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung keine Verständigung erzielt werden konnte."

Mit der "von den Gesellschaftern beschlossenen Aufgabenverteilung" ist die Ausweitung der Geschäftsführung auf vier Personen gemeint, die Ende Oktober vom Suhrkamp Verlag als vollzogen dargestellt wurde: Der bisherige geschäftsführende Gesellschafter Günter Berg hätte dabei als Stellvertreter der Sprecherin Ulla Berkéwicz agieren, also eine Degradierung hinnehmen sollen. Zum kaufmännischen Geschäftsführer Philip Roeder sollte sich Rainer Weiss, der Cheflektor gesellen. "Suhrkamp verstärkt seine Geschäftsführung", wurde damals in der Presse verbreitet, der Umbau der Führungsspitze sollte als ganz gewöhnliche Neuordnung angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen verstanden werden.

Das aber ist nicht der Fall. Entgegen den Verlautbarungen aus dem Verlag wie aus Teilen der Presse scheint es eine Zustimmung Günter Bergs zur Neuordnung nie gegeben zu haben. Vielmehr verweist noch die gestrige Pressemitteilung darauf, dass er die Beschlüsse der Gesellschafter wohl zunächst nur hingenommen hat, wohl wissend, dass die eigentlichen Entscheidungen in Gestalt von klaren Verteilungen von Aufgaben und Gewalten getroffen werden. Als sie ihm schließlich präsentiert wurden, scheint er damit nicht einverstanden gewesen zu sein.

Da er jetzt geht, bedeutet das auch, dass er auch als möglicher Stellvertreter von Ulla Berkéwicz seiner zentralen Kompetenzen beraubt worden wäre. Mit dieser Trennung werden alle Beschwörungen von Konsens nachträglich dementiert.

Selbstverständlich handelt es sich bei all diesen Nachrichten um Interna, die bei einem gewöhnlichen Unternehmen in der Presse allenfalls durch eine Personalnotiz behandelt worden wären. Nun ist Suhrkamp zwar ein Privatunternehmen, und Ulla Berkéwicz ist nach dem Tod ihres Mannes Eigentümerin der Mehrheitsanteile. Und doch ist Suhrkamp nicht nur eine gewöhnliche Firma, sondern auch eine öffentliche Instanz, die über Jahrzehnte hinweg die intellektuelle Öffentlichkeit in Deutschland, in allen deutschsprachigen Ländern, ja weit darüber hinaus, entscheidend mitgestaltete. Diesem Umstand trug Siegfried Unseld Rechnung, als er eine Dreiteilung der Gewalten verfügte, um die öffentliche Bedeutung des Hauses sicherzustellen: Der von Ulla Berkéwicz dominierten Gesellschafterversammlung hätte eine weitgehend selbständig operierende Geschäftsführung entgegenstehen sollen. Zusätzlich wurde ein Stiftungsrat eingesetzt, dem einige der bewährtesten und ältesten Autoren des Hauses angehören: Hans Magnus Enzensberger, Jürgen Habermas, Alexander Kluge, Adolf Muschg und Wolf Singer. Dieser Rat hätte die Kontinuität des Programms gewährleisten sollen. Mit dieser Gewaltenteilung ist es nun vorbei. Und mit dem Stiftungsrat auch.

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