Performance:Letzte Worte

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Bisweilen sehr dramatisch: Jordan Rountree als Zombie-Schwan. (Foto: Igor Chepikov)

Das Berliner Ensemble "gamut inc" im Schwere Reiter

Von Rita Argauer, München

Der Tod übt bei allem Schrecken eine gewisse Faszination aus. Auch in der Kunst. Denn das quasi natürliche, weil durch das Ende des Lebens manifestierte Pathos, das etwa in den letzten Werken von Künstlern liegt, ist nicht künstlich herzustellen. Das Berliner Experimental-Ensemble "gamut inc" widmet diesen letzten Werken, den sogenannten Schwanengesängen, nun den musiktheatralischen Abend "This Is Not A Swan Song". Doch unter Lebendigen für die Faszination der Endgültigkeit die richtigen Bilder zu finden, zeigt sich als nicht immer ganz einfach.

Im Schwere Reiter tut sich dafür das Ensemble um den Gitarristen Maciej Sledziecki und die Elektronik-Musikerin Marion Wörle sowie der Perkussionist Michael Vorfeld mit einem achtköpfigen Chor und dem Performer und Sprecher Jordan Rountree zusammen. Als inhaltliche Grundlage dient die Sammlung "Letzte Worte", in der Ernst Jünger die Äußerungen berühmter Sterbender kompilierte. Etwa der Ausruf "Mozart", der Gustav Mahler zugeschrieben wird, oder Hector Berlioz, der die Hoffnung "Endlich wird man meine Musik spielen" geäußert haben soll. Zwischen den passenden Musikerzitaten findet sich darin jedoch auch Schreckliches wie Himmler mit "Ich bin Heinrich Himmler" oder Liebendes wie "Karl, Karl" von Jenny Marx.

Der Performer Jordan Rountree ist mit weißen Kontaktlinsen und einer Puschelhose als eine Art Zombie-Schwan verkleidet und dafür verantwortlich, diese gewichtigen Sätze nun erneut in die Welt zu setzen. Die Musiker treffen dazu einen berückenden Ton. Während sich die Chorstimmen unter der Leitung von Armando Merino in tonalen Uneindeutigkeiten um zitternde Sätze wie "ich bin (nicht) bereit" ranken, erzeugt das Ensemble ein dröhnendes Klangkonstrukt. Geigenbögen treffen in klirrender Kühle auf Becken und Saiten, Noise-Schwaden brechen sich an einem liturgisch anmutenden Chorpart, Perkussion-Strecken lassen in ihrer industriellen Mechanik an die Musik der Einstürzenden Neubauten denken, bis schließlich ein Glühbirnen-Lagerfeuer die Musik zu einem Ausdruck erwärmt, der an Johnny Cashs Spätwerk erinnert.

In solch tollen Momenten dieses Abends verbinden sich Klang, Bühnenbild und Performance zu abstrakten, brüchigen und schimmernd jenseitigen Bildern. Doch die zweite Ebene, die über vergangene Technik wie eben Glühbirnen oder Tonbandgeräte von den Bedrohungen der heutigen Welt erzählen soll, verläuft sich in abgehalfterten Bildern; auch durch bisweilen unnötig dramatische Posen des Zombie-Schwans. Am Ende aber schwingt sich die Geigenbogen-Gitarre noch einmal zu neuer Grandezza auf und mit der Projektion einer sich immer weiter verdoppelnden und verpixelnden alten Aufnahme von Anna Pawlowa als "Sterbender Schwan" findet man ein sinnliches Ende.

© SZ vom 21.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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