Peinliche Oscar-Reden:"Oh, mein Gott, danke Mama, ich verdiene ihn!"

Sonntagnacht ist Oscarverleihung, und aus Erfahrung weiß man: Die Dankesreden werden wieder wenig glamourös. Die schlimmsten Patzer in Bildern.

Marten Rolff

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Alles soll diesmal besser werden: Damit die Quoten wieder steigen, hat das behäbige Programm der Oscarverleihung ein Facelift erhalten. Details sind noch geheim, aber die Devise heißt: schneller, spritziger, witziger. An den mal gewimmerten, mal gestammelten Dankesreden aber wird auch diese Reform nichts ändern. Für die Gewinner im Kodak Theatre gilt: "Etwa eine Milliarde Menschen sehen dir zu, und vergiss nie: Ein falsches Wort, eine dämliche Geste, und deine Karriere könnte in Flammen aufgehen." So formulierte es der australische Schauspieler Paul Hogan. Eine Analyse der Reden zeigt: Es gibt sieben Kategorien des Gesichtsverlustes. Entsetzlich sind sie alle.

Die Heulsusen:

Gwyneth Paltrow hat einmal zugegeben, ihren Oscar aus der Wohnung verbannt zu haben. Sie wollte einfach nicht mehr daran erinnert werden, wie sie da 1999 im knallbonbonrosa Ralph-Lauren-Kleidchen auf der Bühne stand. Das Gesichtchen gerötet und über endlose Minuten private Dankestiraden schluchzend. Tränenlos - was ihr als gespielte Rührung angelastet wurde. Ihre zum Glück schwer verständliche Rede gipfelte damals im "Dank an meinen Großvater, der eine so wundervolle Familie geschaffen hat." Beruhigend für sie dürfte sein, dass sie damit nur eine lange Tradition fortführte. Schon Grace Kellys Stimme war tränenerstickt, Goldie Hawn kreischte ohne Ende. Alles normal. Denn Forscher haben herausgefunden: Frauen weinen auf den Verleihungen häufiger und reden mehr als männliche Kollegen. Statistisch gesehen 44 Worte. Schauspieler sprechen länger als Regisseure, Amerikaner mehr als Europäer. Und der Wortschatz einer durchschnittlichen Dankesrede hier entspricht dem eines zehnjährigen Kindes. Häufigste Worte: "Danke", "ich will", "viel", "Mami", "oh, mein Gott." . Beliebteste Adjektive: "unglaublich", "schön", "wundervoll". Als US-Schauspielerin war sich Paltrow ihren Auftritt also schlicht schuldig.

Gwyneth Paltrow/Foto: ap

Text: SZ vom 21.2.2009/Marten Rolff/sueddeutsche.de/rus

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Die Selbstverliebten:

James Cameron stellte 1997 gleich zwei Rekorde ein: Sein Film "Titanic" erhielt mit elf Oscars so viele wie einst "Ben Hur", und der Kanadier sicherte sich einen der peinlichsten Momente der Academy-Geschichte. Weil er am Ende einer völlig verklemmten Dankesrede die Arme emporriss und den Satz bellte: "Ich bin der König der Welt." Doch fataler als das Titanic-Zitat war die Attitüde. Denn der weltberühmte Regisseur kam rüber wie ein triebgestauter Verwaltungsangestellter, der das unverhoffte "Guten Morgen" der Blondine aus der Revision gerade fälschlich als Anmache ausgelegt hat. Ähnlich peinlich wirkte wohl nur Sally Field, die dem verstörten Publikum mit dem Oscar in der Hand 1979 entgegenkreischte: "Ich kann nicht mehr leugnen, dass ihr mich liebt! Genau in diesem Moment liebt ihr mich!" Was nicht bedeutet, dass Narzissmus auf der Gala nicht zieht. Im Gegenteil. Nur sollte man ihn mit Witz und Würde dekorieren. Wie Shirley MacLaine, die 1984 der Jury maliziös dankte, die fast 30Jahre währende Wartezeit der Schauspielerin beendet zu haben. Um mit dem Satz zu schließen: "Ich verdiene ihn!"

James Cameron mit Kate Winslet/Foto: ap

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Die Marathonredner:

Nichts verzeiht man in Hollywood weniger als Langeweile. Legendär: Die 50 (!) "Ähs" in der Rede von Jonathan Demme, der als Regisseur von "Das Schweigen der Lämmer" eigentlich als Spannungsexperte galt. Ähnliche Häme musste sich nur die irische Schauspielerin Greer Garson gefallen lassen. Ihre belanglosen Worte (Einleitung: "Ich bin total unvorbereitet!") nach der Auszeichnung 1942 dauerten sieben Minuten - Rekord. Die Jury beschränkte die Redezeit später auf 45 Sekunden, dann soll das Orchester einsetzen. Was den meisten Preisträgern egal ist. Julia Roberts etwa gebot den Musikern 2001 mit herbem Charme Einhalt: Sie gedenke, diesen Moment voll auszukosten. Und Cuba Gooding jr. brüllte das Orchester 1997 einfach nieder: 15 Mal schrie er "I love you" - Mama, Tom Cruise, die ganze Welt. Man zog ihn dann von der Bühne. Das war zwar gnadenlos peinlich, aber immerhin eine grandiose Show.

Julia Roberts/Foto: ap

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Die Politischen:

Wer immer noch glaubt, eine Oscar-Bühne sei der richtige Platz für ein politisches Statement, sollte sich an Marlon Brando erinnern. Der blieb 1973 der Verleihung fern, um gegen die Diskriminierung der Indianer durch die Filmindustrie zu protestieren. Seinen Preis für "Der Pate" ließ er durch die Apachin Sacheen Littlefeather ablehnen, die im Lederfransenkleid und mit 15-seitigem Redemanuskript die Bühne betrat. Der Erfolg: Littlefeather stellte fest, ihre Rede in der vorgegebenen Minute nicht halten zu können. Sie wurde verdächtigt, gar keine Apachin zu sein. Und Clint Eastwood fragte, ob man den Oscar nicht besser allen in John-Ford-Western erschossenen Cowboys widmen sollte. Ähnlich erfolglos war Vanessa Redgrave, die 1978 für eine propalästinensische Rede ausgebuht wurde. Und als Michael Moore 2003 sein "Shame on you, Mister Bush" brüllte, um den Irakkrieg zu geißeln, wusste längst jeder im Saal: Der Regisseur kann es in Sachen Hybris mit dem US-Präsidenten aufnehmen. Hätten sich nur alle an Jane Fonda orientiert: Als die 1971 ihren Oscar erhielt, befürchteten viele eine Rede gegen den Vietnamkrieg: Fonda sagte: "Es gäbe viel zu sagen, aber ich sage nichts. Nur danke." Applaus!

Michael Moore/Foto: ap

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Die Lakoniker:

Auf nichts drängt man im Kodak Theatre so sehr wie auf Kürze. Gerüchten zufolge werden knappe, pointierte Reden mit Extra-Goodie-Bags belohnt. Und 2006 ließ man vorab eine achtminütige Ratgeber-DVD an die Nominierten verteilen, auf der Klassenprimus Tom Hanks mahnte: kurz und kreativ, bitte. Und: "Maximize your moment". Womit nicht kurz und schmerzlos gemeint war. Als Clark Gable seine Statuette einzig mit einem "Danke" entgegennahm, war das auch arrogant. Und das ebenso schlichte "Danke" von Alfred Hitchcock klang 1968 eher beleidigt. Sechs Mal war er für den Regie-Oscar nominiert. Gewonnen hat er nie. Zum Trost gab es den Ehren-Oscar für das Lebenswerk - für Hitchcock kein Ersatz. Doch wer in L. A. mäkeln oder sich sehr kurz fassen will, sollte mindestens eines sein: witzig. Wie Woody Allen. 21 Nominierungen, zwei Oscars, und erst seit 2002 widerwillig bei der Verleihung dabei. Einziger Satz: "Herzlichen Dank, das entschädigt wenigstens für die Leibesvisitation."

Alfred Hitchcock/Foto: Cinetext

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Die Dramatiker:

Sollte Mickey Rourke am Sonntag für seine Rolle im Catcherdrama "The Wrestler" den Oscar gewinnen, wird er seinen acht Hunden danken. Das hat er schon bei den Golden Globes getan. Manche werden das unpassend finden, und doch ist schon jetzt unwichtig, was Rourke überhaupt sagen wird. Er könnte auch auf die Bühne kotzen - er wird Standing Ovations ernten. Weil die Leute bewegt flüstern werden: "Wie authentisch er ist! Die Niederlagen, die Einsamkeit, das Ringen um Sieg, die Tränen des Glücks - der Film ist sein Leben!" Und nichts honoriert Hollywood mehr als ein privates Drama, das mit Erfolg zusammenfällt. Halle Berry wurde für die ihrer Meinung nach peinlichste Rede ihres Lebens gefeiert, weil sie gerade als erste Schwarze den Oscar für eine Hauptrolle gewonnen hatte. Und die artigen Dankesworte der Britin Joan Fontaine vergaß man in dem Moment, als ihre Schwester Olivia de Havilland auf die Bühne stürzte. Die war 1935 ebenfalls für den Oscar nominiert und mit Fontaine zerstritten, nun beeilte sich die Unterlegene, als Erste zu gratulieren. Doch den Trost, vor Publikum das Gesicht wahren zu dürfen, gönnte Fontaine der Schwester nicht. Sie wehrte de Havillands Glückwünsche brüsk ab - und sprach nie wieder mit ihr.

Mickey Rourke/Foto: Reuters

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Die Exzentriker:

Nach Verkündung ihrer Auszeichnung für "Durchgeknallt" (2000) küsste Angelina Jolie zuerst ihren Bruder sehr lange auf den Mund und erklärte dann auf der Bühne: "Ich bin einfach gerade unglaublich verliebt in ihn." Damit erzielte sie im Publikum durchaus Wirkung: "Schlampe", sagten die Blicke der Frauen. "Zieht sie sich jetzt aus?", fragten die der Männer. Zwei Jahre zuvor war Roberto Benigni hier wie eine Furie über alle Stuhllehnen gehüpft - aus Freude über den Doppel-Oscar für "Das Leben ist schön". In seiner Dankesrede faselte der Italiener dann in gebrochenem Englisch etwas von Kuscheln im Universum. Und waren die Zuschauer auch gerührt von so viel Extase, fragten sich viele später: "Wer ist der Mann? Ein genialer Drogenlaborant oder ein genialer Selbstvermarkter?" Wer exzentrisch sein will, lautet ein ungeschriebenes Gesetz bei der Verleihung, soll sich um die Filmrolle der Imelda Marcos bemühen oder seine schwulen Chihuahuas in Malibu vorsurfen lassen. Dass der Academy Award kein Spielplatz ist, hat ja sogar Jack Nicholson begriffen. Seine Sonnenbrille trägt er nur im Publikum. Betritt er die Bühne zur Rede, nimmt er sie ab.

Angelina Jolie mit ihrem Bruder Jason/Foto: Reuters

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