Pegida, DFB und VW:Was die Skandale für das deutsche Image bedeuten

Pegida, DFB und VW: Negativ-Werbung für Deutschland: Pegida, der DFB-Skandal um die WM 2006 und der Abgasskandal von Volkswagen

Negativ-Werbung für Deutschland: Pegida, der DFB-Skandal um die WM 2006 und der Abgasskandal von Volkswagen

(Foto: Reuters/dpa/Bloomberg)

Pegida, DFB-Skandal und VW-Affäre - Deutschland steht in Verruf. Droht das Image des Landes langfristig Schaden zu nehmen? Ein Gespräch mit Ethnologin Irene Götz.

Von Johanna Bruckner

Pegida-Demonstrationen, DFB-Skandal, VW-Affäre - wie wirken sich solche Negativ-Ereignisse langfristig auf das Image eines Landes aus? Irene Götz ist Professorin am Institut für Volkskunde und Europäische Ehtnologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie hat ein Buch veröffentlicht: "Deutsche Identitäten. Die Wiederentdeckung des Nationalen nach 1989" (erschienen im Verlag Böhlau).

SZ.de: Frau Götz, wir galten lange als pünktlich, arbeitsam, aber auch spaßbefreit. Müssen wir uns jetzt ernsthaft Sorgen um unser Image machen?

Irene Götz: Jein. Länderimages sind langlebig, einzelne Stereotype halten sich sogar über Jahrhunderte. Aber ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass gerade jetzt die Frage gestellt wird, ob unser Image durch die Skandale nachhaltig Schaden nimmt. Weil die Affären Felder berühren, die gegenwärtig zentral sind für das deutsche Image: Fußball und Auto.

Dafür stehen wir?

Über diese Bereiche hat sich in der Nachkriegszeit ein positives deutsches Image sehr stark definiert - im Inland wie im Ausland. Andere Aspekte der Kulturnation Deutschland waren durch den Nationalsozialismus komplett kompromittiert worden. Gerade durch die Werbekampagnen der deutschen Automobilindustrie hat sich ein Bild ins Ausland transportiert von Qualität, Hochwertigkeit, technischer Perfektion, Effizienz und Funktionalität. Denken Sie an Audis "Vorsprung durch Technik"-Kampagne, die auch in Großbritannien lief. Oder den VW-Slogan "Unpimp my car", mit dem in den USA dafür geworben wurde, dass VW-Autos keinen unnötigen Schnickschnack haben, sondern funktional und verlässlich sind. Diese Tugenden wurden den Deutschen auch in anderen Bereichen zugeschrieben und sie haben sie für sich selbst reklamiert. Die Werbung hat sie kommodifiziert, das heißt, zu einer Ware gemacht.

Die nun beschädigt ist.

Ja. Und man darf nicht vergessen: Der Export dieses Landes hängt sehr stark von der Autoindustrie ab. Da tut es natürlich besonders weh, wenn sich die "deutsche Verlässlichkeit", die insbesondere mit Qualitäts-Autos in Verbindung gebracht wird, zumindest teilweise als Lug und Trug herausstellt. Kurzum: Es ist ein massiver Imageschaden für die Autoindustrie, aber ich glaube nicht, dass er das ganze Land betrifft.

Warum nicht?

Länderimages sind immer kontextgebunden, das heißt: Wir Deutschen gelten als pünktlich, ordentlich, Weltmeister in Bezug auf Perfektionismus, auf Bürokratie, auf Organisation. Aber diese Sekundärtugenden werden nicht in jedem Kontext abgerufen. Solche Images werden inzwischen auch stärker reflektiert, zumal in einer Enwanderungsgesellschaft und durch die transnationale Mobilität. Wir wissen heute in Europa weit mehr voneinander als noch unsere Eltern und Großeltern, durch Reisen oder durch Studienaustausche.

Wie entstehen überhaupt Länder-Images?

Es ist schwer, eine konkrete Zeit oder ein konkretes Ereignis zu bestimmen, das das Image eines Landes begründet hat. Wir wissen aber beispielsweise von den Völkertafeln des frühen 18. Jahrhunderts - von diesen Kupferstichen oder Ölgemälden, in denen die europäischen Völker stereotyp klassifiziert wurden -, dass die Deutschen schon früh als im Krieg unüberwindbar galten. Das war lange vor dem Zweiten Weltkrieg. Mitte des 18. Jahrhunderts fingen die Menschen an, zu reisen, Reiseberichte verbreiteten sich. In dieser Auseinandersetzung mit dem Fremden, in der Abgrenzung zu anderen Ländern entwickelten sich nationale Selbst- und Fremdbilder.

Was braucht es, damit sich das Bild von einem Land substanziell verändert?

Länder-Images sind ziemlich stabil, es braucht mehr als ein paar Skandale, damit sich daran etwas ändert. Der Zweite Weltkrieg hat das Bild von Deutschland für Jahrzehnte geprägt. Nicht nur im Ausland. Bis in die Neunzigerjahre gab es nur eine negative deutsche Identität. Erst die Wiedervereinigung - noch so ein monumentales Ereignis - hatte die Kraft, wieder allmählich ein positives Deutschlandbild entstehen zu lassen. Das Fußball-Sommermärchen hat uns dann Tugenden verliehen, die wir so vorher nicht hatten, zumindest nicht im öffentlichen Bewusstsein. Da ging es um eine Spaßgesellschaft, einen Partypatriotismus, der nach außen getragen wurde und auch nach innen gewirkt hat. Das ist ein wichtiger Punkt bei Länderimages: Emotionen.

"In den USA wurde Deutschland lange mit Bayern gleichgesetzt"

Die halten das Bild zusammen?

Wenn man so will. Geteilte Emotionen schaffen gemeinsame Verständigungspunkte: Was haben wir erlebt? Was ist wichtig für uns? Was macht uns aus? Wobei Länderimages generationenabhängig sind. Wenn man Leute danach befragt hat, was für sie Deutschland ist, waren bis in die Achtzigerjahre hinein der Nationalsozialismus und die Aufarbeitung des NS-Regimes zentrale Themen. In jüngeren Umfragen steht die Wiedervereinigung an erster Stelle - und auch das ist nur eine Momentaufnahme.

Gibt es aktuell ein Ereignis, das die Kraft hat, ein Länderimage zu drehen - die Finanzkrise möglicherweise?

Das ist sicher ein Ereignis mit der nötigen Tragweite. Man kann das bei Griechenland beobachten: Das war für uns ein Urlaubstraumland, wir haben die Griechen um ihre Leichtigkeit, ihr Essen, ihre Sonne und vielleicht auch ihr antikes Erbe beneidet. Jetzt liest man über die angebliche Verschwendungssucht und Faulheit der Griechen. Medien spielen bei der Verbreitung von Länderimages eine wichtige Rolle. Interessanterweise scheinen die Diffamierungen von außen, das griechische Selbstbild aber eher zu stärken - die Griechen gelten ja als stolzes Volk mit einer starken nationalen Identität. Politischer Nutznießer der Krise sind so auch rechte Parteien wie die Goldene Morgenröte.

Stichwort Selbstbild und Fremdbild: Manchmal kann man das Gefühl bekommen, wer hier in Deutschland lebt, ist unzufrieden. Und wer hier nicht lebt, möchte herkommen. Wie entstehen so unterschiedliche Bilder ein und desselben Landes?

Es gilt die Faustregel: Je weiter ein Land von uns weg ist oder je weniger persönliche Erfahrungen mit einem Land vorhanden sind, desto stärker wirken Klischees. In den USA wurde Deutschland lange mit Bayern gleichgesetzt, mit Oktoberfest, Tracht, Bierseligkeit. Die vielen Flüchtlinge, die in diesen Tagen nach Deutschland kommen, haben vor allem das Ideal eines stabilen demokratischen Landes vor Augen. Und das Deutschland-Bild hat in den vergangenen Wochen eine weitere Facette bekommen: die zelebrierte Willkommenskultur.

Aber auch Pegida.

Ja, es gibt auch die Gegenbewegung der nationalistischen Abschottung. Wir leben in einer Zeit, die Gefahr und Chance zugleich ist für unser Image. Ich beobachte, dass die Politik, eigentlich parteiübergreifend, seit einigen Jahren offensiv versucht, Deutschland zum Einwanderungsland zu machen. Ich will jetzt gar nicht einzelne Gesetze bewerten, da ist natürlich einiges verbesserungswürdig. Aber es wurde die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft geschaffen und Bundespräsidenten erklären öffentlich, der Islam gehöre zu Deutschland. Das ist natürlich Symbolpolitik - aber wer sagt, dass der Aspekt "Einwanderungsland" nicht irgendwann zu unserem Selbstbild gehört?

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