Peepshow als Talkshow im TV:Bei Dänen peept's wohl

Blachman Dänemark Peepshow als Talkshow im TV

Die begaffte Frau darf nichts sagen, nur herumstehen. Die beiden Männer reden dann über ihren Körper.

(Foto: DR)

"Den Frauenkörper dürstet es nach den Worten eines Mannes": Moderator Thomas Blachman, Mischung aus Dieter Bohlen und einem Möchtegern-Alexander-Kluge, hat in Dänemark eine neue Show. Darin bespricht er mit wechselnden Partnern die Körper nackter Frauen. Der bizarre Beitrag zur Geschlechter-Debatte soll eine Provokation sein. Doch die geht nach hinten los.

Von Johan Schloemann

Eine große Sexismus-Debatte, weil ein älterer Parteipolitiker einer Journalistin aufs Dekolleté geschaut und zu ihr plumpe anzügliche Bemerkungen gemacht hat? Nun ja - Dänemark kann da noch ganz anders.

In unserem nördlichen Nachbarland läuft seit drei Wochen eine Peepshow als Talkshow. Zur besten Sendezeit, um 22 Uhr, im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, begleitet von einer erhitzten gesellschaftlichen Debatte. Das Sendekonzept sieht so aus: In einem dunklen Studio ohne Publikum sitzen zwei bekleidete Männer auf einem kleinen Sofa. Vor die beiden Männer tritt eine Frau, die ihren Bademantel abstreift und im Spotlight vor ihnen stehen bleibt, splitternackt.

Die Frau darf nichts sagen, nur herumstehen. Die beiden Männer reden dann über den Körper, den sie gerade betrachten, sie reden über weibliche Schönheit, Männlichkeit und verwandte Themen. Die Kamera wandert dabei hin und her, die begaffte Frau steht und schweigt, bis sie von einer zweiten Frau abgelöst wird.

Nach einer halben Stunde, die quälend lang werden kann, ist diese neue Form von asymmetrischer Kriegführung im Geschlechterkampf beendet, und die Sendung ist vorbei. Drei Folgen sind inzwischen gelaufen, drei weitere folgen noch.

Wie konnte es dazu kommen? Der Moderator Thomas Blachman - nach ihm heißt die Sendung schlicht "Blachman" - ist als erfolgreicher Jazzschlagzeuger und Musikproduzent hervorgetreten. Als Jurymitglied in der dänischen Variante der Casting-Show "X Factor" wurde er durch seine schonungslosen Urteile im ganzen Land bekannt.

Thomas Blachman, kahlköpfig, tiefstimmig, das Hemd immer einen Knopf zu weit geöffnet, gibt den Macho-Proll, aber einen von der gehobenen Sorte: Er beansprucht, künstlerisch sensibel zu sein und etwas zur kulturellen Diskussion, zur Lage der Nation beizutragen. Er ist so etwas wie eine Mischung von Dieter Bohlen und einem Möchtegern-Alexander-Kluge. Also ließ man ihn mit seiner Sendung gewähren, trotz vorhersehbarer Proteste.

Die Ausgangslage der Fleischbeschauer ist laut Thomas Blachman diese: Es gebe inzwischen "zu viel Pornografie auf der einen und zu viel politisch korrekten Puritanismus auf der anderen Seite". Dazwischen komme männlicherseits aber immer mehr "die Kreativität, die Poesie, das Begehren" abhanden.

Dann bricht etwas Ekliges durch

Die Männer liefen heute ja nur noch "als Schattenfiguren herum", es drohe gar "die schwanzlose Gesellschaft" (dänisch "det pikløse samfund"). Und diesem Elend soll nun das sehr spezielle Diskussionsformat abhelfen: "Den Frauenkörper", so meint der Moderator, "dürstet es nach Worten, nach den Worten eines Mannes."

Die Verständigung in einer bewusst provokanten, experimentellen Gesprächssituation werde daher auch, sagt Blachman, "dem Blick der Frau auf den Blick des Mannes auf die Frau" zugute kommen.

So viel guter Wille! Man muss dann nur ein paar Minuten hineinschauen in die Sendung, um festzustellen: Mit der kontextlosen Konfrontation von Körper und Kommentar, von Licht und Schatten, mit der scheinbar einfühlsamen Studioatmosphäre, mit den Frauen, die sich hier freiwillig zur Zwangs-Vorführung gemeldet haben, hat das kleine Dänemark ein Format hervorgebracht, mit dem verglichen "Big Brother" oder das "Dschungelcamp" als besonnene Seminare in praktischer Ethik gelten können.

Der Eindruck verstärkt sich gerade dadurch, dass der Moderator versucht hat, respektable Gesprächspartner einzuladen, denen der Frauenkörper als Stoff zum gefälligen Extemporieren dienen soll.

Mit dem Schriftsteller Jan Sonnergaard, der so etwas wie ein dänischer Clemens Meyer ist, sucht Thomas Blachman nach dem richtigen Begriff fürs weibliche Geschlechtsorgan, und man landet recht hilflos beim "Mysterium".

Man vernimmt durchaus auch (Selbst-)Kritisches zum Männerblick, zur Schwäche des Voyeurs, doch allzu viel Mäkelei des Literaten wird unterbunden. Dabei lässt sich schon in dieser ersten Folge etwas Interessantes beobachten: Am besten sind die Gespräche, wenn die Männer gerade nicht hinsehen.

Der Modeschöpfer Erik Brandt fühlt sich, umkleidekabinen-erprobt, von einer Frau mit Brustimplantaten durchaus angeregt, grundsätzlicher nachzudenken, auch über den formenden, sozialen Sinn von Mode, Bekleidung und Scham; doch dann bricht immer wieder etwas Ekliges durch, etwa wenn die Frau gebeten wird, sich zur Anschauung doch "bitte ein ganz bisschen hin- und herzubewegen", und wenn der Modemann sagt: "Ich habe nie gewusst, was ich mit großen Brüsten anfangen soll", wobei er sich und seine Hände schaudernd schüttelt.

"Schwanzlose Gesellschaft"

Die Rückenansicht animiert den einen zum Vergleich mit einem Cello, den anderen wieder dazu, "politische Korrektheit, Quoten und das ganze Zeug" zu verwünschen. Die zweite Frau tritt auf, diesmal keine Figur fürs Hochglanz-Magazin, mit Kaiserschnitt-Narbe - und die beiden Männer denken voller Dankbarkeit und Anerkennung nach über "das Wunder des Lebens" . . .

Und so geht das weiter, mal wie in der Pathologie ("Wir haben hier einen sehr reinen Körper"), mal mit freundlich-analytischem Interesse, mal mit derbem Harassment-Talk. Und natürlich haben die Kritiker in Dänemark völlig recht, die in "Blachman" die erniedrigende Reduzierung der Frau auf ein Objekt rügen. Interessant ist aber auch die Frage, warum die Provokation letztlich doch nach hinten los geht.

Peepshow als Talkshow im TV: An "Blachman" ist etwas spezifisch Dänisches.

An "Blachman" ist etwas spezifisch Dänisches.

Das Setting der Sendung ruft ja allerlei eingeübte kulturelle Situationen auf: zwei Männer gehen in die Gemälde- oder Skulpturensammlung; Lüstlinge betrachten Susanna im Bade; oder in Schnitzlers "Traumnovelle" begegnet uns die maskierte, unbekannte Schöne.

Aber die feministische Kunstbetrachtung hat auch herausgearbeitet, dass der ausgesetzte weibliche Körper sich gegen den männlichen Blick durchaus zu wehren weiß. "Es bleibt immer eine Schwierigkeit, natürliche Nacktheit, individualisierende Gebärde und kulturell kodierte Pose sauber voneinander zu trennen", schreibt beispielsweise Elisabeth Bronfen.

Künstliche Intimität kann auch Distanz schaffen, damit haben auch Nackt-Performancekünstlerinnen wie Marina Abramovic erfolgreich gespielt; und die Männer verheddern sich zwischen Betrachtung und Begierde, bis sie - und so kommt es denn auch in dieser dänischen Talkshow - am Ende selbst ziemlich nackt dastehen.

Wenn also angesichts dieser Subversion ein wenig Entwarnung gegeben werden kann, was den sittlichen Verfall angeht, so ist zugleich noch etwas spezifisch Dänisches an "Blachman".

Dänemark war einst Vorreiter der Libertinage, bis im Zuge von Ausländerpolitik und Rechtspopulismus eine konservative Wende proklamiert wurde, ein "Kulturkampf" gegen linksliberale Dominanz. Jetzt hat das Land wieder eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin, auch die Generaldirektorin des dänischen Fernsehens, das in letzter Zeit Welterfolge wie "Borgen" hervorbrachte, ist eine Frau, wie überhaupt viele, die in dem Land Verantwortung tragen.

Darunter aber gärt der Kampf gegen "politische Korrektheit" weiter, der sich in sonderbaren Formen des Aufbegehrens gegen die "schwanzlose Gesellschaft" sein Ventil sucht.

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