Otto Waalkes in Berlin:"Den ganzen alten Schrott nochmal"

Otto Waalkes performs in Zurich

Wie früher, nur mit weniger Haar, dafür mehr Glitzer: Otto Waalkes auf der Bühne

(Foto: dpa)

Er macht Witze über Peter Maffays Warze, besingt zum millionsten Mal den kleinen grünen Kaktus und am Ende holen Kinder Autogramme für Oma: Vier Jahrzehnte nach seinen ersten Bühnenerfolgen ist Otto Waalkes wieder live zu sehen - und entführt seine Fans auf einen Nostalgie-Trip.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Auf dem Schulhof war einmal ein Star, wer Otto bestmöglich imitieren konnte: Ein flottes "Holladihiti!" zur rechten Zeit, das verzerrte Gesicht, wie wenn der kleine grüne Kaktus sticht, vielleicht noch ein rüsseliges Ottifanten-Shirt am Leib - und die Mitschüler waren hin und weg, Jungs wie Mädchen.

30 bis 40 Jahre ist es her, dass der Komiker auf den Bühnen seine größten Erfolge feierte. Und nun ist Otto wieder auf Tournee, am Sonntagabend gastierte er im Berliner Tempodrom. Otto Waalkes' erste Show im TV war 1973, ein Jahr zuvor fand die von ihm selbst verlegte LP "Otto" auf Anhieb eine halbe Million Käufer. Es folgten Shows, Comics, Bücher, er lieh der Ice-Age-Figur Sid seine Stimme und kalauerte sich durch seine "7 Zwerge"- und diverse weitere Kinofilme, von denen die meisten seinen Namen trugen. Heute lässt sich sagen, dass Otto Waalkes einmal einer der größten Komiker Deutschlands war.

Blödeln um des Blödelns willen

Im vergangenen Jahr, zu seinem 65. Geburtstag, schrieben die Zeitungen Loblieder auf ihn wie auf ein Wesen von einem anderen Stern, fast schon wie Nachrufe: Zum Befreiungskünstler aus der Enge der miefigen Bundesrepublik wurde Otto geadelt.

Wo zuvor Komiker wie Heinz Erhardt mit steifem Altherrenwitz die Eltern umgarnt hatten, sei es Otto gewesen, der mit etwas damals völlig Neuem begeistert habe: Blödeln um des Blödelns willen, er habe dem gediegenen Komiker-Establishment mit seiner bitter nötigen Albernheit die Schwere genommen. Und nicht zuletzt habe mit der Frankfurter Schule und Robert Gernhardt, der ihm viele Witze geschrieben hatte, der linksintellektuelle Humor auch durch ihn an Fahrt aufgenommen.

Alles sitzt

Doch Robert-Gernhardt-Fans sind zumindest an diesem Sonntagabend eher nicht im Tempodrom anzutreffen, wo seine aktuelle Tour "Geboren um zu blödeln" aufgezeichnet wird. Es ist fast bis auf die letzten Plätze besetzt. Wer dachte, über Ottos Humor könnten heute nur noch Fünfjährige lachen, sieht sich getäuscht: Es sind in der Tat viele Kinder da, doch die meisten sind Mitte 40.

Ihnen spielt Otto jetzt wieder den kleinen grünen Kaktus vor und wie er sticht, sticht, sticht. Er heiratet seinen Ottifanten, bringt den üblichen Otto-Witz: "Beim Melken wurd's dem Melker klar, dass die Kuh ein Bulle war." Oder: "Wat hat dat Watt, wat dat Watt nur hat?" Und er macht Udo Lindenberg so täuschend echt nach, dass man merkt: Eigentlich ist dieser Mann ein hervorragender Schauspieler; es wäre glatt möglich, dass er uns den Komödianten die ganze Zeit nur vorspielt. Seine Gags waren eh nie politisch, sondern immer alltagstauglich, oder leicht darunter. Oft ein bisschen peinlich - aber sie saßen. Und sie sitzen offenbar immer noch.

Nostalgie mit dem kleinen Ottili

Es gibt auch ein paar neue Programmpunkte, etwa den Otto-Gangnam-Style, stilecht mit schwarzer Perücke, Sonnenbrille und absurdem Frack. Doch die meisten seiner Gags sind genauso schon vor Jahrzehnten im Fernsehen gelaufen, wie etwa das Lied "Dänen lügen nicht".

Gleich zu Beginn kündigt er selbst an, dass er jetzt "den ganzen alten Schrott nochmal" bringe. Sein Humor ist wie eh und je: Fröhlich, körperbetont, harmlos. Ein Witz wie eine frische norddeutsche Brise, danach ist das Hirn leer und das Zwerchfell müde. Dazu trägt Otti immer noch Schirmmütze, rosa Wangen und diese hellen, leuchtenden Äuglein.

Sie strahlen umso mehr, wenn er merkt, wie viel Spaß das Publikum an seinen ollen Kamellen noch hat. Ein paar Wortwitze, die noch der Hinterletzte versteht, deutliche Aufforderungen zum Lachen und zum Mitgrölen altbekannter Hits. Otto hat sein Publikum perfekt im Griff, am Ende singt der ganze Saal, immerhin mehrere Tausend Besucher, seine umgedeuteten Songs mit - er selbst muss kaum noch etwas machen: "Langsam habe ich das Gefühl, ich müsste euch Eintritt bezahlen!"

Schon wieder einer, der nicht aufhören kann?

Was ist da los, dass auf einmal Otto wieder auf der Bühne ist, und zwar fast so erfolgreich wie ehedem? Schon wieder einer dieser alten Männer, die einfach nicht abtreten wollen, wie ein Thomas Gottschalk, der verzweifelt versucht, am Ball zu bleiben, oder ein Harald Schmidt, den trotz aller Scharfzüngigkeit kein Sender mehr haben will? Schon wieder einer, der nicht aufhören kann, wenn's vorbei ist?

Bei Otto scheint der Fall ein bisschen anders zu liegen. Er war so lange weg vom Fenster, dass er jetzt die pure Nostalgie verkörpert. Seine größten Fans sind mit ihm alt geworden und haben nun selber Kinder in dem Alter, in dem sie damals waren. Dass da kein junger Schlacks mehr steht, sondern ein Männchen mit kleinem Bauch, das rührt die Zuschauer umso mehr an. Schließlich sind viele von ihnen auch nicht mehr die frischesten.

Mit Otto in Erinnerungen schwelgen, das ist fast wie nochmal jung sein. Zumal das kleine Ottili ausschließlich körperlich gealtert zu sein scheint: Die Stimme klingt immer noch nach dem Jungen, der er wohl immer geblieben ist; der ewig Spätpubertierende reißt immer noch Pennälerwitze.

Und so muss das Männlein mit dem gelben Haar (welches mittlerweile auf den Hinterkopf verzogen ist) nur noch ein paar Gesten andeuten, um den Saal zu begeistern. Die Jüngeren kennen seine Gags von Youtube, die älteren noch aus der Erinnerung.

Perfektion und Leichtigkeit

Am Ende seines zweistündigen Programmes, das ihn seit Herbst durch Deutschland, Österreich und die Schweiz geführt hat, und das in Berlin nun sein Ende findet, stehen nochmal rund 250 Fans geduldig vor der Bühne und warten auf den großen Meister. Im kanarienvogelgelben Jäckchen tritt er noch einmal auf die Bühne und unterzeichnet fleißig Autogrammkarten, die Kinder ihm "für Omi" hinhalten, ein junger Mann hat seine erste Otto-Platte aus den 70er Jahren mitgebracht und sagt, selbst ganz gerührt: "Da war ich noch ein Kind!"

Das Schwelgen in Nostalgie ist die eine große Kraft, die hinter dem neuen Erfolg von Otto Waalkes steht. Die andere ist: Selbst wenn Otto nicht den Gangnam-Style macht und nur von Peter Maffays Warze singt oder auch einfach mit zwei Handpuppen Kindertheater spielt, ist das immer noch gehaltvoller, weil handwerklich weitaus perfekter als das, was der Durchschnittscomedian in einer der unzähligen TV-Shows heute zu bieten hat. Was das für die deutsche Comedyszene zu bedeuten hat, mag sich jeder selbst beantworten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: