Otto Waalkes:Selbstbildnis mit Ottifant

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Otto - Die Ausstellung: Zum 70. Geburtstag von Otto Waalkes am präsentiert das Caricatura-Museum in Frankfurt am Main Bilder des Komikers. (Foto: N/A)

Otto Waalkes steht für Zoten, Ottifanten und das kehlige "Hahaa!". Jetzt eröffnet eine Frankfurter Ausstellung einen komplett anderen Blick auf Waalkes' Schaffen.

Von Christoph Schröder

Otto Waalkes hat, ohne es zu wollen, viel Unheil angerichtet. Er ist beispielsweise verantwortlich dafür, dass es eine ganze Generation von Deutschen mit Mitschülern zu tun hatte, die sich ausschließlich in jenem charakteristischen, von Waalkes geprägten Hüpfschritt durch die Welt bewegten und dazu in regelmäßigen Abständen ohne erkennbaren Anlass ein kehliges "Hahaaaaa" ausstießen. So wie es eben auch Otto Waalkes 1985 tat in "Otto - Der Film", dem bis heute erfolgreichsten deutschen Kinofilm aller Zeiten mit knapp 15 Millionen Besuchern.

Die unangenehmen Nebenwirkungen des Films ändern allerdings nichts an der Tatsache, dass der in Emden geborene Komiker, der sein Ostfriesentum und die dazugehörige Nationalflagge ("weißer Adler auf weißem Grund") zu einem seiner Markenzeichen gemacht hat, sich sprachlich in der Kultur der Bundesrepublik verewigt hat. Wie Heinz Erhardt hat auch Otto Waalkes kalauernde, manchmal zotenhafte Wendungen geprägt, die heute selbstverständlich zur Alltagssprache gehören, ohne dass die Sprecher sich dessen noch bewusst wären.

Streng genommen gehört auch Otto zur Neuen Frankfurter Schule

Aber: Waalkes war schon immer nicht nur der Gitarre spielende Bühnenclown. Seine Anfänge liegen im Bereich der Malerei und der Karikatur, und seit dem "Buch Otto" von 1980 hat Waalkes in regelmäßigen Abständen Bücher mit seinen Zeichnungen veröffentlicht. Das Caricatura Museum in Frankfurt ist spezialisiert auf die Künstler der Neuen Frankfurter Schule, die allesamt aus dem Umfeld der Satirezeitschrift Titanic kommen und deren Humor schon immer über eine Verbindung von Text und Bild funktionierte.

Otto - Die Ausstellung
:Ottifanten im Wandel der Kunst

Munch, Hopper oder aber auch Charles M. Schulz: Otto Waalkes entfremdet so geschickt, dass sich Irritation und Identifikation im gleichen Augenblick übereinanderschieben.

Auch Otto Waalkes, der im Juli 70 Jahre alt wird, gehört, wenn auch indirekt, zu den Vertretern der Neuen Frankfurter Schule, denn sein großer Erfolg verdankt sich nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert, die seit den Siebzigerjahren immer wieder als Ideengeber und Gagschreiber für Waalkes arbeiteten und auch für das Drehbuch von "Otto - Der Film" verantwortlich zeichneten.

Die Ausstellung, die das Caricatura-Museum nun zeigt, eröffnet allerdings, zumindest in den prominent platzierten Exponaten im Erdgeschoss, einen komplett anderen Blick auf Waalkes' Schaffen: Die Bilder, überwiegend in den letzten Jahren entstanden, imitieren oder parodieren auf technisch verblüffend virtuose Art und Weise Klassiker der bildenden Kunst von Leonardo da Vinci über Caspar David Friedrich bis zu David Hockney und Roy Lichtenstein, dem gleich eine ganze Serie gewidmet ist. Man läuft durch die Ausstellung und erfährt einen Wiedererkennungsmoment nach dem anderen. Allerdings zeigt Waalkes sich nicht als bloßer Kopist, denn allen Bildern ist eines gemeinsam: An entscheidenden Stellen hat Waalkes die Originalmotive durch sein Markenzeichen, den Ottifanten, ersetzt.

Das unförmige Teil, das, so erzählt es der Mythos, das Resultat eines missglückten Selbstporträts sein soll, geistert bei Waalkes als anarchisches Element durch die Kunstgeschichte. Picassos Junge hält eben keine Taube, sondern einen Ottifanten in den Armen vor seinem Körper. In der Otto-Version von Caspar David Friedrichs "Wanderer über dem Nebelmeer" blickt Waalkes selbst, auf eine Gitarre statt auf einen Spazierstock gestützt, in die Weite der Landschaft, neben sich den ebenfalls in die Ferne schauenden Elefanten. So geht das immerfort: Munch, Hopper oder aber auch Charles M. Schulz verfremdet Waalkes so geschickt, dass sich Irritation und Identifikation im gleichen Augenblick übereinanderschieben.

Der Ottifant ist für Waalkes auch Symbol unerfüllter Wünsche

Anders als bei den Lyrikern der Neuen Frankfurter Schule entsteht bei Waalkes Übermalungen allerdings nicht der Eindruck, als betreibe hier einer unter dem Deckmantel der Ironie den selbstironiefreien, verzweifelten Versuch der Selbsteinreihung. Seine Malerei ist eindeutig als reine Hommage zu begreifen. Und spätestens bei der Betrachtung von Marilyn Monroe, deren Rock nicht von einer Lüftung, sondern von den phallisch aufgereckten Rüsseln zweier Ottifanten in die Höhe geblasen wird, wird deutlich, dass der Ottifant für Waalkes auch zum Symbol unerfüllter Wünsche geworden ist.

Otto Waalkes hat 1970 an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg ein Studium der Kunstpädagogik aufgenommen, das er zunächst mit Bühnenauftritten finanzierte, die nach relativ kurzer Zeit zu seinem eigentlichen Beruf und Gelderwerb wurden. Während im ersten Stock der Frankfurter Ausstellung die zum Teil bis heute bestechend komischen, kleinteiligen und mit Wortspielereien unterlegten Skizzen und Zeichnungen zu sehen sind, kehrt Otto Waalkes mit den großformatigen Bildern aus den vergangenen Jahren tatsächlich zu seinen Anfängen zurück. Ein Werk aus insgesamt rund 200 Exponaten, das demonstriert: Komik ist Arbeit. Oder, wie Waalkes es sagen würde: "Aller Unfug ist schwer."

Otto - Die Ausstellung. Caricatura Museum Frankfurt am Main, bis 2.9. Alle Infos: http://caricatura-museum.de

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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