Oscars 2011:Durch die Oscar-Nacht mit ...

... einem nominierten Moderator, einem Mädchen mit Biss und einer Beutelratte mit Weitblick: die drei vielleicht wichtigsten Figuren der diesjährigen Gold-Vergabe.

Tanja Rest, Martin Zips und Marten Rolff

Natürlich war es eine dumme Idee, der Pressefrau von 20th Century Fox diese Frage zu stellen: Ob der Schauspieler, den man gleich interviewen werde, in den USA bereits ein Star sei? Interessant war aber doch, was die Frage bei der Pressefrau auslöste. Mit geweiteten Augen und leicht schriller Stimme: "He was in ,Spiderman'! He was James Dean! He is a Gucci model! Are you kidding?" Das war vor einem Jahr in Salt Lake City, am Set von "127 Hours", und die Antwort lautete wohl, ja, James Franco war auch damals schon ein großer Star. Fragt sich bloß - was ist er dann heute?

James Franco "Rebel" Ausstellung im Museum of Contemporary Art

Nicht nur das der Schauspieler James Franco zusammen mit Anne Hathaway die Oscars moderiert, gleichzeitig ist er auch für die beste männliche Hauptrolle nominiert.

(Foto: Reuters)

In Rupert Murdochs neuer iPad-Zeitung The Daily ist gerade eine sehr kurze Liste erschienen: "Dinge, die James Franco nicht tun kann". Aufgeführt waren unter anderem "ein Kind bekommen" und "mit geöffneten Augen niesen". Alles andere traut man dem 32-Jährigen inzwischen offenbar zu, und genau da liegt der Unterschied. Im Frühjahr 2010 war Franco ein Schauspieler mit einem netten Gesicht, der im Kino erst eine einzige Hauptrolle übernommen hatte (Allen Ginsberg in "Howl"). Er hatte für Parfum gemodelt und tauchte in den "Sexiest Men"-Rankings auf; es gab ein paar wichtige und berühmte Leute, die wollten furchtbar gerne mit ihm arbeiten. Er war ein süßes Versprechen - das sich dann spektakulärer und verwirrender erfüllt hat, als er selbst damals ahnen konnte.

Wo anfangen? Mit der Rhode Island School of Design, wo er einen Kurs in Digitaler Kunst belegt? Oder in Yale, wo er im Fach Literatur promoviert? Oder mit seinen Kurzgeschichten, aus denen ein Buch geworden ist? Nicht zu vergessen die bald fertige Platte, Motown-Style. Und dann natürlich die Kunst: Eine Ausstellung mit Installationen, Kurzfilmen und Skulpturen ist derzeit in der Berliner Galerie Peres Projects zu sehen.

Das alles ist natürlich ein Affront. Etwas Maßloses, Unentschiedenes, zwangsläufig Oberflächliches scheint da mitzuschwingen. Haben wir nicht gelernt, dass man sich im Leben verdammt nochmal auf eine Sache konzentrieren muss, wenn man richtig gut darin sein will? Franco ist nun entweder ein genialer Blender, oder aber diese Regel gilt für ihn nicht. Der New Yorker bescheinigte ihm "eine ungewöhnlich hohe Veranlagung zur Produktivität, eine übermenschliche Fähigkeit zu fokussieren". Am Sonntag wird man das wieder beobachten können, wenn er zusammen mit Anne Hathaway die Oscars moderiert und gleichzeitig völlig zu Recht für die beste männliche Hauptrolle nominiert ist.

Hinter all diesen künstlerischen Alter Egos zeichnet sich der Mensch James Franco nur schemenhaft ab - als sehe man ihn stets im Gegenlicht. Als er kürzlich in Berlin seine Ausstellung eröffnete, haben viele Journalisten versucht, das Bild endlich zu schärfen. Sie bekamen kaum mehr aus ihm heraus als eine Art "Leute, ich weiß es doch auch nicht".

Von der eigenen Begegnung mit Franco ist einem vor allem die Stimme in Erinnerung geblieben: ein kehliges Kratzen, kaum hörbar und so monoton wie ein Musikstück, aus dem die Höhen wie die Bässe entfernt worden sind. Die Stimme eines müden Mannes. Er lag mehr als dass er saß auf seinem Stuhl, die Energie konzentrierte sich in zwei tiefen Furchen zwischen seinen Augenbrauen. Gleich am Anfang stellte er Blickkontakt mit der Tischplatte her und ließ ihn bis zum Schluss nicht mehr abreißen. Franco spielte einen Bergsteiger, der 127 Stunden in einem Canyon gefangen ist. Sein Make-up an diesem Tag sah nach Stunde 126 aus, aber vielleicht hätte es auch gar keins gebraucht. Der Wahnsinn war: Der Mann spielte in praktisch jeder Szene des Films, aber seine Drehzeiten waren so gelegt worden, dass er zwischendurch noch nach New York fliegen und seine Regie-Ausbildung fortführen konnte.

Der unfassbare Mister Franco: Als man hinterher das Tonband abhörte, hatte er keinen einzigen bemerkenswerten Satz darauf hinterlassen. Tanja Rest

Lesen Sie auf Seite 2, warum die Deutschen im Ausland als tierisch leicht durchgeknallt gelten.

Das schielende Orakel

Seit geraumer Zeit nimmt der ausländische Fernsehzuschauer unsere schöne deutsche Heimat nur noch als gekenterten Schwefelsäuretanker, als nicht gesetzte Fußnote oder als Ansammlung orakelnder Tiere wahr. Das entspricht nicht der Realität, denn wir haben hier auch die Loreley, Dr. Oetker und Christine Neubauer. Aber so ist das mit den Medien: Wenn's dumm läuft, wird ganz Deutschland eben zur Krake Paul aus Oberhausen und interessiert sich ausschließlich für Fußball.

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Für die "Jimmy Kimmel Live!"-Show des Senders ABC wählt Heidi Filme und Schauspieler aus, die angeblich am Sonntag in Los Angeles eine Statuette zugesteckt bekommen.

(Foto: AFP)

Derzeit macht das schielende Opossum Heidi Karriere, das im Zoo von Leipzig lebt - bis Juli allerdings noch im nicht-öffentlichen Bereich, so geben es die Quarantänebestimmungen vor. Heidi war zuvor in einem dänischen Tierpark zu Hause. Offenbar hat man sie dort überfüttert, was ihre Augen übel hervorquellen ließ. Mittlerweile hat die zweijährige Beutelratte eine eigene Fanseite auf Facebook, eine Telenovela im MDR und beschäftigt das Time Magazine. Ihr Werbewert soll Millionen betragen.

Schon seit Bruno, dem Braunbären, spätestens aber seit Knut, dem Eisbären, gelten die Deutschen im Ausland als tierisch leicht durchgeknallt. Zu Recht! Man muss sich nur die teuren Rettungsautos des Tiernotruf-Vereins um die Ecke anschauen, gegen die die Ambulanz vom Roten Kreuz wie ein Pritschenwagen wirkt. Dank Paul und Heidi ist Deutschland nun zum Delphi des 21.Jahrhunderts aufgestiegen. Die amerikanische Fernsehnation schaut dieser Tage der schielenden Ratte Abend für Abend bei der Kür möglicher Oscar-Gewinner zu. Für die "Jimmy Kimmel Live!"-Show des Senders ABC wählt Heidi Filme und Schauspieler aus, die angeblich am Sonntag in Los Angeles eine Statuette zugesteckt bekommen. Man wird sehen.

Natalie Portman und Colin Firth jedenfalls haben es dem erbärmlichen Tier bereits angetan, obwohl man davon ausgehen muss, dass man als schielendes Virginia-Opossum selbst im gewärmten Kinosaal bei herabfallenden Popcorn-Bröseln weder schwarze Schwäne noch stotternde Könige über mehrere Stunden erträgt, was generell die Frage nach der filmischen Fachkompetenz von Beutelratten aufwirft. Sollte man doch lieber, wie das Volk der Inka, die Zukunft aus Eingeweiden lesen? Oder sich wie Priesterin Pythia an Düften aus der Erdspalte berauschen? Offenbar nicht. Zur Verleihung im Kodak Theatre werden alle Oscar-Nominierten eine Plüsch-Heidi in einer Geschenktüte erhalten - gefertigt von der Kösener Spielzeugmanufaktur.

Komisch, dass sich ausländische Kamerateams in Deutschland ausgerechnet auf ein schielendes Opossum stürzen, wo doch tatsächlich "Der Grüffelo" als einziger deutscher Film für den Oscar nominiert wurde, in der Kategorie "Bester animierter Kurzfilm" nämlich. Wo sind die Journalisten, die sich jetzt zum Beispiel in der Fußgängerzone von Bottrop auf die Suche nach Lebewesen machen, die mindestens so hässlich aussehen wie das von Axel Scheffler geschaffene Grüffelo-Tier? Könnte man diese nicht orakeln lassen, ob beispielsweise Randy Newman auch diesmal wieder den Oscar für den besten Filmsong erhalten wird? Oder der gar nicht schielende (aber in Frankfurt geborene!) Hans Zimmer den Oscar für die beste Filmmusik?

Ein Land, das sich durch seine Liebe zu Kuhfladen-Bingo, Schneckenrennen und der Ziehung der Lottozahlen mit Franziska Reichenbacher auszeichnet, ein Land, in dem über die Anleinpflicht im Stadtpark genauso kläffend diskutiert wird wie darüber, ob korrekte Ernährung nun biologisch, vegetarisch, vegan oder frutarisch sein soll, solch ein Land ist doch wie geschaffen dafür, der Welt endlich einmal zu erklären, wie es so insgesamt weitergeht: Wohin klettert der Benzinpreis? Wer wird der nächste Präsident von Amerika? Was wird aus Wetten, dass..?

Seien wir nicht äußerlich, lassen wir Heidi weiter orakeln. Wenn sie's nicht weiß, wer dann? Martin Zips

Lesen Sie auf Seite 3, wie sich Anne Hathaway mit jedem Film wohldosiert neu erfindet.

Gutes, böses Mädchen

Anne Hathaway

Anne Hathaway liebt harte Bühnenarbeit und selbst am Monumentalfilmset erscheint sie immer noch wie eine Novizin, die zum ersten Casting mit der U-Bahn gekommen ist.

(Foto: AP)

Der Mund zu breit, Augen und Ohren zu groß und der Kopf zu klein" - so urteilt Hathaway über Hathaway. Was soll man sagen: Professioneller hat auf einem Pressetermin lange keiner mit der eigenen Schönheit kokettiert. Societyreporter glauben dagegen, in Anne Hathaway eine Art Schnittmenge aus Judy Garland, Audrey Hepburn und Julia Roberts erkannt zu haben. Mit der Einschränkung, dass man Anne weniger neurotisch als Judy, zugänglicher als Audrey und sympathischer als Julia findet. Nur Hathaway weiß den Rehaugenaufschlag derzeit so zu platzieren, dass Männer sich sofort vorstellen können, nach dem Sex noch ein Bier mit ihr trinken zu gehen, während Frauen meinen, eine patente neue Freundin gefunden zu haben. Gibt es bessere Voraussetzungen, um auf der wichtigsten Bühne Hollywoods als Co-Moderatorin neben einem oscarnominierten Gucci-Model zu bestehen?

Früher versuchte man kurzfristig, der Amerikanerin den Spitznamen "Bambi" anzuhängen, was irgendwie nahelag. Schließlich gelang Hathaway der Durchbruch in der Disney-Produktion "Plötzlich Prinzessin", die Geschichte eines amerikanischen Teenagers, der unverhofft den Thron eines europäischen Kleinstaates erbt - Fortsetzung folgte. "Wie bitte wollen Sie aus dieser Schublade je wieder herauskommen?", fragte eine Journalistin die damals 19-Jährige nach der Premiere. Heute ist Anne Hathaway 28 Jahre alt, und die Vergangenheit hat ihr bekanntlich nicht geschadet.

Im Gegenteil. Wissen wir doch seit Romy Schneider, dass in der öffentlichen Wahrnehmung nichts besser funktioniert als eine junge Mimin, die ihr makelloses Prinzessinnen-Image planmäßig in den Schmutz spielt. Sich mit jedem Film wohldosiert neu erfinden, lautet die Regieanweisung, die sich Hathaway nun seit knapp zehn Jahren gibt. In "Brokeback Mountain" zeigte sie als betrogene Ehefrau eines schwulen Cowboys erstmals Härte. In "Der Teufel trägt Prada" ließ sie als gemobbtes Assistenten-Engelchen der unerträglichen Vogue-Chefin selbst nagenden Ehrgeiz erkennen. Und kürzlich lieferte Hathaway schließlich noch brav akrobatische Nacktszenen mit Jake Gyllenhaal ab. Ins sogenannte Charakterfach aber wechselte sie 2008 mit "Rachels Hochzeit". Die Rolle als drogensüchtiges Miststück, das den schönsten Tag seiner Schwester ruiniert, trug ihr eine Oscar-Nominierung und das aufgeregte "Wer hätte das gedacht!" der gesamten Branche ein.

Gutes, böses Mädchen - dieser Titel wird in Hollywood nur für harte, ehrliche Arbeit verliehen und nicht für private Abstürze. Die Trennung von ihrem italienischen Freund Raffaelo Follieri, der wegen Betrugs im Knast landete, verlief entsprechend geräuschlos. Und in Interviews darf das Bild von der Kumpelprinzessin weiterleben: Eine Anwaltstochter aus Brooklyn, die von ihrer netten Familie stets auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wird, harte Bühnenarbeit liebt und selbst am Monumentalfilmset immer noch erscheint wie eine Novizin, die zum ersten Casting mit der U-Bahn gekommen ist. Eine studierte Anglistin, die sich für Schwulenrechte engagiert und zwei heimlichen Leidenschaften frönt: mit dem Hund Gassi gehen und Kuchen backen.

Auf der Bühne des Kodak Theatre darf man sich Hathaway somit als eine Art gemeinsamen Nenner von Jack Nicholson und Doris Day vorstellen. Ein dekorativer Konsens, der vermutlich wieder witziger und scharfsinniger sein wird, als alle gedacht hätten. Einziger Stolperstein: Der tödliche Blick von Natalie Portman, sollte diese nach vorn gerufen werden, um den Oscar für ihre düstere Perfomance in "Black Swan" entgegenzunehmen. Über Portman ist bekannt, dass sie alles für die Rolle von Catwoman gegeben hätte, Christian Bales Gegenspielerin im nächsten "Batman"-Film. Im Casting aber überzeugte dann die diabolischere Ausstrahlung von Anne Hathaway. Was für ein böses Mädchen. Marten Rolff

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